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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
"hin bestellete, die zum Dienste desselben allezeit den fünften Gefangenen
"wegnehmen müßten: von diesen könnten hernach die schönsten und dauerhaf-
"testen bey Hofe und bey dem Kriegsheere gebrauchet werden." Was hier
der Weßir im Scherze sagte, das nahm der Kaiser ernstlich auf, und befahl
dem Weßire, seinen gegebenen Rath zur Vollstreckung zu bringen. Diesem
zu Folge wurde nach einem öffentlich bekannt gemachten Befehle 12 eine große
[Spaltenumbruch]
sondern wenn man diesen mit der Benennung
Herr anreden will: so brauchet man im Türki-
schen allezeit das Wort Rebb, das niemals einem
Menschen beygeleget wird. Das Wort Aga
heißet insbesondere die Bedienten des Hofes
oder der Pforte; wie auch einige Befehlhaber
des Kriegesheeres: als Jeng-itscheriler Agasi,
der Feldherr der Jeng-itscheri: Kißlar Agasi,
Oberaufseher des Frauenzimmers, das allezeit
ein schwarzer Verschnittener ist: Sipahilar
Agasi, Feldherr der Sipahi (oder der Reite-
rey): Silahtar Agasi, Feldherr des Fußvolks.
12 bekannt gemachten Befehle] Des
Sultan Murads Gesetz war dieses, daß alle-
zeit der fünfte Gefangene weggenommen und
zu Kriegsdiensten sollte gebraucht werden.
Als diese Gewohnheit mit der Zeit abgekom-
men war: so wurde befohlen, daß für ieden
Slawen, der in die Stadt zum Verkaufe ge-
bracht würde, eine Abgabe von fünf Löwen-
thalern sollte eingesammelt werden. Diese
Abgabe nennet man von der ehemaligen fünf-
ten Zahl der Gefangenen noch heutiges Tages
Eßpendsch, das ist, aus Fünfen (wiewol ei-
nige Türken itzo Ispendsch schreiben): denn
eß heißet in der persischen Sprache, aus oder
von, und pendsch, fünf. Als man nach der
Zeit das Kriegesheer vermehren wollte: so
wurde ein neues Gesetz erfunden, nach wel-
chem allezeit der zehente Sohn von den Chri-
sten sich unter die Jeng-itscheri mußte anwer-
ben lassen. Dieses Gesetz galt bis auf die
[Spaltenumbruch]
Zeiten Murads des IIII, da durch Gottes
Fügung, der sich des kläglichen Zustandes der
Christen erbarmete, dieses Gesetz gänzlich ab-
geschaffet wurde.
13 Hadschi Bekjtasch] Der erste Stifter
eines Ordens der Derwische oder Mönche un-
ter den Türken, die von ihm Bekjtaschi genen-
net werden. Sein Grab wird noch mit vie-
ler Hochachtung verehret, und befindet sich
bey einem Dorfe an der europäischen Seite
des Kanals von Constantinopel, Beschikjtasch
genennet, nicht weit von Galata. Obzwar
die Mönche dieses Ordens sich verheiraten
und in Städten wohnen dürfen: so sind sie
doch, kraft ihrer Regel, verbunden, entfernte
Länder zu besuchen, und einen ieden, der ih-
nen begegnet, mit einem Gäßel (oder Liebes-
liede, das durch eine verblümte Anwendung
auf die Liebe Gottes gezogen wird) und Es-
ma (das ist, nebst Anrufung der göttlichen
Namen, deren sie tausend und einen zählen)
zu grüßen, auch ihm alle Arten der Glückse-
ligkeit demüthig anzuwünschen. Dieses thun
sie gewöhnlicher Weise mit dem Worte Ejü-
wallah* (ein öffentlicher Ausruf, der bey
den Ringern gebräuchlich ist, und damit der
Ueberwundene dem Ueberwinder den Palm-
zweig überreichet), dadurch sie zu erkennen
geben wollen, daß sie einen ieden andern für
besser und vortrefflicher achten, als sich selbst.
[D' Herbelot saget, die Müsülmanen zählen
neun und neunzig Namen Gottes, die nebst

Anzahl
* Viel Glück von Gott!

