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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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7. Muhämmed der II
Diese beyden Prinzen halten unmittelbar mit einander ein hartnäckiges Gefechte:
zuletzt wird Ssejnüldin von Mustäfa vom Pferde herunter geworfen, und ehe
er sich selbst wieder zurechte helfen oder von seinen Leuten gerettet werden kann,
mit der Lanze mitten durch den Leib 39 durchrennet. Es hat auch das Ansehen,
als wenn dieser Fall den Verlust des ganzen Heeres nach sich ziehen würde.
Denn als die Osmanen sehen, daß der rechte Flügel der Perser in Unordnung
sich auf die Flucht begiebt: so fallen sie alle mit der größten Hitze auf den linken
Flügel, der den Angriff der Müsülmanen noch tapfer aushielte, zwingen denselben
erstlich zum Weichen, und nöthigen ihn endlich, die weite Flucht zu ergreifen.
Hiebey werden viele erschlagen, und ihrer nicht wenigere zu Gefangenen ge-
macht. Solchergestalt erhielte Muhämmed einen herrlichen Sieg, und bekam
noch dazu das ganze Lager zur Beute. Als Ußunhäsen siehet, daß die Schlacht
verloren ist: so entfliehet er noch mit wenigen Begleitern durch öfteres Wech-
seln der Pferde.

27.

Die Unbequemheit des Landes wollte nicht gestatten, den flüchti-und ihm viele
Städte von
demselben abge-
nommen.

gen Feind zu verfolgen: und doch schiene es auch nicht dem Vortheile der Os-
manen gemäß zu seyn, die Zeit vergeblich hinzubringen. Nachdem er also sei-
nen Truppen nur zweene Tage zu ihrer Erholung vergönnet hatte: so belagerte
er am dritten Tage Karahisar Schärki 40, eroberte es in kurzer Zeit, und
verherete das umliegende Land mit Feuer und Schwerte. Hierauf kehrete er
im Triumphe mit einem Theile seines Heeres nach Constantinopel zurück, und
ließ den andern Theil unter der Befehlhabung seines Weßirs, Gjedükj Aehmed
Paschas 41, welcher mit demselben nicht allein Ermenak und Ssilifke einnahm,
sondern auch die ganze Landschaft Warsak 42 dem osmanischen Reiche unterwür-
fig machte.

[Spaltenumbruch]
Vörderzahn verloren hatte: denn eine Per-
son, die einen Mangel an einem solchen Zah-
ne oder eine Hasenscharte hat, heißet bey den
Türken allezeit Gjedükj. Eigentlich aber be-
deutet Gjedükj einen Ritz oder Spalt, und
im verblümten Verstande einen ieden Stand
im Kriege: als Gjedükj Sahibi, einer, der
in einer gewissen Gattung Soldaten angewor-
ben ist*; Gjedükjlerinden ajrilmadiler, sie
haben ihre Glieder nicht verlassen, oder keinen
[Spaltenumbruch]
leeren Raum in denselben gelassen. Es ist
auch eine gewisse Gegend zu Constantinopel,
die Gjedükj Pascha heißet, und von dem ge-
genwärtigen Pascha den Namen führet, ent-
weder weil er daselbst einen Marktplatz ge-
bauet, oder einen Palast gehabt hat.
42 Warsak] Dieses scheinet Paphlago-
nien zu seyn.
28. Im
* Eigentlich, der eine ledige Stelle bekommen hat.
X 2

7. Muhaͤmmed der II
Dieſe beyden Prinzen halten unmittelbar mit einander ein hartnaͤckiges Gefechte:
zuletzt wird Sſejnuͤldin von Muſtaͤfa vom Pferde herunter geworfen, und ehe
er ſich ſelbſt wieder zurechte helfen oder von ſeinen Leuten gerettet werden kann,
mit der Lanze mitten durch den Leib 39 durchrennet. Es hat auch das Anſehen,
als wenn dieſer Fall den Verluſt des ganzen Heeres nach ſich ziehen wuͤrde.
Denn als die Osmanen ſehen, daß der rechte Fluͤgel der Perſer in Unordnung
ſich auf die Flucht begiebt: ſo fallen ſie alle mit der groͤßten Hitze auf den linken
Fluͤgel, der den Angriff der Muͤſuͤlmanen noch tapfer aushielte, zwingen denſelben
erſtlich zum Weichen, und noͤthigen ihn endlich, die weite Flucht zu ergreifen.
Hiebey werden viele erſchlagen, und ihrer nicht wenigere zu Gefangenen ge-
macht. Solchergeſtalt erhielte Muhaͤmmed einen herrlichen Sieg, und bekam
noch dazu das ganze Lager zur Beute. Als Ußunhaͤſen ſiehet, daß die Schlacht
verloren iſt: ſo entfliehet er noch mit wenigen Begleitern durch oͤfteres Wech-
ſeln der Pferde.

27.

Die Unbequemheit des Landes wollte nicht geſtatten, den fluͤchti-und ihm viele
Staͤdte von
demſelben abge-
nommen.

gen Feind zu verfolgen: und doch ſchiene es auch nicht dem Vortheile der Os-
manen gemaͤß zu ſeyn, die Zeit vergeblich hinzubringen. Nachdem er alſo ſei-
nen Truppen nur zweene Tage zu ihrer Erholung vergoͤnnet hatte: ſo belagerte
er am dritten Tage Karahiſar Schaͤrki 40, eroberte es in kurzer Zeit, und
verherete das umliegende Land mit Feuer und Schwerte. Hierauf kehrete er
im Triumphe mit einem Theile ſeines Heeres nach Conſtantinopel zuruͤck, und
ließ den andern Theil unter der Befehlhabung ſeines Weßirs, Gjeduͤkj Aehmed
Paſchas 41, welcher mit demſelben nicht allein Ermenak und Sſilifke einnahm,
ſondern auch die ganze Landſchaft Warſak 42 dem osmaniſchen Reiche unterwuͤr-
fig machte.

