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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783.

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Er. Damit droht dir der alte Narr? Leute,
die bedroht werden, leben deswegen doch lange.
Kehre dich niemahls an Drohungen!

Du. Ich kan nicht sagen, daß er mir in
meinem Leben gedroht hätte. Mir deucht aber,
ich thue am besten, wenn ich ihn nicht aufbringe.

Er. Haha! Sie würden einen erbosten
Brief von dem alten Kerl erhalten; und damit
wär' es alle.

Du. Sie kennen ihn gar nicht recht. Er thut
allezeit mehr, als er sagt. Er ist, so viel ich mich
entsinne, Zeit Lebens noch nicht gegen mich erbost
gewesen. Solt' ich ihn aber aufbringen, so bin
ich sicher, er würde mir niemahls vergeben. Er
würde auf eine kaltblütige Art unbeweglich sein.
Vergebens würde ich bitten und flehen, und mich
todt schreiben.

Er. Nun, so ist er ein alter Schurke; das
ist alles, was ich sagen kan. Aber folgen Sie
nicht auch fein from Ihrer Kindermuhme -- wie
heißt sie doch? -- Herrn Harte!

Du. Ich kan es nicht läugnen.

Er.

Er. Damit droht dir der alte Narr? Leute,
die bedroht werden, leben deswegen doch lange.
Kehre dich niemahls an Drohungen!

Du. Ich kan nicht ſagen, daß er mir in
meinem Leben gedroht haͤtte. Mir deucht aber,
ich thue am beſten, wenn ich ihn nicht aufbringe.

Er. Haha! Sie wuͤrden einen erbosten
Brief von dem alten Kerl erhalten; und damit
waͤr’ es alle.

Du. Sie kennen ihn gar nicht recht. Er thut
allezeit mehr, als er ſagt. Er iſt, ſo viel ich mich
entſinne, Zeit Lebens noch nicht gegen mich erbost
geweſen. Solt’ ich ihn aber aufbringen, ſo bin
ich ſicher, er wuͤrde mir niemahls vergeben. Er
wuͤrde auf eine kaltbluͤtige Art unbeweglich ſein.
Vergebens wuͤrde ich bitten und flehen, und mich
todt ſchreiben.

Er. Nun, ſo iſt er ein alter Schurke; das
iſt alles, was ich ſagen kan. Aber folgen Sie
nicht auch fein from Ihrer Kindermuhme — wie
heißt ſie doch? — Herrn Harte!

Du. Ich kan es nicht laͤugnen.

Er.
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[164/0170] Er. Damit droht dir der alte Narr? Leute, die bedroht werden, leben deswegen doch lange. Kehre dich niemahls an Drohungen! Du. Ich kan nicht ſagen, daß er mir in meinem Leben gedroht haͤtte. Mir deucht aber, ich thue am beſten, wenn ich ihn nicht aufbringe. Er. Haha! Sie wuͤrden einen erbosten Brief von dem alten Kerl erhalten; und damit waͤr’ es alle. Du. Sie kennen ihn gar nicht recht. Er thut allezeit mehr, als er ſagt. Er iſt, ſo viel ich mich entſinne, Zeit Lebens noch nicht gegen mich erbost geweſen. Solt’ ich ihn aber aufbringen, ſo bin ich ſicher, er wuͤrde mir niemahls vergeben. Er wuͤrde auf eine kaltbluͤtige Art unbeweglich ſein. Vergebens wuͤrde ich bitten und flehen, und mich todt ſchreiben. Er. Nun, ſo iſt er ein alter Schurke; das iſt alles, was ich ſagen kan. Aber folgen Sie nicht auch fein from Ihrer Kindermuhme — wie heißt ſie doch? — Herrn Harte! Du. Ich kan es nicht laͤugnen. Er.

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783/170>, abgerufen am 11.12.2024.