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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783.

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sein: haben die gewaltigsten Landströme, welche
den Reichthum ganzer Königreiche auf ihrem
Rükken tragen, wohl einen andern Anfang ge-
nommen, wenn man bis zu ihrer Urquelle zurük-
geht? Aus den kleinsten Ursachen können oft die
größten Folgen entstehen.

Nie müsse daher eine Arbeit, welche
dein Beruf mit sich bringt, und welche auf
irgend eine Weise nüzen kan, dir verächt-
lich vorkommen
; gesezt auch, daß du in dem
Augenblikke, da du sie verrichten solst, dich zu etwas
Grösserem fähig fühltest, welches ausserhalb dem
Wirkungskreise läge, den die götliche Vorsehung dir
anzuweisen nun einmahl für gut befunden hat!
Jeder von uns hat seinen angewiesenen Posten in
der Welt. Den laßt uns zu behaupten suchen,
unbekümmert, was etwa um und neben uns ge-
schehen könte. Oder glaubst du, daß der Feld-
herr dem vorwizigen Soldaten, der seinen Posten
verließe, weil er anderwärts nüzlicher sein zu kön-
nen meinte, Dank dafür wissen würde? Er würd'
ihn vielmehr, als einen Widerspänstigen, zur
Strafe ziehen, auch wenn er noch so große, aber

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ſein: haben die gewaltigſten Landſtroͤme, welche
den Reichthum ganzer Koͤnigreiche auf ihrem
Ruͤkken tragen, wohl einen andern Anfang ge-
nommen, wenn man bis zu ihrer Urquelle zuruͤk-
geht? Aus den kleinſten Urſachen koͤnnen oft die
groͤßten Folgen entſtehen.

Nie muͤſſe daher eine Arbeit, welche
dein Beruf mit ſich bringt, und welche auf
irgend eine Weiſe nuͤzen kan, dir veraͤcht-
lich vorkommen
; geſezt auch, daß du in dem
Augenblikke, da du ſie verrichten ſolſt, dich zu etwas
Groͤſſerem faͤhig fuͤhlteſt, welches auſſerhalb dem
Wirkungskreiſe laͤge, den die goͤtliche Vorſehung dir
anzuweiſen nun einmahl fuͤr gut befunden hat!
Jeder von uns hat ſeinen angewieſenen Poſten in
der Welt. Den laßt uns zu behaupten ſuchen,
unbekuͤmmert, was etwa um und neben uns ge-
ſchehen koͤnte. Oder glaubſt du, daß der Feld-
herr dem vorwizigen Soldaten, der ſeinen Poſten
verließe, weil er anderwaͤrts nuͤzlicher ſein zu koͤn-
nen meinte, Dank dafuͤr wiſſen wuͤrde? Er wuͤrd’
ihn vielmehr, als einen Widerſpaͤnſtigen, zur
Strafe ziehen, auch wenn er noch ſo große, aber

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[49/0079] ſein: haben die gewaltigſten Landſtroͤme, welche den Reichthum ganzer Koͤnigreiche auf ihrem Ruͤkken tragen, wohl einen andern Anfang ge- nommen, wenn man bis zu ihrer Urquelle zuruͤk- geht? Aus den kleinſten Urſachen koͤnnen oft die groͤßten Folgen entſtehen. Nie muͤſſe daher eine Arbeit, welche dein Beruf mit ſich bringt, und welche auf irgend eine Weiſe nuͤzen kan, dir veraͤcht- lich vorkommen; geſezt auch, daß du in dem Augenblikke, da du ſie verrichten ſolſt, dich zu etwas Groͤſſerem faͤhig fuͤhlteſt, welches auſſerhalb dem Wirkungskreiſe laͤge, den die goͤtliche Vorſehung dir anzuweiſen nun einmahl fuͤr gut befunden hat! Jeder von uns hat ſeinen angewieſenen Poſten in der Welt. Den laßt uns zu behaupten ſuchen, unbekuͤmmert, was etwa um und neben uns ge- ſchehen koͤnte. Oder glaubſt du, daß der Feld- herr dem vorwizigen Soldaten, der ſeinen Poſten verließe, weil er anderwaͤrts nuͤzlicher ſein zu koͤn- nen meinte, Dank dafuͤr wiſſen wuͤrde? Er wuͤrd’ ihn vielmehr, als einen Widerſpaͤnſtigen, zur Strafe ziehen, auch wenn er noch ſo große, aber un- D

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/79>, abgerufen am 17.05.2024.