[Spaltenumbruch]
Voͤrderzahn verloren hatte: denn eine Per-
ſon, die einen Mangel an einem ſolchen Zah-
ne oder eine Haſenſcharte hat, heißet bey den
Tuͤrken allezeit Gjeduͤkj. Eigentlich aber be-
deutet Gjeduͤkj einen Ritz oder Spalt, und
im verbluͤmten Verſtande einen ieden Stand
im Kriege: als Gjeduͤkj Sahibi, einer, der
in einer gewiſſen Gattung Soldaten angewor-
ben iſt*; Gjeduͤkjlerinden ajrilmadiler, ſie
haben ihre Glieder nicht verlaſſen, oder keinen
[Spaltenumbruch]
leeren Raum in denſelben gelaſſen. Es iſt
auch eine gewiſſe Gegend zu Conſtantinopel,
die Gjeduͤkj Paſcha heißet, und von dem ge-
genwaͤrtigen Paſcha den Namen fuͤhret, ent-
weder weil er daſelbſt einen Marktplatz ge-
bauet, oder einen Palaſt gehabt hat.
42 Warſak] Dieſes ſcheinet Paphlago-
nien zu ſeyn.
28. Im
* Eigentlich, der eine ledige Stelle bekommen hat.
X 2
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[163/0247] 7. Muhaͤmmed der II Dieſe beyden Prinzen halten unmittelbar mit einander ein hartnaͤckiges Gefechte: zuletzt wird Sſejnuͤldin von Muſtaͤfa vom Pferde herunter geworfen, und ehe er ſich ſelbſt wieder zurechte helfen oder von ſeinen Leuten gerettet werden kann, mit der Lanze mitten durch den Leib ³⁹ durchrennet. Es hat auch das Anſehen, als wenn dieſer Fall den Verluſt des ganzen Heeres nach ſich ziehen wuͤrde. Denn als die Osmanen ſehen, daß der rechte Fluͤgel der Perſer in Unordnung ſich auf die Flucht begiebt: ſo fallen ſie alle mit der groͤßten Hitze auf den linken Fluͤgel, der den Angriff der Muͤſuͤlmanen noch tapfer aushielte, zwingen denſelben erſtlich zum Weichen, und noͤthigen ihn endlich, die weite Flucht zu ergreifen. Hiebey werden viele erſchlagen, und ihrer nicht wenigere zu Gefangenen ge- macht. Solchergeſtalt erhielte Muhaͤmmed einen herrlichen Sieg, und bekam noch dazu das ganze Lager zur Beute. Als Ußunhaͤſen ſiehet, daß die Schlacht verloren iſt: ſo entfliehet er noch mit wenigen Begleitern durch oͤfteres Wech- ſeln der Pferde. 27. Die Unbequemheit des Landes wollte nicht geſtatten, den fluͤchti- gen Feind zu verfolgen: und doch ſchiene es auch nicht dem Vortheile der Os- manen gemaͤß zu ſeyn, die Zeit vergeblich hinzubringen. Nachdem er alſo ſei- nen Truppen nur zweene Tage zu ihrer Erholung vergoͤnnet hatte: ſo belagerte er am dritten Tage Karahiſar Schaͤrki ⁴⁰ , eroberte es in kurzer Zeit, und verherete das umliegende Land mit Feuer und Schwerte. Hierauf kehrete er im Triumphe mit einem Theile ſeines Heeres nach Conſtantinopel zuruͤck, und ließ den andern Theil unter der Befehlhabung ſeines Weßirs, Gjeduͤkj Aehmed Paſchas ⁴¹ , welcher mit demſelben nicht allein Ermenak und Sſilifke einnahm, ſondern auch die ganze Landſchaft Warſak ⁴² dem osmaniſchen Reiche unterwuͤr- fig machte. und ihm viele Staͤdte von demſelben abge- nommen. 28. Im Voͤrderzahn verloren hatte: denn eine Per- ſon, die einen Mangel an einem ſolchen Zah- ne oder eine Haſenſcharte hat, heißet bey den Tuͤrken allezeit Gjeduͤkj. Eigentlich aber be- deutet Gjeduͤkj einen Ritz oder Spalt, und im verbluͤmten Verſtande einen ieden Stand im Kriege: als Gjeduͤkj Sahibi, einer, der in einer gewiſſen Gattung Soldaten angewor- ben iſt *; Gjeduͤkjlerinden ajrilmadiler, ſie haben ihre Glieder nicht verlaſſen, oder keinen leeren Raum in denſelben gelaſſen. Es iſt auch eine gewiſſe Gegend zu Conſtantinopel, die Gjeduͤkj Paſcha heißet, und von dem ge- genwaͤrtigen Paſcha den Namen fuͤhret, ent- weder weil er daſelbſt einen Marktplatz ge- bauet, oder einen Palaſt gehabt hat. ⁴² Warſak] Dieſes ſcheinet Paphlago- nien zu ſeyn. * Eigentlich, der eine ledige Stelle bekommen hat. X 2

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/247>, abgerufen am 22.11.2024.