Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783.In die Augen fallende, bunt gefärbte und Die meisten Leute thun in den nemlichen an,
In die Augen fallende, bunt gefaͤrbte und Die meiſten Leute thun in den nemlichen an,
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In die Augen fallende, bunt gefaͤrbte und
voͤllig beſtimte Gemuͤthsarten zu erkennen, dazu
bedarf man geringe Kentniß und Erfahrung der
Welt. Es ſind deren wenige, und ſie kuͤndigen
ſich ſogleich an. Allein die unmerklichen Schat-
tierungen, die nur ſchwach fortſchreitende Stuffen-
folge zwiſchen Tugend und Laſter, Verſtand und
Thorheit, Staͤrke und Schwaͤche, (daraus aber
ſind die meiſten Karaktere zuſammengeſezt) zu
unterſcheiden, dazu gehoͤrt einige Erfahrung, viele
Beobachtung und ſcharfe Aufmerkſamkeit.
Die meiſten Leute thun in den nemlichen
Faͤllen die nemlichen Dinge; nur mit dieſem wich-
tigen Unterſchiede, auf dem der Erfolg insgemein
beruht, daß, wer die Welt ſtudiert hat, weiß,
wan ſie zu rechter Zeit und am rechten Orte an-
zubringen ſind. Ein ſolcher hat die Gemuͤthsarten
zergliedert, mit denen er zu thun hat, und richtet
ſeine Anrede, ſeine Gruͤnde, ihnen gemaͤß ein.
Ein Man aber von gemeinem guten Verſtande,
wie man es nent, der blos bei ſich ſelbſt nachge-
dacht, nicht mit den Menſchen gehandelt hat,
bringt alles zu unrechter Zeit, an unrechtem Orte
an,
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