großen Mannigfaltigkeit von Weltleuten, deren Gemüthsarten und Grundsäze zwar verschieden sind; deren Sitten aber so ziemlich überein- kommen. Trit ein junger Mensch, der in der Welt neu ist, zuerst in diese Geselschaft, so thut er ganz recht, wenn er den Entschluß faßt, sich in allem, was zu dem Aeußerlichen gehört, nach ihr zu richten, und sie nachzuahmen. Nun hat er aber oft den albernen Ausdruk, vornehme Laster und Modelaster, gehört. Er findet in jener Geselschaft Leute, welche schimmern, und durchgängig bewundert und geschäzt werden; zu- gleich bemerkt er, daß diese Leute Hurenjäger, Trunkenbolde oder Spieler sind; daher nimt er ihre Laster an, hält ihre Fehler irrig für Volkom- menheiten, und glaubt, sie hätten ihr modisches Bezeigen und ihren Schimmer solchen vornehmen Lastern zu danken.)
(Allein gerade das Gegentheil! Diese Leute haben sich ihren Ruf durch ihre Geistesgaben, ihre Gelehrsamkeit, ihr gesittetes Wesen und andre wahre Volkommenheiten erworben; und werden durch solche vornehme, modische Laster in
der
großen Mannigfaltigkeit von Weltleuten, deren Gemuͤthsarten und Grundſaͤze zwar verſchieden ſind; deren Sitten aber ſo ziemlich uͤberein- kommen. Trit ein junger Menſch, der in der Welt neu iſt, zuerſt in dieſe Geſelſchaft, ſo thut er ganz recht, wenn er den Entſchluß faßt, ſich in allem, was zu dem Aeußerlichen gehoͤrt, nach ihr zu richten, und ſie nachzuahmen. Nun hat er aber oft den albernen Ausdruk, vornehme Laſter und Modelaſter, gehoͤrt. Er findet in jener Geſelſchaft Leute, welche ſchimmern, und durchgaͤngig bewundert und geſchaͤzt werden; zu- gleich bemerkt er, daß dieſe Leute Hurenjaͤger, Trunkenbolde oder Spieler ſind; daher nimt er ihre Laſter an, haͤlt ihre Fehler irrig fuͤr Volkom- menheiten, und glaubt, ſie haͤtten ihr modiſches Bezeigen und ihren Schimmer ſolchen vornehmen Laſtern zu danken.)
(Allein gerade das Gegentheil! Dieſe Leute haben ſich ihren Ruf durch ihre Geiſtesgaben, ihre Gelehrſamkeit, ihr geſittetes Weſen und andre wahre Volkommenheiten erworben; und werden durch ſolche vornehme, modiſche Laſter in
der
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0038"n="32"/>
großen Mannigfaltigkeit von Weltleuten, deren<lb/>
Gemuͤthsarten und Grundſaͤze zwar verſchieden<lb/>ſind; deren Sitten aber ſo ziemlich uͤberein-<lb/>
kommen. Trit ein junger Menſch, der in der<lb/>
Welt neu iſt, zuerſt in dieſe Geſelſchaft, ſo thut<lb/>
er ganz recht, wenn er den Entſchluß faßt, ſich<lb/>
in allem, was zu dem Aeußerlichen gehoͤrt, nach<lb/>
ihr zu richten, und ſie nachzuahmen. Nun hat<lb/>
er aber oft den albernen Ausdruk, <hirendition="#fr">vornehme<lb/>
Laſter</hi> und <hirendition="#fr">Modelaſter</hi>, gehoͤrt. Er findet in<lb/>
jener Geſelſchaft Leute, welche ſchimmern, und<lb/>
durchgaͤngig bewundert und geſchaͤzt werden; zu-<lb/>
gleich bemerkt er, daß dieſe Leute Hurenjaͤger,<lb/>
Trunkenbolde oder Spieler ſind; daher nimt er<lb/>
ihre Laſter an, haͤlt ihre Fehler irrig fuͤr Volkom-<lb/>
menheiten, und glaubt, ſie haͤtten ihr modiſches<lb/>
Bezeigen und ihren Schimmer ſolchen vornehmen<lb/>
Laſtern zu danken.)</p><lb/><p>(Allein gerade das Gegentheil! Dieſe Leute<lb/>
haben ſich ihren Ruf durch ihre Geiſtesgaben,<lb/>
ihre Gelehrſamkeit, ihr geſittetes Weſen und<lb/>
andre wahre Volkommenheiten erworben; und<lb/>
werden durch ſolche vornehme, modiſche Laſter in<lb/><fwplace="bottom"type="catch">der</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[32/0038]
großen Mannigfaltigkeit von Weltleuten, deren
Gemuͤthsarten und Grundſaͤze zwar verſchieden
ſind; deren Sitten aber ſo ziemlich uͤberein-
kommen. Trit ein junger Menſch, der in der
Welt neu iſt, zuerſt in dieſe Geſelſchaft, ſo thut
er ganz recht, wenn er den Entſchluß faßt, ſich
in allem, was zu dem Aeußerlichen gehoͤrt, nach
ihr zu richten, und ſie nachzuahmen. Nun hat
er aber oft den albernen Ausdruk, vornehme
Laſter und Modelaſter, gehoͤrt. Er findet in
jener Geſelſchaft Leute, welche ſchimmern, und
durchgaͤngig bewundert und geſchaͤzt werden; zu-
gleich bemerkt er, daß dieſe Leute Hurenjaͤger,
Trunkenbolde oder Spieler ſind; daher nimt er
ihre Laſter an, haͤlt ihre Fehler irrig fuͤr Volkom-
menheiten, und glaubt, ſie haͤtten ihr modiſches
Bezeigen und ihren Schimmer ſolchen vornehmen
Laſtern zu danken.)
(Allein gerade das Gegentheil! Dieſe Leute
haben ſich ihren Ruf durch ihre Geiſtesgaben,
ihre Gelehrſamkeit, ihr geſittetes Weſen und
andre wahre Volkommenheiten erworben; und
werden durch ſolche vornehme, modiſche Laſter in
der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783/38>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.