Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Canitz, Friedrich Rudolph Ludwig von]: Neben-Stunden Unterschiedener Gedichte. [Hrsg. v. Joachim Lange]. Berlin, 1700.

Bild:
<< vorherige Seite
Doch nimmt mein böser Trieb/ mein sündliches Beginnen/
Mit jedem Alter zu. Ach trage noch Gedult!
Laß mich nicht auf die letzt/ in solche Nacht verfallen/
Die mich auf ewiglich von deinen Augen stößt!
Nein/ sondern laß dein Hertz für einen Sünder wallen/
Den so ein theures Blut/ als wie dein Sohn erlößt
Mir hängt/ ich weiß es wol/ zu grosse Schwachheit an;
Heut schreib' ich etwas guts; doch dir ist unverborgen/
- - - - ob zwischen heut und morgen/
Der Satan meinen Wunsch nicht anders lencken kan.
- - - - - - - - -
Indessen fühl ich wol/ daß meine Kräffte schwinden;
Daß allbereit ein Tod in Sinn und Glieder wühlt;
Ich seh die höchste Noht/ mit dir mich zu verbinden/
Da deine Sanfftmuht noch auf meine Rettung zielt.
Mich schreckt der schwere Fluch/ den deine Rache dreut/
Wenn sich mein Fleisch empört und deiner Liebe Stuf-
fen/

So gar verächtlich hält; HErr hast du mich geruffen/
So reiß auch mit Gewalt mich aus der Eitelkeit.

Doch nim̃t mein boͤſer Trieb/ mein ſuͤndliches Beginnen/
Mit jedem Alter zu. Ach trage noch Gedult!
Laß mich nicht auf die letzt/ in ſolche Nacht verfallen/
Die mich auf ewiglich von deinen Augen ſtoͤßt!
Nein/ ſondern laß dein Hertz fuͤr einen Suͤnder wallen/
Den ſo ein theures Blut/ als wie dein Sohn erloͤßt
Mir haͤngt/ ich weiß es wol/ zu groſſe Schwachheit an;
Heut ſchreib’ ich etwas guts; doch dir iſt unverborgen/
- - - - ob zwiſchen heut und morgen/
Der Satan meinen Wunſch nicht anders lencken kan.
- - - - - - - - -
Indeſſen fuͤhl ich wol/ daß meine Kraͤffte ſchwinden;
Daß allbereit ein Tod in Sinn und Glieder wuͤhlt;
Ich ſeh die hoͤchſte Noht/ mit dir mich zu verbinden/
Da deine Sanfftmuht noch auf meine Rettung zielt.
Mich ſchreckt der ſchwere Fluch/ den deine Rache dreut/
Wenn ſich mein Fleiſch empoͤrt und deiner Liebe Stuf-
fen/

So gar veraͤchtlich haͤlt; HErr haſt du mich geruffen/
So reiß auch mit Gewalt mich aus der Eitelkeit.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0117" n="104"/>
          <l>Doch nim&#x0303;t mein bo&#x0364;&#x017F;er Trieb/ mein &#x017F;u&#x0364;ndliches Beginnen/</l><lb/>
          <l>Mit jedem Alter zu. Ach trage noch Gedult!</l><lb/>
          <l>Laß mich nicht auf die letzt/ in &#x017F;olche Nacht verfallen/</l><lb/>
          <l>Die mich auf ewiglich von deinen Augen &#x017F;to&#x0364;ßt!</l><lb/>
          <l>Nein/ &#x017F;ondern laß dein Hertz fu&#x0364;r einen Su&#x0364;nder wallen/</l><lb/>
          <l>Den &#x017F;o ein theures Blut/ als wie dein Sohn erlo&#x0364;ßt</l><lb/>
          <l>Mir ha&#x0364;ngt/ ich weiß es wol/ zu gro&#x017F;&#x017F;e Schwachheit an;</l><lb/>
          <l>Heut &#x017F;chreib&#x2019; ich etwas guts; doch dir i&#x017F;t unverborgen/</l><lb/>
          <l>- - - - ob zwi&#x017F;chen heut und morgen/</l><lb/>
          <l>Der Satan meinen Wun&#x017F;ch nicht anders lencken kan.</l><lb/>
          <l>- - - - - - - - -</l><lb/>
          <l>Inde&#x017F;&#x017F;en fu&#x0364;hl ich wol/ daß meine Kra&#x0364;ffte &#x017F;chwinden;</l><lb/>
          <l>Daß allbereit ein Tod in Sinn und Glieder wu&#x0364;hlt;</l><lb/>
          <l>Ich &#x017F;eh die ho&#x0364;ch&#x017F;te Noht/ mit dir mich zu verbinden/</l><lb/>
          <l>Da deine Sanfftmuht noch auf meine Rettung zielt.</l><lb/>
          <l>Mich &#x017F;chreckt der &#x017F;chwere Fluch/ den deine Rache dreut/</l><lb/>
          <l>Wenn &#x017F;ich mein Flei&#x017F;ch empo&#x0364;rt und deiner Liebe Stuf-<lb/><hi rendition="#et">fen/</hi></l><lb/>
          <l>So gar vera&#x0364;chtlich ha&#x0364;lt; HErr ha&#x017F;t du mich geruffen/</l><lb/>
          <l>So reiß auch mit Gewalt mich aus der Eitelkeit.</l>
        </lg><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
    <back>
</back>
  </text>
</TEI>
[104/0117] Doch nim̃t mein boͤſer Trieb/ mein ſuͤndliches Beginnen/ Mit jedem Alter zu. Ach trage noch Gedult! Laß mich nicht auf die letzt/ in ſolche Nacht verfallen/ Die mich auf ewiglich von deinen Augen ſtoͤßt! Nein/ ſondern laß dein Hertz fuͤr einen Suͤnder wallen/ Den ſo ein theures Blut/ als wie dein Sohn erloͤßt Mir haͤngt/ ich weiß es wol/ zu groſſe Schwachheit an; Heut ſchreib’ ich etwas guts; doch dir iſt unverborgen/ - - - - ob zwiſchen heut und morgen/ Der Satan meinen Wunſch nicht anders lencken kan. - - - - - - - - - Indeſſen fuͤhl ich wol/ daß meine Kraͤffte ſchwinden; Daß allbereit ein Tod in Sinn und Glieder wuͤhlt; Ich ſeh die hoͤchſte Noht/ mit dir mich zu verbinden/ Da deine Sanfftmuht noch auf meine Rettung zielt. Mich ſchreckt der ſchwere Fluch/ den deine Rache dreut/ Wenn ſich mein Fleiſch empoͤrt und deiner Liebe Stuf- fen/ So gar veraͤchtlich haͤlt; HErr haſt du mich geruffen/ So reiß auch mit Gewalt mich aus der Eitelkeit.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/canitz_gedichte_1700
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/canitz_gedichte_1700/117
Zitationshilfe: [Canitz, Friedrich Rudolph Ludwig von]: Neben-Stunden Unterschiedener Gedichte. [Hrsg. v. Joachim Lange]. Berlin, 1700, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/canitz_gedichte_1700/117>, abgerufen am 13.05.2024.