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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783.

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Das thun ihnen denn oft Gekken nach, die ganz
und gar keine Gelehrsamkeit besizen, sondern nur
einige Namen und Brokken alter Schriftsteller
auswendig gelernt haben, mit denen sie, geschikt
oder ungeschikt, in allen Geselschaften um sich
werfen, in der Hofnung, für Gelehrte angesehen
zu werden.

Wilst du daher die Beschuldigung der Pedan-
terie auf einer, den Verdacht der Unwissenheit
aber auf der andern Seite vermeiden, so enthalte
dich der gelehrten Pralerei! Rede die Sprache der
Geselschaft, in der du bist; rede sie rein, nicht mit
Wörtern aus einer andern durchspikt! Gib dir nie-
mahls das Ansehen, als wärest du weiser oder gelehr-
ter, als die Anwesenden! Führe deine Gelehrsamkeit,
so wie deine Repetieruhr, in der Tasche! Ziehe sie
nicht heraus, und laß sie nicht schlagen, blos um
zu zeigen, daß du eine hast! Fragt man dich, um
welche Zeit es ist, so sag' es; ruf' es aber nicht
alle Stunden aus, wie ein Nachtwächter! Das
unverlangte Herausziehen der Uhr gibt zu erken-
nen, daß du der Geselschaft müde bist; die unver-

langte

Das thun ihnen denn oft Gekken nach, die ganz
und gar keine Gelehrſamkeit beſizen, ſondern nur
einige Namen und Brokken alter Schriftſteller
auswendig gelernt haben, mit denen ſie, geſchikt
oder ungeſchikt, in allen Geſelſchaften um ſich
werfen, in der Hofnung, fuͤr Gelehrte angeſehen
zu werden.

Wilſt du daher die Beſchuldigung der Pedan-
terie auf einer, den Verdacht der Unwiſſenheit
aber auf der andern Seite vermeiden, ſo enthalte
dich der gelehrten Pralerei! Rede die Sprache der
Geſelſchaft, in der du biſt; rede ſie rein, nicht mit
Woͤrtern aus einer andern durchſpikt! Gib dir nie-
mahls das Anſehen, als waͤreſt du weiſer oder gelehr-
ter, als die Anweſenden! Fuͤhre deine Gelehrſamkeit,
ſo wie deine Repetieruhr, in der Taſche! Ziehe ſie
nicht heraus, und laß ſie nicht ſchlagen, blos um
zu zeigen, daß du eine haſt! Fragt man dich, um
welche Zeit es iſt, ſo ſag’ es; ruf’ es aber nicht
alle Stunden aus, wie ein Nachtwaͤchter! Das
unverlangte Herausziehen der Uhr gibt zu erken-
nen, daß du der Geſelſchaft muͤde biſt; die unver-

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[140/0146] Das thun ihnen denn oft Gekken nach, die ganz und gar keine Gelehrſamkeit beſizen, ſondern nur einige Namen und Brokken alter Schriftſteller auswendig gelernt haben, mit denen ſie, geſchikt oder ungeſchikt, in allen Geſelſchaften um ſich werfen, in der Hofnung, fuͤr Gelehrte angeſehen zu werden. Wilſt du daher die Beſchuldigung der Pedan- terie auf einer, den Verdacht der Unwiſſenheit aber auf der andern Seite vermeiden, ſo enthalte dich der gelehrten Pralerei! Rede die Sprache der Geſelſchaft, in der du biſt; rede ſie rein, nicht mit Woͤrtern aus einer andern durchſpikt! Gib dir nie- mahls das Anſehen, als waͤreſt du weiſer oder gelehr- ter, als die Anweſenden! Fuͤhre deine Gelehrſamkeit, ſo wie deine Repetieruhr, in der Taſche! Ziehe ſie nicht heraus, und laß ſie nicht ſchlagen, blos um zu zeigen, daß du eine haſt! Fragt man dich, um welche Zeit es iſt, ſo ſag’ es; ruf’ es aber nicht alle Stunden aus, wie ein Nachtwaͤchter! Das unverlangte Herausziehen der Uhr gibt zu erken- nen, daß du der Geſelſchaft muͤde biſt; die unver- langte

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783/146>, abgerufen am 04.12.2024.