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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783.

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her, keinen Gefallen findet; daß er sie durch
Mienen und Worte von sich zurükschrekt; daß er
nichts recht findet, nichts nach seinem Kopfe,
und über alles Glossen macht! Da muß das
arme leidende Weib ihre mächtigsten und süßesten
Gefühle der ehelichen Zärtlichkeit dan in sich selbst
verschließen; muß stum und traurig da sizen, in-
des ihr Innerstes von liebevollen Empfindungen
kocht, und ihr treues Herz sich stündlich losreissen
mögte, um an den Busen des geliebten Unholds
zu fliegen.

Mein Kleon, ich rede dieses aus einem innern
wehmüthigen Selbstgefühle. Warum solt' ichs
dir vorheelen? Auch ich bin, während meinem
geschäftigen Leben nicht selten in diesen traurigen
Fehler verfallen. Und wolten alle die hochbe-
rühmten Leute, welche zum Theil unter dem präch-
tigen Titel Menschenfreunde! bekant sind, of-
fenherzig sein: so würdest du das Echo dieses
meines freiwilligen Geständnisses aus tausend und
tausend Studierstuben wiederhallen hören. Aber
man legt nicht gern eher ein Geständnis seiner
Fehler ab, bis man sich davon gebessert hat.


Spiegle
C

her, keinen Gefallen findet; daß er ſie durch
Mienen und Worte von ſich zuruͤkſchrekt; daß er
nichts recht findet, nichts nach ſeinem Kopfe,
und uͤber alles Gloſſen macht! Da muß das
arme leidende Weib ihre maͤchtigſten und ſuͤßeſten
Gefuͤhle der ehelichen Zaͤrtlichkeit dan in ſich ſelbſt
verſchließen; muß ſtum und traurig da ſizen, in-
des ihr Innerſtes von liebevollen Empfindungen
kocht, und ihr treues Herz ſich ſtuͤndlich losreiſſen
moͤgte, um an den Buſen des geliebten Unholds
zu fliegen.

Mein Kleon, ich rede dieſes aus einem innern
wehmuͤthigen Selbſtgefuͤhle. Warum ſolt’ ichs
dir vorheelen? Auch ich bin, waͤhrend meinem
geſchaͤftigen Leben nicht ſelten in dieſen traurigen
Fehler verfallen. Und wolten alle die hochbe-
ruͤhmten Leute, welche zum Theil unter dem praͤch-
tigen Titel Menſchenfreunde! bekant ſind, of-
fenherzig ſein: ſo wuͤrdeſt du das Echo dieſes
meines freiwilligen Geſtaͤndniſſes aus tauſend und
tauſend Studierſtuben wiederhallen hoͤren. Aber
man legt nicht gern eher ein Geſtaͤndnis ſeiner
Fehler ab, bis man ſich davon gebeſſert hat.


Spiegle
C
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[33/0063] her, keinen Gefallen findet; daß er ſie durch Mienen und Worte von ſich zuruͤkſchrekt; daß er nichts recht findet, nichts nach ſeinem Kopfe, und uͤber alles Gloſſen macht! Da muß das arme leidende Weib ihre maͤchtigſten und ſuͤßeſten Gefuͤhle der ehelichen Zaͤrtlichkeit dan in ſich ſelbſt verſchließen; muß ſtum und traurig da ſizen, in- des ihr Innerſtes von liebevollen Empfindungen kocht, und ihr treues Herz ſich ſtuͤndlich losreiſſen moͤgte, um an den Buſen des geliebten Unholds zu fliegen. Mein Kleon, ich rede dieſes aus einem innern wehmuͤthigen Selbſtgefuͤhle. Warum ſolt’ ichs dir vorheelen? Auch ich bin, waͤhrend meinem geſchaͤftigen Leben nicht ſelten in dieſen traurigen Fehler verfallen. Und wolten alle die hochbe- ruͤhmten Leute, welche zum Theil unter dem praͤch- tigen Titel Menſchenfreunde! bekant ſind, of- fenherzig ſein: ſo wuͤrdeſt du das Echo dieſes meines freiwilligen Geſtaͤndniſſes aus tauſend und tauſend Studierſtuben wiederhallen hoͤren. Aber man legt nicht gern eher ein Geſtaͤndnis ſeiner Fehler ab, bis man ſich davon gebeſſert hat. Spiegle C

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/63>, abgerufen am 24.11.2024.