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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783.

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Erst muß ich zum Kardinal Albani gehen; und
darauf bei der venezianischen Gesandtin speisen.

Er. Wie zum Teufel können Sie daran Ge-
fallen finden, beständig mit den Ausländern um-
zugehen? Ich seze keinen Fuß zu ihnen, mit allen
ihren verdamten vielen Umständen! Ich bin in
ihrer Geselschaft unruhig, und, ich weiß nicht,
wie es kömt, aber ich schäme mich.

Du. Ich schäme mich nicht, und fürchte mich
auch nicht. Ich bin ganz ruhig bei ihnen; und
sie sind ruhig in meiner Geselschaft. Ich lerne
ihre Sprache, und bemerke ihre Gemüthsarten,
indem ich mit ihnen spreche. Das ist ja wohl der
Grund, warum wir ausser Landes geschikt wer-
den. Nicht wahr?

Er. Ich hasse die Geselschaft solcher sitsamen
Weiber, solcher Staatsdamen. Ich, meines Orts,
weiß gar nicht, was ich zu ihnen sagen sol.

Du. Sind Sie denn jemahls mit ihnen
umgegangen?

Er. Nein, umgegangen eben nicht. Aber
ich bin doch zuweilen mit ihnen in Geselschaft gewe-
sen, wiewohl gar sehr wider meinen Willen.

Du.

Erſt muß ich zum Kardinal Albani gehen; und
darauf bei der venezianiſchen Geſandtin ſpeiſen.

Er. Wie zum Teufel koͤnnen Sie daran Ge-
fallen finden, beſtaͤndig mit den Auslaͤndern um-
zugehen? Ich ſeze keinen Fuß zu ihnen, mit allen
ihren verdamten vielen Umſtaͤnden! Ich bin in
ihrer Geſelſchaft unruhig, und, ich weiß nicht,
wie es koͤmt, aber ich ſchaͤme mich.

Du. Ich ſchaͤme mich nicht, und fuͤrchte mich
auch nicht. Ich bin ganz ruhig bei ihnen; und
ſie ſind ruhig in meiner Geſelſchaft. Ich lerne
ihre Sprache, und bemerke ihre Gemuͤthsarten,
indem ich mit ihnen ſpreche. Das iſt ja wohl der
Grund, warum wir auſſer Landes geſchikt wer-
den. Nicht wahr?

Er. Ich haſſe die Geſelſchaft ſolcher ſitſamen
Weiber, ſolcher Staatsdamen. Ich, meines Orts,
weiß gar nicht, was ich zu ihnen ſagen ſol.

Du. Sind Sie denn jemahls mit ihnen
umgegangen?

Er. Nein, umgegangen eben nicht. Aber
ich bin doch zuweilen mit ihnen in Geſelſchaft gewe-
ſen, wiewohl gar ſehr wider meinen Willen.

Du.
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[166/0172] Erſt muß ich zum Kardinal Albani gehen; und darauf bei der venezianiſchen Geſandtin ſpeiſen. Er. Wie zum Teufel koͤnnen Sie daran Ge- fallen finden, beſtaͤndig mit den Auslaͤndern um- zugehen? Ich ſeze keinen Fuß zu ihnen, mit allen ihren verdamten vielen Umſtaͤnden! Ich bin in ihrer Geſelſchaft unruhig, und, ich weiß nicht, wie es koͤmt, aber ich ſchaͤme mich. Du. Ich ſchaͤme mich nicht, und fuͤrchte mich auch nicht. Ich bin ganz ruhig bei ihnen; und ſie ſind ruhig in meiner Geſelſchaft. Ich lerne ihre Sprache, und bemerke ihre Gemuͤthsarten, indem ich mit ihnen ſpreche. Das iſt ja wohl der Grund, warum wir auſſer Landes geſchikt wer- den. Nicht wahr? Er. Ich haſſe die Geſelſchaft ſolcher ſitſamen Weiber, ſolcher Staatsdamen. Ich, meines Orts, weiß gar nicht, was ich zu ihnen ſagen ſol. Du. Sind Sie denn jemahls mit ihnen umgegangen? Er. Nein, umgegangen eben nicht. Aber ich bin doch zuweilen mit ihnen in Geſelſchaft gewe- ſen, wiewohl gar ſehr wider meinen Willen. Du.

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783/172>, abgerufen am 11.12.2024.