Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783.ich mich erkühnt habe, für mich selbst zu den- Solchergestalt ward ich, wie ich seitdem ge- Seit ich mir aber die Mühe nahm, für mich blos
ich mich erkuͤhnt habe, fuͤr mich ſelbſt zu den- Solchergeſtalt ward ich, wie ich ſeitdem ge- Seit ich mir aber die Muͤhe nahm, fuͤr mich blos
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0148" n="142"/> ich mich erkuͤhnt habe, fuͤr <hi rendition="#fr">mich ſelbſt zu den-<lb/> ken</hi>. Bis auf das ſechszehnte oder ſiebzehnte<lb/> Jahr hatte ich gar kein Nachdenken; und viele<lb/> Jahre hernach bediente ich mich deſſen nicht, das<lb/> ich hatte. Ich nahm die Begriffe der Buͤcher<lb/> an, die ich las, oder der Geſelſchaft, die ich hielt,<lb/> ohne zu unterſuchen, ob ſie richtig waͤren, oder<lb/> nicht. Lieber wolt’ ich es auf einen leichten Ir-<lb/> thum wagen, als mir Zeit und Muͤhe zur Unter-<lb/> ſuchung der Wahrheit nehmen.</p><lb/> <p>Solchergeſtalt ward ich, wie ich ſeitdem ge-<lb/> funden habe, theils aus Faulheit, theils aus<lb/> Zerſtreuung, theils aus uͤbel verſtandner Schaam,<lb/> der Mode gemaͤße Begriffe zu verwerfen, durch<lb/> Vorurtheile hingeriſſen, anſtat von der Vernunft<lb/> geleitet zu werden. Anſtat Wahrheit aufzuſuchen,<lb/> unterhielt ich ruhig den Irthum.</p><lb/> <p>Seit ich mir aber die Muͤhe nahm, fuͤr mich<lb/> ſelbſt zu denken, und das Herz faßte, zu geſte-<lb/> hen, daß ich das thaͤte, kanſt du dir nicht vor-<lb/> ſtellen, wie ſehr meine Begriffe von Dingen ſich<lb/> geaͤndert haben, aus welchen verſchiednen Ge-<lb/> ſichtspunkten ich ſie jezt betrachte, da ich ſie vorher<lb/> <fw place="bottom" type="catch">blos</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [142/0148]
ich mich erkuͤhnt habe, fuͤr mich ſelbſt zu den-
ken. Bis auf das ſechszehnte oder ſiebzehnte
Jahr hatte ich gar kein Nachdenken; und viele
Jahre hernach bediente ich mich deſſen nicht, das
ich hatte. Ich nahm die Begriffe der Buͤcher
an, die ich las, oder der Geſelſchaft, die ich hielt,
ohne zu unterſuchen, ob ſie richtig waͤren, oder
nicht. Lieber wolt’ ich es auf einen leichten Ir-
thum wagen, als mir Zeit und Muͤhe zur Unter-
ſuchung der Wahrheit nehmen.
Solchergeſtalt ward ich, wie ich ſeitdem ge-
funden habe, theils aus Faulheit, theils aus
Zerſtreuung, theils aus uͤbel verſtandner Schaam,
der Mode gemaͤße Begriffe zu verwerfen, durch
Vorurtheile hingeriſſen, anſtat von der Vernunft
geleitet zu werden. Anſtat Wahrheit aufzuſuchen,
unterhielt ich ruhig den Irthum.
Seit ich mir aber die Muͤhe nahm, fuͤr mich
ſelbſt zu denken, und das Herz faßte, zu geſte-
hen, daß ich das thaͤte, kanſt du dir nicht vor-
ſtellen, wie ſehr meine Begriffe von Dingen ſich
geaͤndert haben, aus welchen verſchiednen Ge-
ſichtspunkten ich ſie jezt betrachte, da ich ſie vorher
blos
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |