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Cancrin, Franz Ludwig von: Beschreibung der vorzüglichsten Bergwerke. Frankfurt (Main), 1767.

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und Bleibergwerken an und um die alte freie Bergstadt Freiberg.
chen, und also in dem leztern Fall senkrecht nach dem Mittelpunkt der Erde fallen. Jn
Ansehung des Fallens werden die Gänge auch noch weiter, ie nachdem sie nach dieser
oder iener Weltgegend fallen, nach der Stundeneinteilung unterschieden: Man nennet
nämlich die Stehendegänge rechtfallende, wann sie gegen Abend, die Morgengänge,
wann sie gegen halb Abend und halb Mitternacht, die Spahtgänge, wann sie gegen
Mittag, und die Flachegänge, wann sie gegen halb Abend und halb Mittag fallen,
und stets auf der entgegen gesezten Seite ihr Ausgehendes oder ihr Ausstreichen nach
dem Tag haben. Wann man im Gegenteil an diesen Gängen ein anderes Fallen oder
eine andere Donlege wahrnimt: So nent man sie wiedersinnigfallende Gänge.

Die 1. Anmerkung.

Es nennen Einige die Schwebendegänge, die bis 30 Grad fallen, nur schlechtweg Flözze.
Diese Benennung scheint mir aber dem Redegebrauch und der Natur der Sache zuwieder zu sein:
Denn da man unter den Flözzen eigentlich dieienige Minerallagen verstehet, die mit allen andern
Steinlagen parallel liegen, und ein schieferiches und blätteriches Gewebe haben, sie mögen auch
so viele Grade fallen, als sie nur immer wollen; So ist auch diese Benennung sehr uneigentlich.
Geschiehet es nicht sehr oft, daß die Flözze so stark fallen, als es nur immer mehr bei denen Gän-
gen zu geschehen pflegt: Wer nent sie aber alsdann Gänge? Gewis das Fallen macht hier keinen
wesentlichen Unterscheid: Man sagt alsdann nur, daß sie einen Rükken machen, und daß sie das
Fallen eines Ganges haben. Wer kent auch nicht die Gänge? Weis es nicht Jedermann, daß sie
ein unordentliches Gewebe haben, und daß sie quer durch das Gestein gehen?

Die 2. Anmerkung.

Einige pflegen sonst auch alle dieienige Gänge rechtfallende zu nennen, welche gegen das Ge-
birge fallen, die aber, die nach dem Fus des Gebirges ihre Donlege werfen, nennen sie wiedersin-
nigfallende. Es scheint, als wann diese Art zu unterscheiden daher gekommen wäre, weil die meh-
reste Gänge in das Gebirg fallen. Jch halte diese Einteilung vor die natürlichste, weil es wahr-
scheinlich ist, daß sich der Fus des Gebirgs, wann man annimt, daß die Erde im Anfang wenig-
stens in ihren obern Teilen flüssig und schlammig gewesen ist, von dem hohen Gebirg abgerissen,
und, vermöge der Schwere nach dem Mittelpunkt der Erde gesenkt, folglich, indem er sich von
dem obern Gebirg losgemacht, einen schief in dasselbe gehenden Riz gelassen habe, der nach und
nach durch das zufliesende Wasser mit Minerälien angefüllet worden. Jch bin zu weit davon ent-
fernt, als daß ich glauben solte, daß dieses die einzige und die allgemeine Ursach sei, woher die
Gänge entstanden wären: Viele Wahrnehmungen machen es mir inzwischen sehr wahrscheinlich,
daß die Gänge und die Flözze vormals blose Rizze gewesen sind, die nach und nach, und in langen
Zeitaltern, durch die mineralische Wasser, die denen Klüften zufallen, mit allerhand Metallen, und
schönfarbigen Erzen angefült worden. Man pflegt übrigens sonst auch wol zu sagen, der Gang fält
wiedersinnig, wann er das Fallen so ändert, daß er gerade auf die entgegen gefezte Seite fält,
wovon man aber eigentlich sagt, der Gang macht aus dem Hangenden Liegendes, und aus
dem Liegenden Hangendes
(§. 27. im 9. St.).

§. 10.

Jn diesem und in dem 11. und 12 §. will ich nunmehr die allgemeine, in
dem 13. §. aber die besondere Eigenschaften der Gänge in der Gegend Freiberg
bekantmachen: Jn beiden Fällen aber will ich sie so wol nach ihren Mineralien, als
nach ihrer Lage betrachten, wohin die Mächtigkeit, das Streichen, und das Fal-

len,
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und Bleibergwerken an und um die alte freie Bergſtadt Freiberg.
chen, und alſo in dem leztern Fall ſenkrecht nach dem Mittelpunkt der Erde fallen. Jn
Anſehung des Fallens werden die Gaͤnge auch noch weiter, ie nachdem ſie nach dieſer
oder iener Weltgegend fallen, nach der Stundeneinteilung unterſchieden: Man nennet
naͤmlich die Stehendegaͤnge rechtfallende, wann ſie gegen Abend, die Morgengaͤnge,
wann ſie gegen halb Abend und halb Mitternacht, die Spahtgaͤnge, wann ſie gegen
Mittag, und die Flachegaͤnge, wann ſie gegen halb Abend und halb Mittag fallen,
und ſtets auf der entgegen geſezten Seite ihr Ausgehendes oder ihr Ausſtreichen nach
dem Tag haben. Wann man im Gegenteil an dieſen Gaͤngen ein anderes Fallen oder
eine andere Donlege wahrnimt: So nent man ſie wiederſinnigfallende Gaͤnge.

Die 1. Anmerkung.

Es nennen Einige die Schwebendegaͤnge, die bis 30 Grad fallen, nur ſchlechtweg Floͤzze.
Dieſe Benennung ſcheint mir aber dem Redegebrauch und der Natur der Sache zuwieder zu ſein:
Denn da man unter den Floͤzzen eigentlich dieienige Minerallagen verſtehet, die mit allen andern
Steinlagen parallel liegen, und ein ſchieferiches und blaͤtteriches Gewebe haben, ſie moͤgen auch
ſo viele Grade fallen, als ſie nur immer wollen; So iſt auch dieſe Benennung ſehr uneigentlich.
Geſchiehet es nicht ſehr oft, daß die Floͤzze ſo ſtark fallen, als es nur immer mehr bei denen Gaͤn-
gen zu geſchehen pflegt: Wer nent ſie aber alsdann Gaͤnge? Gewis das Fallen macht hier keinen
weſentlichen Unterſcheid: Man ſagt alsdann nur, daß ſie einen Ruͤkken machen, und daß ſie das
Fallen eines Ganges haben. Wer kent auch nicht die Gaͤnge? Weis es nicht Jedermann, daß ſie
ein unordentliches Gewebe haben, und daß ſie quer durch das Geſtein gehen?

Die 2. Anmerkung.

Einige pflegen ſonſt auch alle dieienige Gaͤnge rechtfallende zu nennen, welche gegen das Ge-
birge fallen, die aber, die nach dem Fus des Gebirges ihre Donlege werfen, nennen ſie wiederſin-
nigfallende. Es ſcheint, als wann dieſe Art zu unterſcheiden daher gekommen waͤre, weil die meh-
reſte Gaͤnge in das Gebirg fallen. Jch halte dieſe Einteilung vor die natuͤrlichſte, weil es wahr-
ſcheinlich iſt, daß ſich der Fus des Gebirgs, wann man annimt, daß die Erde im Anfang wenig-
ſtens in ihren obern Teilen fluͤſſig und ſchlammig geweſen iſt, von dem hohen Gebirg abgeriſſen,
und, vermoͤge der Schwere nach dem Mittelpunkt der Erde geſenkt, folglich, indem er ſich von
dem obern Gebirg losgemacht, einen ſchief in daſſelbe gehenden Riz gelaſſen habe, der nach und
nach durch das zuflieſende Waſſer mit Mineraͤlien angefuͤllet worden. Jch bin zu weit davon ent-
fernt, als daß ich glauben ſolte, daß dieſes die einzige und die allgemeine Urſach ſei, woher die
Gaͤnge entſtanden waͤren: Viele Wahrnehmungen machen es mir inzwiſchen ſehr wahrſcheinlich,
daß die Gaͤnge und die Floͤzze vormals bloſe Rizze geweſen ſind, die nach und nach, und in langen
Zeitaltern, durch die mineraliſche Waſſer, die denen Kluͤften zufallen, mit allerhand Metallen, und
ſchoͤnfarbigen Erzen angefuͤlt worden. Man pflegt uͤbrigens ſonſt auch wol zu ſagen, der Gang faͤlt
wiederſinnig, wann er das Fallen ſo aͤndert, daß er gerade auf die entgegen gefezte Seite faͤlt,
wovon man aber eigentlich ſagt, der Gang macht aus dem Hangenden Liegendes, und aus
dem Liegenden Hangendes
(§. 27. im 9. St.).

§. 10.

Jn dieſem und in dem 11. und 12 §. will ich nunmehr die allgemeine, in
dem 13. §. aber die beſondere Eigenſchaften der Gaͤnge in der Gegend Freiberg
bekantmachen: Jn beiden Faͤllen aber will ich ſie ſo wol nach ihren Mineralien, als
nach ihrer Lage betrachten, wohin die Maͤchtigkeit, das Streichen, und das Fal-

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[277/0297] und Bleibergwerken an und um die alte freie Bergſtadt Freiberg. chen, und alſo in dem leztern Fall ſenkrecht nach dem Mittelpunkt der Erde fallen. Jn Anſehung des Fallens werden die Gaͤnge auch noch weiter, ie nachdem ſie nach dieſer oder iener Weltgegend fallen, nach der Stundeneinteilung unterſchieden: Man nennet naͤmlich die Stehendegaͤnge rechtfallende, wann ſie gegen Abend, die Morgengaͤnge, wann ſie gegen halb Abend und halb Mitternacht, die Spahtgaͤnge, wann ſie gegen Mittag, und die Flachegaͤnge, wann ſie gegen halb Abend und halb Mittag fallen, und ſtets auf der entgegen geſezten Seite ihr Ausgehendes oder ihr Ausſtreichen nach dem Tag haben. Wann man im Gegenteil an dieſen Gaͤngen ein anderes Fallen oder eine andere Donlege wahrnimt: So nent man ſie wiederſinnigfallende Gaͤnge. Die 1. Anmerkung. Es nennen Einige die Schwebendegaͤnge, die bis 30 Grad fallen, nur ſchlechtweg Floͤzze. Dieſe Benennung ſcheint mir aber dem Redegebrauch und der Natur der Sache zuwieder zu ſein: Denn da man unter den Floͤzzen eigentlich dieienige Minerallagen verſtehet, die mit allen andern Steinlagen parallel liegen, und ein ſchieferiches und blaͤtteriches Gewebe haben, ſie moͤgen auch ſo viele Grade fallen, als ſie nur immer wollen; So iſt auch dieſe Benennung ſehr uneigentlich. Geſchiehet es nicht ſehr oft, daß die Floͤzze ſo ſtark fallen, als es nur immer mehr bei denen Gaͤn- gen zu geſchehen pflegt: Wer nent ſie aber alsdann Gaͤnge? Gewis das Fallen macht hier keinen weſentlichen Unterſcheid: Man ſagt alsdann nur, daß ſie einen Ruͤkken machen, und daß ſie das Fallen eines Ganges haben. Wer kent auch nicht die Gaͤnge? Weis es nicht Jedermann, daß ſie ein unordentliches Gewebe haben, und daß ſie quer durch das Geſtein gehen? Die 2. Anmerkung. Einige pflegen ſonſt auch alle dieienige Gaͤnge rechtfallende zu nennen, welche gegen das Ge- birge fallen, die aber, die nach dem Fus des Gebirges ihre Donlege werfen, nennen ſie wiederſin- nigfallende. Es ſcheint, als wann dieſe Art zu unterſcheiden daher gekommen waͤre, weil die meh- reſte Gaͤnge in das Gebirg fallen. Jch halte dieſe Einteilung vor die natuͤrlichſte, weil es wahr- ſcheinlich iſt, daß ſich der Fus des Gebirgs, wann man annimt, daß die Erde im Anfang wenig- ſtens in ihren obern Teilen fluͤſſig und ſchlammig geweſen iſt, von dem hohen Gebirg abgeriſſen, und, vermoͤge der Schwere nach dem Mittelpunkt der Erde geſenkt, folglich, indem er ſich von dem obern Gebirg losgemacht, einen ſchief in daſſelbe gehenden Riz gelaſſen habe, der nach und nach durch das zuflieſende Waſſer mit Mineraͤlien angefuͤllet worden. Jch bin zu weit davon ent- fernt, als daß ich glauben ſolte, daß dieſes die einzige und die allgemeine Urſach ſei, woher die Gaͤnge entſtanden waͤren: Viele Wahrnehmungen machen es mir inzwiſchen ſehr wahrſcheinlich, daß die Gaͤnge und die Floͤzze vormals bloſe Rizze geweſen ſind, die nach und nach, und in langen Zeitaltern, durch die mineraliſche Waſſer, die denen Kluͤften zufallen, mit allerhand Metallen, und ſchoͤnfarbigen Erzen angefuͤlt worden. Man pflegt uͤbrigens ſonſt auch wol zu ſagen, der Gang faͤlt wiederſinnig, wann er das Fallen ſo aͤndert, daß er gerade auf die entgegen gefezte Seite faͤlt, wovon man aber eigentlich ſagt, der Gang macht aus dem Hangenden Liegendes, und aus dem Liegenden Hangendes (§. 27. im 9. St.). §. 10. Jn dieſem und in dem 11. und 12 §. will ich nunmehr die allgemeine, in dem 13. §. aber die beſondere Eigenſchaften der Gaͤnge in der Gegend Freiberg bekantmachen: Jn beiden Faͤllen aber will ich ſie ſo wol nach ihren Mineralien, als nach ihrer Lage betrachten, wohin die Maͤchtigkeit, das Streichen, und das Fal- len, M m 3

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Zitationshilfe: Cancrin, Franz Ludwig von: Beschreibung der vorzüglichsten Bergwerke. Frankfurt (Main), 1767, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cancrin_beschreibung_1767/297>, abgerufen am 24.11.2024.