Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783.würden, wenn du das Kleid eines andern trügest, Aber glaube ja nicht etwa, daß hieraus folge, Zurükhaltung, diese sichre und zuverläßige ein G 2
wuͤrden, wenn du das Kleid eines andern truͤgeſt, Aber glaube ja nicht etwa, daß hieraus folge, Zuruͤkhaltung, dieſe ſichre und zuverlaͤßige ein G 2
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wuͤrden, wenn du das Kleid eines andern truͤgeſt,
der viel ſchlanker und groͤßer waͤre, als du?
Gewißlich nicht. Eben ſo iſt es mit der Sele,
wenn du einen Karakter affektierſt, der dir nicht
anſteht, und zu dem die Natur dich nie beſtimte.
Aber glaube ja nicht etwa, daß hieraus folge,
du muͤſſeſt deinen ganzen Karakter vor jedermans
Augen darlegen, eben weil es dein natuͤrlicher
Karakter iſt. Nein; in dem beſten Karakter muß
viel unterdruͤkt, und viel verſtekt werden. Du
mußt die Natur nie zwingen wollen; aber es iſt
auch durchaus nicht noͤthig, dich jedes mahl und
gegen jederman ganz zu zeigen, wie du biſt.
Zuruͤkhaltung, dieſe ſichre und zuverlaͤßige
Fuͤhrerin durch das menſchliche Leben, muß dir
zu Huͤlfe kommen; Zuruͤkhaltung, dieſe unent-
behrliche Gefaͤhrtin der Vernunft, und nuͤzliche
Waͤchterin des Wizes und der Einbildungskraft.
Dieſe Zuruͤkhaltung lehrt uns das Zwekmaͤßige,
das Anſtaͤndige beurtheilen, lehrt uns zu rechter
Zeit aufhoͤren, und mit ihr komt ein Man von
mittelmaͤßigem Verſtande weiter, als ein anderer
mit den glaͤnzendſten Talenten ohne ſie. Sie iſt
ein
G 2
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