nachsint, an die Menuet, so würd' er, deucht mich, einen armseeligen Mathematiker abgeben.)
(Es ist den Tag über Zeit genug für alles, wenn du nur eine Sache auf einmahl thust; wilst du aber zwei Dinge zugleich vornehmen, so ist in dem ganzen Jahre nicht Zeit genug. Der holländische Pensionär von Witt verwaltete die ganzen Geschäfte der Republik, und hatte doch noch Zeit genug übrig, Abends in Geselschaft zu gehen, und da zu spei- sen. Als man ihn nun fragte: wo er doch mög- licher Weise Zeit hernähme, so viele Geschäfte zu verrichten, und sich doch auch des Abends zu belu- stigen? gab er zur Antwort: nichts wäre leichter; man dürfte nur immer ein Ding auf einmahl thun, und nichts auf morgen verschieben, das heute könte verrichte werden.)
(Diese standhafte, von Zerstreuung entfernte Aufmerksamkeit auf eine einzige Sache ist ein siche- res Merkmal eines erhabnen Geistes; so wie dagegen Uebereilung, Verwirrung und Unruhe untriegliche Zeichen eines schwachen und albernen Verstandes sind. Liesest du den Horaz, so merke auf die Richtigkeit seiner Gedanken, die glückliche
Wahl
nachſint, an die Menuet, ſo wuͤrd’ er, deucht mich, einen armſeeligen Mathematiker abgeben.)
(Es iſt den Tag uͤber Zeit genug fuͤr alles, wenn du nur eine Sache auf einmahl thuſt; wilſt du aber zwei Dinge zugleich vornehmen, ſo iſt in dem ganzen Jahre nicht Zeit genug. Der hollaͤndiſche Penſionaͤr von Witt verwaltete die ganzen Geſchaͤfte der Republik, und hatte doch noch Zeit genug uͤbrig, Abends in Geſelſchaft zu gehen, und da zu ſpei- ſen. Als man ihn nun fragte: wo er doch moͤg- licher Weiſe Zeit hernaͤhme, ſo viele Geſchaͤfte zu verrichten, und ſich doch auch des Abends zu belu- ſtigen? gab er zur Antwort: nichts waͤre leichter; man duͤrfte nur immer ein Ding auf einmahl thun, und nichts auf morgen verſchieben, das heute koͤnte verrichte werden.)
(Dieſe ſtandhafte, von Zerſtreuung entfernte Aufmerkſamkeit auf eine einzige Sache iſt ein ſiche- res Merkmal eines erhabnen Geiſtes; ſo wie dagegen Uebereilung, Verwirrung und Unruhe untriegliche Zeichen eines ſchwachen und albernen Verſtandes ſind. Lieſeſt du den Horaz, ſo merke auf die Richtigkeit ſeiner Gedanken, die gluͤckliche
Wahl
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0024"n="18"/>
nachſint, an die Menuet, ſo wuͤrd’ er, deucht<lb/>
mich, einen armſeeligen Mathematiker abgeben.)</p><lb/><p>(Es iſt den Tag uͤber Zeit genug fuͤr alles, wenn<lb/>
du nur eine Sache auf einmahl thuſt; wilſt du aber<lb/>
zwei Dinge zugleich vornehmen, ſo iſt in dem ganzen<lb/>
Jahre nicht Zeit genug. Der hollaͤndiſche Penſionaͤr<lb/><hirendition="#fr">von Witt</hi> verwaltete die ganzen Geſchaͤfte der<lb/>
Republik, und hatte doch noch Zeit genug uͤbrig,<lb/>
Abends in Geſelſchaft zu gehen, und da zu ſpei-<lb/>ſen. Als man ihn nun fragte: wo er doch moͤg-<lb/>
licher Weiſe Zeit hernaͤhme, ſo viele Geſchaͤfte zu<lb/>
verrichten, und ſich doch auch des Abends zu belu-<lb/>ſtigen? gab er zur Antwort: nichts waͤre leichter;<lb/>
man duͤrfte nur immer ein Ding auf einmahl thun,<lb/>
und nichts auf morgen verſchieben, das heute koͤnte<lb/>
verrichte werden.)</p><lb/><p>(Dieſe ſtandhafte, von Zerſtreuung entfernte<lb/>
Aufmerkſamkeit auf eine einzige Sache iſt ein ſiche-<lb/>
res Merkmal eines erhabnen Geiſtes; ſo wie<lb/>
dagegen Uebereilung, Verwirrung und Unruhe<lb/>
untriegliche Zeichen eines ſchwachen und albernen<lb/>
Verſtandes ſind. Lieſeſt du den <hirendition="#fr">Horaz</hi>, ſo merke<lb/>
auf die Richtigkeit ſeiner Gedanken, die gluͤckliche<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Wahl</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[18/0024]
nachſint, an die Menuet, ſo wuͤrd’ er, deucht
mich, einen armſeeligen Mathematiker abgeben.)
(Es iſt den Tag uͤber Zeit genug fuͤr alles, wenn
du nur eine Sache auf einmahl thuſt; wilſt du aber
zwei Dinge zugleich vornehmen, ſo iſt in dem ganzen
Jahre nicht Zeit genug. Der hollaͤndiſche Penſionaͤr
von Witt verwaltete die ganzen Geſchaͤfte der
Republik, und hatte doch noch Zeit genug uͤbrig,
Abends in Geſelſchaft zu gehen, und da zu ſpei-
ſen. Als man ihn nun fragte: wo er doch moͤg-
licher Weiſe Zeit hernaͤhme, ſo viele Geſchaͤfte zu
verrichten, und ſich doch auch des Abends zu belu-
ſtigen? gab er zur Antwort: nichts waͤre leichter;
man duͤrfte nur immer ein Ding auf einmahl thun,
und nichts auf morgen verſchieben, das heute koͤnte
verrichte werden.)
(Dieſe ſtandhafte, von Zerſtreuung entfernte
Aufmerkſamkeit auf eine einzige Sache iſt ein ſiche-
res Merkmal eines erhabnen Geiſtes; ſo wie
dagegen Uebereilung, Verwirrung und Unruhe
untriegliche Zeichen eines ſchwachen und albernen
Verſtandes ſind. Lieſeſt du den Horaz, ſo merke
auf die Richtigkeit ſeiner Gedanken, die gluͤckliche
Wahl
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783/24>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.