Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783.gen, damit man geneigt sei, dir deine Ueberlegen- Vielleicht frägst du, und mit Recht, wie du ob
gen, damit man geneigt ſei, dir deine Ueberlegen- Vielleicht fraͤgſt du, und mit Recht, wie du ob
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0078" n="72"/> gen, damit man geneigt ſei, dir deine Ueberlegen-<lb/> heit zu verzeihen; denn das iſt nichts leichtes.<lb/> Lerne dich in die Sphaͤre der Geſelſchaft ein-<lb/> ſchraͤnken, worin du biſt. Stimme in den Ton<lb/> derſelben ein, ſuche ihn vorzuͤglich gut zu treffen,<lb/> aber nie nim dir die Freiheit, den Ton anzugeben.<lb/> Eine gute Geſelſchaft ertraͤgt eben ſo wenig einen<lb/> Diktator, als eine freie Republik.</p><lb/> <p>Vielleicht fraͤgſt du, und mit Recht, wie du<lb/> wiſſen koͤnneſt, ob du Wiz habeſt oder nicht, da<lb/> Eigenliebe und Eitelkeit, von denen kein Menſch<lb/> auf Erden voͤllig frei iſt, uns ſo leicht blenden?<lb/> Die beſte Antwort, die ich dir hierauf geben kan,<lb/> iſt dieſe: Traue nicht deinem eignen Urtheil, denn<lb/> es taͤuſcht dich; auch traue nicht deinen Ohren,<lb/> denn du wirſt immer den Weirauch der Schmei-<lb/> chelei gern verſchlukken, wenn du irgend verdienſt,<lb/> daß man dir raͤuchere; ſondern traue blos deinen<lb/> Augen, und lies, wenn du in guter Geſelſchaft<lb/> biſt, in den Geſichtern der Anweſenden, ob ſie<lb/> das, was du ſagſt, billigen oder misbilligen.<lb/> Gib auch ſorgfaͤltig darauf Acht, ob du von guten<lb/> Geſelſchaften geſucht wirſt, ob man dich bittet,<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ob</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [72/0078]
gen, damit man geneigt ſei, dir deine Ueberlegen-
heit zu verzeihen; denn das iſt nichts leichtes.
Lerne dich in die Sphaͤre der Geſelſchaft ein-
ſchraͤnken, worin du biſt. Stimme in den Ton
derſelben ein, ſuche ihn vorzuͤglich gut zu treffen,
aber nie nim dir die Freiheit, den Ton anzugeben.
Eine gute Geſelſchaft ertraͤgt eben ſo wenig einen
Diktator, als eine freie Republik.
Vielleicht fraͤgſt du, und mit Recht, wie du
wiſſen koͤnneſt, ob du Wiz habeſt oder nicht, da
Eigenliebe und Eitelkeit, von denen kein Menſch
auf Erden voͤllig frei iſt, uns ſo leicht blenden?
Die beſte Antwort, die ich dir hierauf geben kan,
iſt dieſe: Traue nicht deinem eignen Urtheil, denn
es taͤuſcht dich; auch traue nicht deinen Ohren,
denn du wirſt immer den Weirauch der Schmei-
chelei gern verſchlukken, wenn du irgend verdienſt,
daß man dir raͤuchere; ſondern traue blos deinen
Augen, und lies, wenn du in guter Geſelſchaft
biſt, in den Geſichtern der Anweſenden, ob ſie
das, was du ſagſt, billigen oder misbilligen.
Gib auch ſorgfaͤltig darauf Acht, ob du von guten
Geſelſchaften geſucht wirſt, ob man dich bittet,
ob
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