Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783.ten es, und wenige lieben es, ausser an sich selbst. Enthalte dich demnach der Satire aufs sorg- gen, E 4
ten es, und wenige lieben es, auſſer an ſich ſelbſt. Enthalte dich demnach der Satire aufs ſorg- gen, E 4
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0077" n="71"/> ten es, und wenige lieben es, auſſer an ſich ſelbſt.<lb/> Wer ein großes Maaß von Wiz an andern er-<lb/> tragen wil, muß ſelbſt ein betraͤgtliches Maaß da-<lb/> von beſizen. Wenn der Wiz ſich durch Satire<lb/> aͤuſſert, ſo iſt er eine boͤsartige Krankheit der<lb/> Sele. Zwar darf ſich der Wiz allerdings in<lb/> Satire kleiden; aber Satire iſt nicht immer Wiz,<lb/> wie manche ſich faͤlſchlich einbilden. Ein Man<lb/> von Wiz findet tauſend beſſere Gelegenheiten, ihn<lb/> zu zeigen.</p><lb/> <p>Enthalte dich demnach der Satire aufs ſorg-<lb/> faͤltigſte, ſolte ſie auch keine Perſon in der Ge-<lb/> ſelſchaft beſonders treffen. Sie gefaͤlt auf einen<lb/> Augenblik vermoͤge der geheimen Tuͤkke des menſch-<lb/> lichen Herzens; indes, ſo bald man einige Ueber-<lb/> legung anſtelt, ſezt ſie alles in Schrekken. Ein<lb/> jeder denkt, die Reihe werde naͤchſtens auch an<lb/> ihn kommen; und ſtat dir verpflichtet zu ſein fuͤr<lb/> das, was du von ihm nicht ſagſt, wird er dich<lb/> haſſen, wegen deſſen, was du vielleicht einmahl<lb/> ſagen koͤnteſt. Furcht und Haß ſind die beiden<lb/> naͤchſten Nachbarn. Je mehr Wiz du haſt, deſto<lb/> mehr Gutherzigkeit und Hoͤflichkeit mußt du zei-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">E 4</fw><fw place="bottom" type="catch">gen,</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [71/0077]
ten es, und wenige lieben es, auſſer an ſich ſelbſt.
Wer ein großes Maaß von Wiz an andern er-
tragen wil, muß ſelbſt ein betraͤgtliches Maaß da-
von beſizen. Wenn der Wiz ſich durch Satire
aͤuſſert, ſo iſt er eine boͤsartige Krankheit der
Sele. Zwar darf ſich der Wiz allerdings in
Satire kleiden; aber Satire iſt nicht immer Wiz,
wie manche ſich faͤlſchlich einbilden. Ein Man
von Wiz findet tauſend beſſere Gelegenheiten, ihn
zu zeigen.
Enthalte dich demnach der Satire aufs ſorg-
faͤltigſte, ſolte ſie auch keine Perſon in der Ge-
ſelſchaft beſonders treffen. Sie gefaͤlt auf einen
Augenblik vermoͤge der geheimen Tuͤkke des menſch-
lichen Herzens; indes, ſo bald man einige Ueber-
legung anſtelt, ſezt ſie alles in Schrekken. Ein
jeder denkt, die Reihe werde naͤchſtens auch an
ihn kommen; und ſtat dir verpflichtet zu ſein fuͤr
das, was du von ihm nicht ſagſt, wird er dich
haſſen, wegen deſſen, was du vielleicht einmahl
ſagen koͤnteſt. Furcht und Haß ſind die beiden
naͤchſten Nachbarn. Je mehr Wiz du haſt, deſto
mehr Gutherzigkeit und Hoͤflichkeit mußt du zei-
gen,
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