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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783.

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handhabt; aber er würde sich höchstlächerlich
machen, wenn er dabei die Mine und die feinen
Manieren des Weltmans affektiren wolte. Du
hast tanzen gelernt; aber das geschah nicht, damit
du tanzen köntest, sondern es geschah, um deinen
Minen und Bewegungen diejenige Grazie wieder-
zugeben, die sie gehabt haben würden, wenn die
Natur sich in ihnen hätte entwikkeln können, und
sie nicht durch schlimme Beispiele und durch un-
geschikte Nachahmung andrer jungen Leute wären
verdreht worden.

Natur kan entwikkelt und ausgebildet werden
am Körper so wie an der Sele, aber sie kan nicht
durch die Kunst vertilgt werden; und alle Bemü-
hungen dieser Art sind abgeschmakt, und dienen
blos dazu, einen ergiebigen Stof zum Lachen zu
gewähren. Deine Sele und dein Körper müssen
ganz frei von Zwang sein, wenn sie einen gefäl-
ligen Eindruk machen sollen; jede Affektazion aber
ist ein so gewaltiger Zwang, daß keiner dabei mit
Anstand handeln, oder auf eine gefällige Weise
unterhalten kan. Glaubst du wohl, daß deine
Bewegungen mehr Leichtigkeit und Grazie haben

würden,

handhabt; aber er wuͤrde ſich hoͤchſtlaͤcherlich
machen, wenn er dabei die Mine und die feinen
Manieren des Weltmans affektiren wolte. Du
haſt tanzen gelernt; aber das geſchah nicht, damit
du tanzen koͤnteſt, ſondern es geſchah, um deinen
Minen und Bewegungen diejenige Grazie wieder-
zugeben, die ſie gehabt haben wuͤrden, wenn die
Natur ſich in ihnen haͤtte entwikkeln koͤnnen, und
ſie nicht durch ſchlimme Beiſpiele und durch un-
geſchikte Nachahmung andrer jungen Leute waͤren
verdreht worden.

Natur kan entwikkelt und ausgebildet werden
am Koͤrper ſo wie an der Sele, aber ſie kan nicht
durch die Kunſt vertilgt werden; und alle Bemuͤ-
hungen dieſer Art ſind abgeſchmakt, und dienen
blos dazu, einen ergiebigen Stof zum Lachen zu
gewaͤhren. Deine Sele und dein Koͤrper muͤſſen
ganz frei von Zwang ſein, wenn ſie einen gefaͤl-
ligen Eindruk machen ſollen; jede Affektazion aber
iſt ein ſo gewaltiger Zwang, daß keiner dabei mit
Anſtand handeln, oder auf eine gefaͤllige Weiſe
unterhalten kan. Glaubſt du wohl, daß deine
Bewegungen mehr Leichtigkeit und Grazie haben

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[98/0104] handhabt; aber er wuͤrde ſich hoͤchſtlaͤcherlich machen, wenn er dabei die Mine und die feinen Manieren des Weltmans affektiren wolte. Du haſt tanzen gelernt; aber das geſchah nicht, damit du tanzen koͤnteſt, ſondern es geſchah, um deinen Minen und Bewegungen diejenige Grazie wieder- zugeben, die ſie gehabt haben wuͤrden, wenn die Natur ſich in ihnen haͤtte entwikkeln koͤnnen, und ſie nicht durch ſchlimme Beiſpiele und durch un- geſchikte Nachahmung andrer jungen Leute waͤren verdreht worden. Natur kan entwikkelt und ausgebildet werden am Koͤrper ſo wie an der Sele, aber ſie kan nicht durch die Kunſt vertilgt werden; und alle Bemuͤ- hungen dieſer Art ſind abgeſchmakt, und dienen blos dazu, einen ergiebigen Stof zum Lachen zu gewaͤhren. Deine Sele und dein Koͤrper muͤſſen ganz frei von Zwang ſein, wenn ſie einen gefaͤl- ligen Eindruk machen ſollen; jede Affektazion aber iſt ein ſo gewaltiger Zwang, daß keiner dabei mit Anſtand handeln, oder auf eine gefaͤllige Weiſe unterhalten kan. Glaubſt du wohl, daß deine Bewegungen mehr Leichtigkeit und Grazie haben wuͤrden,

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783/104>, abgerufen am 04.12.2024.