Osmaniſche Geſchichte
“hin beſtellete, die zum Dienſte deſſelben allezeit den fuͤnften Gefangenen
“wegnehmen muͤßten: von dieſen koͤnnten hernach die ſchoͤnſten und dauerhaf-
“teſten bey Hofe und bey dem Kriegsheere gebrauchet werden.„ Was hier
der Weßir im Scherze ſagte, das nahm der Kaiſer ernſtlich auf, und befahl
dem Weßire, ſeinen gegebenen Rath zur Vollſtreckung zu bringen. Dieſem
zu Folge wurde nach einem oͤffentlich bekannt gemachten Befehle 12 eine große
[Spaltenumbruch]
ſondern wenn man dieſen mit der Benennung
Herr anreden will: ſo brauchet man im Tuͤrki-
ſchen allezeit das Wort Rebb, das niemals einem
Menſchen beygeleget wird. Das Wort Aga
heißet insbeſondere die Bedienten des Hofes
oder der Pforte; wie auch einige Befehlhaber
des Kriegesheeres: als Jeng-itſcheriler Agaſi,
der Feldherr der Jeng-itſcheri: Kißlar Agaſi,
Oberaufſeher des Frauenzimmers, das allezeit
ein ſchwarzer Verſchnittener iſt: Sipahilar
Agaſi, Feldherr der Sipahi (oder der Reite-
rey): Silahtar Agaſi, Feldherr des Fußvolks.
12 bekannt gemachten Befehle] Des
Sultan Murads Geſetz war dieſes, daß alle-
zeit der fuͤnfte Gefangene weggenommen und
zu Kriegsdienſten ſollte gebraucht werden.
Als dieſe Gewohnheit mit der Zeit abgekom-
men war: ſo wurde befohlen, daß fuͤr ieden
Slawen, der in die Stadt zum Verkaufe ge-
bracht wuͤrde, eine Abgabe von fuͤnf Loͤwen-
thalern ſollte eingeſammelt werden. Dieſe
Abgabe nennet man von der ehemaligen fuͤnf-
ten Zahl der Gefangenen noch heutiges Tages
Eßpendſch, das iſt, aus Fuͤnfen (wiewol ei-
nige Tuͤrken itzo Ispendſch ſchreiben): denn
eß heißet in der perſiſchen Sprache, aus oder
von, und pendſch, fuͤnf. Als man nach der
Zeit das Kriegesheer vermehren wollte: ſo
wurde ein neues Geſetz erfunden, nach wel-
chem allezeit der zehente Sohn von den Chri-
ſten ſich unter die Jeng-itſcheri mußte anwer-
ben laſſen. Dieſes Geſetz galt bis auf die
[Spaltenumbruch]
Zeiten Murads des IIII, da durch Gottes
Fuͤgung, der ſich des klaͤglichen Zuſtandes der
Chriſten erbarmete, dieſes Geſetz gaͤnzlich ab-
geſchaffet wurde.
13 Hadſchi Bekjtaſch] Der erſte Stifter
eines Ordens der Derwiſche oder Moͤnche un-
ter den Tuͤrken, die von ihm Bekjtaſchi genen-
net werden. Sein Grab wird noch mit vie-
ler Hochachtung verehret, und befindet ſich
bey einem Dorfe an der europaͤiſchen Seite
des Kanals von Conſtantinopel, Beſchikjtaſch
genennet, nicht weit von Galata. Obzwar
die Moͤnche dieſes Ordens ſich verheiraten
und in Staͤdten wohnen duͤrfen: ſo ſind ſie
doch, kraft ihrer Regel, verbunden, entfernte
Laͤnder zu beſuchen, und einen ieden, der ih-
nen begegnet, mit einem Gaͤßel (oder Liebes-
liede, das durch eine verbluͤmte Anwendung
auf die Liebe Gottes gezogen wird) und Es-
ma (das iſt, nebſt Anrufung der goͤttlichen
Namen, deren ſie tauſend und einen zaͤhlen)
zu gruͤßen, auch ihm alle Arten der Gluͤckſe-
ligkeit demuͤthig anzuwuͤnſchen. Dieſes thun
ſie gewoͤhnlicher Weiſe mit dem Worte Ejuͤ-
wallah* (ein oͤffentlicher Ausruf, der bey
den Ringern gebraͤuchlich iſt, und damit der
Ueberwundene dem Ueberwinder den Palm-
zweig uͤberreichet), dadurch ſie zu erkennen
geben wollen, daß ſie einen ieden andern fuͤr
beſſer und vortrefflicher achten, als ſich ſelbſt.
