Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

nem ersten und heiligsten Berufe ein Genüge
thun; so wirst du dir einen sichern Hafen bauen,
in welchen du, wenn die Stürme der Widerwär-
tigkeit erwachen, und die Wogen der Trübsal
daherrauschen, dich zurükziehen, und an dem
treuen liebevollen Busen der Freundin deiner Sele
von allen deinen Sorgen ausruhen, für allen
deinen Kummer lindernden Balsam finden kanst!



Endlich, mein Sohn, beobachte sorgfältig
auch diese vierte Regel, welche der obigen gleich-
fals untergeordnet ist: Bevor du ein Amt
übernimst, erkundige dich genau nach allen
Geschäften, welche dasselbe mit sich bringt,
und nach allen Unannehmlichkeiten, welche
damit verbunden sein können. Mache als-
dan einen Versuch, ob du jenen auch ge-
wachsen
seist, und prüfe deinen Muth, ob
du diese auch ertragen könnest: und nur
dan erst, wan du zu beiden Kraft und
Stärke der Sele in zureichendem Maaße
bei dir wahrnimst, werd' es von dir über-
nommen
. Die Vernachläßigung dieser Klug-

heits-
C 2

nem erſten und heiligſten Berufe ein Genuͤge
thun; ſo wirſt du dir einen ſichern Hafen bauen,
in welchen du, wenn die Stuͤrme der Widerwaͤr-
tigkeit erwachen, und die Wogen der Truͤbſal
daherrauſchen, dich zuruͤkziehen, und an dem
treuen liebevollen Buſen der Freundin deiner Sele
von allen deinen Sorgen ausruhen, fuͤr allen
deinen Kummer lindernden Balſam finden kanſt!



Endlich, mein Sohn, beobachte ſorgfaͤltig
auch dieſe vierte Regel, welche der obigen gleich-
fals untergeordnet iſt: Bevor du ein Amt
uͤbernimſt, erkundige dich genau nach allen
Geſchaͤften, welche daſſelbe mit ſich bringt,
und nach allen Unannehmlichkeiten, welche
damit verbunden ſein koͤnnen. Mache als-
dan einen Verſuch, ob du jenen auch ge-
wachſen
ſeiſt, und pruͤfe deinen Muth, ob
du dieſe auch ertragen koͤnneſt: und nur
dan erſt, wan du zu beiden Kraft und
Staͤrke der Sele in zureichendem Maaße
bei dir wahrnimſt, werd’ es von dir uͤber-
nommen
. Die Vernachlaͤßigung dieſer Klug-

heits-
C 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0065" n="35"/>
nem er&#x017F;ten und heilig&#x017F;ten Berufe ein Genu&#x0364;ge<lb/>
thun; &#x017F;o wir&#x017F;t du dir einen &#x017F;ichern Hafen bauen,<lb/>
in welchen du, wenn die Stu&#x0364;rme der Widerwa&#x0364;r-<lb/>
tigkeit erwachen, und die Wogen der Tru&#x0364;b&#x017F;al<lb/>
daherrau&#x017F;chen, dich zuru&#x0364;kziehen, und an dem<lb/>
treuen liebevollen Bu&#x017F;en der Freundin deiner Sele<lb/>
von allen deinen Sorgen ausruhen, fu&#x0364;r allen<lb/>
deinen Kummer lindernden Bal&#x017F;am finden kan&#x017F;t!</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>Endlich, mein Sohn, beobachte &#x017F;orgfa&#x0364;ltig<lb/>
auch die&#x017F;e vierte Regel, welche der obigen gleich-<lb/>
fals untergeordnet i&#x017F;t: <hi rendition="#fr">Bevor du ein Amt<lb/>
u&#x0364;bernim&#x017F;t, erkundige dich genau nach allen<lb/>
Ge&#x017F;cha&#x0364;ften, welche da&#x017F;&#x017F;elbe mit &#x017F;ich bringt,<lb/>
und nach allen Unannehmlichkeiten, welche<lb/>
damit verbunden &#x017F;ein ko&#x0364;nnen. Mache als-<lb/>
dan einen Ver&#x017F;uch, ob du jenen auch ge-<lb/>
wach&#x017F;en</hi> &#x017F;ei&#x017F;t, <hi rendition="#fr">und pru&#x0364;fe deinen Muth, ob<lb/>
du die&#x017F;e auch ertragen ko&#x0364;nne&#x017F;t: und nur<lb/>
dan er&#x017F;t, wan du zu beiden Kraft und<lb/>
Sta&#x0364;rke der Sele in zureichendem Maaße<lb/>
bei dir wahrnim&#x017F;t, werd&#x2019; es von dir u&#x0364;ber-<lb/>
nommen</hi>. Die Vernachla&#x0364;ßigung die&#x017F;er Klug-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C 2</fw><fw place="bottom" type="catch">heits-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[35/0065] nem erſten und heiligſten Berufe ein Genuͤge thun; ſo wirſt du dir einen ſichern Hafen bauen, in welchen du, wenn die Stuͤrme der Widerwaͤr- tigkeit erwachen, und die Wogen der Truͤbſal daherrauſchen, dich zuruͤkziehen, und an dem treuen liebevollen Buſen der Freundin deiner Sele von allen deinen Sorgen ausruhen, fuͤr allen deinen Kummer lindernden Balſam finden kanſt! Endlich, mein Sohn, beobachte ſorgfaͤltig auch dieſe vierte Regel, welche der obigen gleich- fals untergeordnet iſt: Bevor du ein Amt uͤbernimſt, erkundige dich genau nach allen Geſchaͤften, welche daſſelbe mit ſich bringt, und nach allen Unannehmlichkeiten, welche damit verbunden ſein koͤnnen. Mache als- dan einen Verſuch, ob du jenen auch ge- wachſen ſeiſt, und pruͤfe deinen Muth, ob du dieſe auch ertragen koͤnneſt: und nur dan erſt, wan du zu beiden Kraft und Staͤrke der Sele in zureichendem Maaße bei dir wahrnimſt, werd’ es von dir uͤber- nommen. Die Vernachlaͤßigung dieſer Klug- heits- C 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/65
Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/65>, abgerufen am 17.05.2024.