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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783.

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ges Ansehen in Zweifel ziehen. Je mehr du weißt,
desto bescheidner soltest du sein; und, im Vorbei-
gehn gesagt, diese Bescheidenheit ist der sicherste
Weg, deine Eitelkeit zu befriedigen, ohngeachtet
ich nicht hoffe, daß das dein Bewegungsgrund
dazu sein werde. Auch wo du deiner Meinung
gewiß bist, da scheine lieber zweifelhaft; thue
Vorstellungen, aber keine Aussprüche; und wenn
du andre überzeugen wilst, so stelle dich selbst bereit-
willig, von andern überzeugt zu werden!

Noch andre, um ihre Gelehrsamkeit zu zeigen,
oder auch vermöge der Vorurtheile ihrer Erziehung
in der Schule, wo sie nichts anders hörten, reden
allezeit von den Alten so, als wären sie mehr noch
als Menschen, und von den Neuern, als wären
sie weniger. Sie führen stets einen oder zwei
klassische Autoren in der Tasche. Sie halten sich
fest an den alten gesunden Verstand, lesen nichts
von dem Gewäsche der neuern, und erweisen haar-
scharf, daß man seit den leztern siebzehn hundert
Jahren in keiner Kunst oder Wissenschaft weiter
gekommen ist.

Nun

ges Anſehen in Zweifel ziehen. Je mehr du weißt,
deſto beſcheidner ſolteſt du ſein; und, im Vorbei-
gehn geſagt, dieſe Beſcheidenheit iſt der ſicherſte
Weg, deine Eitelkeit zu befriedigen, ohngeachtet
ich nicht hoffe, daß das dein Bewegungsgrund
dazu ſein werde. Auch wo du deiner Meinung
gewiß biſt, da ſcheine lieber zweifelhaft; thue
Vorſtellungen, aber keine Ausſpruͤche; und wenn
du andre uͤberzeugen wilſt, ſo ſtelle dich ſelbſt bereit-
willig, von andern uͤberzeugt zu werden!

Noch andre, um ihre Gelehrſamkeit zu zeigen,
oder auch vermoͤge der Vorurtheile ihrer Erziehung
in der Schule, wo ſie nichts anders hoͤrten, reden
allezeit von den Alten ſo, als waͤren ſie mehr noch
als Menſchen, und von den Neuern, als waͤren
ſie weniger. Sie fuͤhren ſtets einen oder zwei
klaſſiſche Autoren in der Taſche. Sie halten ſich
feſt an den alten geſunden Verſtand, leſen nichts
von dem Gewaͤſche der neuern, und erweiſen haar-
ſcharf, daß man ſeit den leztern ſiebzehn hundert
Jahren in keiner Kunſt oder Wiſſenſchaft weiter
gekommen iſt.

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[136/0142] ges Anſehen in Zweifel ziehen. Je mehr du weißt, deſto beſcheidner ſolteſt du ſein; und, im Vorbei- gehn geſagt, dieſe Beſcheidenheit iſt der ſicherſte Weg, deine Eitelkeit zu befriedigen, ohngeachtet ich nicht hoffe, daß das dein Bewegungsgrund dazu ſein werde. Auch wo du deiner Meinung gewiß biſt, da ſcheine lieber zweifelhaft; thue Vorſtellungen, aber keine Ausſpruͤche; und wenn du andre uͤberzeugen wilſt, ſo ſtelle dich ſelbſt bereit- willig, von andern uͤberzeugt zu werden! Noch andre, um ihre Gelehrſamkeit zu zeigen, oder auch vermoͤge der Vorurtheile ihrer Erziehung in der Schule, wo ſie nichts anders hoͤrten, reden allezeit von den Alten ſo, als waͤren ſie mehr noch als Menſchen, und von den Neuern, als waͤren ſie weniger. Sie fuͤhren ſtets einen oder zwei klaſſiſche Autoren in der Taſche. Sie halten ſich feſt an den alten geſunden Verſtand, leſen nichts von dem Gewaͤſche der neuern, und erweiſen haar- ſcharf, daß man ſeit den leztern ſiebzehn hundert Jahren in keiner Kunſt oder Wiſſenſchaft weiter gekommen iſt. Nun

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783/142>, abgerufen am 04.12.2024.