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neun und neunzig Namen Gottes, die nebſt

Anzahl
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[54/0130] Osmaniſche Geſchichte “hin beſtellete, die zum Dienſte deſſelben allezeit den fuͤnften Gefangenen “wegnehmen muͤßten: von dieſen koͤnnten hernach die ſchoͤnſten und dauerhaf- “teſten bey Hofe und bey dem Kriegsheere gebrauchet werden.„ Was hier der Weßir im Scherze ſagte, das nahm der Kaiſer ernſtlich auf, und befahl dem Weßire, ſeinen gegebenen Rath zur Vollſtreckung zu bringen. Dieſem zu Folge wurde nach einem oͤffentlich bekannt gemachten Befehle ¹² eine große Anzahl ſondern wenn man dieſen mit der Benennung Herr anreden will: ſo brauchet man im Tuͤrki- ſchen allezeit das Wort Rebb, das niemals einem Menſchen beygeleget wird. Das Wort Aga heißet insbeſondere die Bedienten des Hofes oder der Pforte; wie auch einige Befehlhaber des Kriegesheeres: als Jeng-itſcheriler Agaſi, der Feldherr der Jeng-itſcheri: Kißlar Agaſi, Oberaufſeher des Frauenzimmers, das allezeit ein ſchwarzer Verſchnittener iſt: Sipahilar Agaſi, Feldherr der Sipahi (oder der Reite- rey): Silahtar Agaſi, Feldherr des Fußvolks. ¹² bekannt gemachten Befehle] Des Sultan Murads Geſetz war dieſes, daß alle- zeit der fuͤnfte Gefangene weggenommen und zu Kriegsdienſten ſollte gebraucht werden. Als dieſe Gewohnheit mit der Zeit abgekom- men war: ſo wurde befohlen, daß fuͤr ieden Slawen, der in die Stadt zum Verkaufe ge- bracht wuͤrde, eine Abgabe von fuͤnf Loͤwen- thalern ſollte eingeſammelt werden. Dieſe Abgabe nennet man von der ehemaligen fuͤnf- ten Zahl der Gefangenen noch heutiges Tages Eßpendſch, das iſt, aus Fuͤnfen (wiewol ei- nige Tuͤrken itzo Ispendſch ſchreiben): denn eß heißet in der perſiſchen Sprache, aus oder von, und pendſch, fuͤnf. Als man nach der Zeit das Kriegesheer vermehren wollte: ſo wurde ein neues Geſetz erfunden, nach wel- chem allezeit der zehente Sohn von den Chri- ſten ſich unter die Jeng-itſcheri mußte anwer- ben laſſen. Dieſes Geſetz galt bis auf die Zeiten Murads des IIII, da durch Gottes Fuͤgung, der ſich des klaͤglichen Zuſtandes der Chriſten erbarmete, dieſes Geſetz gaͤnzlich ab- geſchaffet wurde. ¹³ Hadſchi Bekjtaſch] Der erſte Stifter eines Ordens der Derwiſche oder Moͤnche un- ter den Tuͤrken, die von ihm Bekjtaſchi genen- net werden. Sein Grab wird noch mit vie- ler Hochachtung verehret, und befindet ſich bey einem Dorfe an der europaͤiſchen Seite des Kanals von Conſtantinopel, Beſchikjtaſch genennet, nicht weit von Galata. Obzwar die Moͤnche dieſes Ordens ſich verheiraten und in Staͤdten wohnen duͤrfen: ſo ſind ſie doch, kraft ihrer Regel, verbunden, entfernte Laͤnder zu beſuchen, und einen ieden, der ih- nen begegnet, mit einem Gaͤßel (oder Liebes- liede, das durch eine verbluͤmte Anwendung auf die Liebe Gottes gezogen wird) und Es- ma (das iſt, nebſt Anrufung der goͤttlichen Namen, deren ſie tauſend und einen zaͤhlen) zu gruͤßen, auch ihm alle Arten der Gluͤckſe- ligkeit demuͤthig anzuwuͤnſchen. Dieſes thun ſie gewoͤhnlicher Weiſe mit dem Worte Ejuͤ- wallah * (ein oͤffentlicher Ausruf, der bey den Ringern gebraͤuchlich iſt, und damit der Ueberwundene dem Ueberwinder den Palm- zweig uͤberreichet), dadurch ſie zu erkennen geben wollen, daß ſie einen ieden andern fuͤr beſſer und vortrefflicher achten, als ſich ſelbſt. [D' Herbelot ſaget, die Muͤſuͤlmanen zaͤhlen neun und neunzig Namen Gottes, die nebſt Allah * Viel Gluͤck von Gott!

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/130>, abgerufen am 21.11.2024.