achtung; und angethanes Unrecht wird eher ver- gessen, als Beschimpfung. Wilst du daher lieber gefallen als beleidigen, wilst du lieber wohl als übel von dir geredet haben, wilst du lieber geliebt als gehaßt sein: so bedenke fein, daß du beständig diejenige Aufmerksamkeit haben mußt, die jedes Menschen kleiner Eitelkeit schmeichelt, und deren Abwesenheit, indem sie seinen Stolz kränkt, nie- mahls ermangelt, seine Rachgier, wenigstens seine Ungunst, rege zu machen.)
(Zum Beispiel! Die meisten Leute, ich könte sagen, alle, haben ihre Schwachheiten, ihre be- sondre Abneigung oder ihr besonderes Wohlge- fallen in Ansehung dieser oder jener Dinge. Wol- test du also einen Menschen wegen seiner Abnei- gung vor Kazen oder Käse (und diese ist sehr ge- wöhnlich) auslachen, oder sie aus Muthwillen oder Nachlässigkeit ihm in den Weg kommen lassen, wenn du es doch verhüten köntest: so würd' er im ersten Falle sich für beleidigt, im zweiten für geringgeschäzt halten, und beides ahnden. Hin- gegen deine Sorgfalt, ihm das, was ihm gefält, zu verschaffen, und das, was er haßt, von ihm
zu
achtung; und angethanes Unrecht wird eher ver- geſſen, als Beſchimpfung. Wilſt du daher lieber gefallen als beleidigen, wilſt du lieber wohl als uͤbel von dir geredet haben, wilſt du lieber geliebt als gehaßt ſein: ſo bedenke fein, daß du beſtaͤndig diejenige Aufmerkſamkeit haben mußt, die jedes Menſchen kleiner Eitelkeit ſchmeichelt, und deren Abweſenheit, indem ſie ſeinen Stolz kraͤnkt, nie- mahls ermangelt, ſeine Rachgier, wenigſtens ſeine Ungunſt, rege zu machen.)
(Zum Beiſpiel! Die meiſten Leute, ich koͤnte ſagen, alle, haben ihre Schwachheiten, ihre be- ſondre Abneigung oder ihr beſonderes Wohlge- fallen in Anſehung dieſer oder jener Dinge. Wol- teſt du alſo einen Menſchen wegen ſeiner Abnei- gung vor Kazen oder Kaͤſe (und dieſe iſt ſehr ge- woͤhnlich) auslachen, oder ſie aus Muthwillen oder Nachlaͤſſigkeit ihm in den Weg kommen laſſen, wenn du es doch verhuͤten koͤnteſt: ſo wuͤrd’ er im erſten Falle ſich fuͤr beleidigt, im zweiten fuͤr geringgeſchaͤzt halten, und beides ahnden. Hin- gegen deine Sorgfalt, ihm das, was ihm gefaͤlt, zu verſchaffen, und das, was er haßt, von ihm
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achtung; und angethanes Unrecht wird eher ver-
geſſen, als Beſchimpfung. Wilſt du daher lieber
gefallen als beleidigen, wilſt du lieber wohl als
uͤbel von dir geredet haben, wilſt du lieber geliebt
als gehaßt ſein: ſo bedenke fein, daß du beſtaͤndig
diejenige Aufmerkſamkeit haben mußt, die jedes
Menſchen kleiner Eitelkeit ſchmeichelt, und deren
Abweſenheit, indem ſie ſeinen Stolz kraͤnkt, nie-
mahls ermangelt, ſeine Rachgier, wenigſtens ſeine
Ungunſt, rege zu machen.)
(Zum Beiſpiel! Die meiſten Leute, ich koͤnte
ſagen, alle, haben ihre Schwachheiten, ihre be-
ſondre Abneigung oder ihr beſonderes Wohlge-
fallen in Anſehung dieſer oder jener Dinge. Wol-
teſt du alſo einen Menſchen wegen ſeiner Abnei-
gung vor Kazen oder Kaͤſe (und dieſe iſt ſehr ge-
woͤhnlich) auslachen, oder ſie aus Muthwillen
oder Nachlaͤſſigkeit ihm in den Weg kommen laſſen,
wenn du es doch verhuͤten koͤnteſt: ſo wuͤrd’ er
im erſten Falle ſich fuͤr beleidigt, im zweiten fuͤr
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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783/21>, abgerufen am 16.07.2024.
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