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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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8. Bajeßid der II
demselben, dessen Namen auf seine Münzen prägen und in das öffentliche Gebet
setzen zu lassen; und träget solchergestalt sein Land demselben zu Lehen auf. Un-
[Spaltenumbruch]
um, bis auf einen Mann. Als der Vater des
Sultans von dieser That Nachricht bekam: so
unterdrückte er seinen Unmuth darüber, und sag-
te; die Tscherkassier hätten recht gethan, daß sie
einen Menschen gestrafet, der sich unterstan-
den habe, eine Jungfer zu rauben und gegen
die Gewohnheit mit Gewalt wegzunehmen.
Inzwischen starb dieser Sultan, und hatte
zum Nachfolger seinen ältesten Sohn Dewlet
Gjiraj, der kurz darauf von dem Großsultane
abgesetzet und ins Elend vertrieben wurde.
Dessen Nachfolger aber und jüngerer Bruder
Kaplan Gjiraj zog, auf erhaltene Erlaubniß
des osmanischen Hofes, mit achtzig tausend
Tatarn gegen die Tscherkassier zu Felde, und
drohete ihnen den gänzlichen Untergang.
Nachdem er über den Don gegangen war:
so stießen funfzehen tausend Kubaner zu dem-
selben. Als der Fürst zu Kabarta von ihrem
Anzuge Nachricht erhielte: so begab er sich
mit sieben tausend Mann zu Fuß und drey
hundert Reitern auf den Gipfel eines hohen
Berges, der mit den verfallenen Mauren ei-
ner sehr großen und alten Stadt umschlossen
war, und füllete die Lücken der Mauren mit
gefälleten Bäumen und Wällen von Erde aus.
Kaplan Gjiraj merket wohl, daß dieser Berg
schwer zu bestürmen sey (denn er hatte nur
einen einzigen Zugang), und sendet daher ei-
nen vertrauten Boten an den Fürsten, der
demselben vermeldet: Der Sultan habe einen
Feldzug gegen die Jüßbegjen vor, und ver-
lange dazu drey tausend Mann von seinen
Tscherkassiern. Außer diesem habe derselbe
nöthig, eine persönliche Unterredung mit ihm
zu halten, und begehre daher, daß er von dem
Berge zu ihm herunter kommen möchte. Ka-
bartaj merket die Hinterlist des Feindes, und
[Spaltenumbruch]
giebt dem Boten zur Antwort: Er könnte für-
itzo wegen eines schweren Anfalls vom Zip-
perleine nicht von der Stelle kommen; wollte
aber innerhalb drey Tage entweder zu Pferde
oder in einer Sänfte (dergleichen sie welche
mit zweyen Rädern haben) dem Sultane
aufwarten. Nachdem der Bote weggegan-
gen ist: so lässet Kabartaj die Tscherkassier
zusammen kommen, und hält folgende Anrede
an dieselben. "... Was sind eure
"Gedanken, ihr Landesleute, von dem ge-
"genwärtigen Zustande unserer Sachen?
"Haltet ihr es für gut, daß wir uns in
"Ketten dem Sultane ergeben, und uns
"von demselben schlachten und unsere Weiber
"und Kinder in die ewige Slawerey führen
"lassen? oder ist es euch gefällig, entweder
"zu siegen oder zu sterben? Wenn wir ster-
"ben; so entgehen wir dem abscheulichen
"Anblicke, zu sehen, daß ein Tirann seine
"Wut gegen uns ausübet: siegen wir aber;
"so ist die Folge davon, daß wir uns sol-
"chergestalt mit einem Streiche von dem un-
"erträglichen Joche der Tatarn befreyen. .
".." Ihre Antwort darauf war einmü-
thig diese: Es sey besser zu sterben, als sich
selbst dem Feinde in die Hände zu liefern.
Hierauf verbindet er dieselben, bey ihrer Ent-
schließung fest zu halten, und nimmt ihnen
den gewöhnlichen Eid ab, bey ihren Säbeln
und Waffen. Als die Sache auf diesen Fuß
gesetzet ist: so schicket Kabartaj des Abends
einen von seinen Leuten an den Chan, und
lässet ihm sagen; Sein Zipperlein wäre itzo
erträglicher geworden, und er wollte des fol-
genden Tages nebst den Aeltesten seines Heeres
demselben aufwarten und sich ihm in Demuth
unterwerfen. Kaplan Gjiraj wird über die-

ter
2 A 3

8. Bajeßid der II
demſelben, deſſen Namen auf ſeine Muͤnzen praͤgen und in das oͤffentliche Gebet
ſetzen zu laſſen; und traͤget ſolchergeſtalt ſein Land demſelben zu Lehen auf. Un-
[Spaltenumbruch]
um, bis auf einen Mann. Als der Vater des
Sultans von dieſer That Nachricht bekam: ſo
unterdruͤckte er ſeinen Unmuth daruͤber, und ſag-
te; die Tſcherkaſſier haͤtten recht gethan, daß ſie
einen Menſchen geſtrafet, der ſich unterſtan-
den habe, eine Jungfer zu rauben und gegen
die Gewohnheit mit Gewalt wegzunehmen.
Inzwiſchen ſtarb dieſer Sultan, und hatte
zum Nachfolger ſeinen aͤlteſten Sohn Dewlet
Gjiraj, der kurz darauf von dem Großſultane
abgeſetzet und ins Elend vertrieben wurde.
Deſſen Nachfolger aber und juͤngerer Bruder
Kaplan Gjiraj zog, auf erhaltene Erlaubniß
des osmaniſchen Hofes, mit achtzig tauſend
Tatarn gegen die Tſcherkaſſier zu Felde, und
drohete ihnen den gaͤnzlichen Untergang.
Nachdem er uͤber den Don gegangen war:
ſo ſtießen funfzehen tauſend Kubaner zu dem-
ſelben. Als der Fuͤrſt zu Kabarta von ihrem
Anzuge Nachricht erhielte: ſo begab er ſich
mit ſieben tauſend Mann zu Fuß und drey
hundert Reitern auf den Gipfel eines hohen
Berges, der mit den verfallenen Mauren ei-
ner ſehr großen und alten Stadt umſchloſſen
war, und fuͤllete die Luͤcken der Mauren mit
gefaͤlleten Baͤumen und Waͤllen von Erde aus.
Kaplan Gjiraj merket wohl, daß dieſer Berg
ſchwer zu beſtuͤrmen ſey (denn er hatte nur
einen einzigen Zugang), und ſendet daher ei-
nen vertrauten Boten an den Fuͤrſten, der
demſelben vermeldet: Der Sultan habe einen
Feldzug gegen die Juͤßbegjen vor, und ver-
lange dazu drey tauſend Mann von ſeinen
Tſcherkaſſiern. Außer dieſem habe derſelbe
noͤthig, eine perſoͤnliche Unterredung mit ihm
zu halten, und begehre daher, daß er von dem
Berge zu ihm herunter kommen moͤchte. Ka-
bartaj merket die Hinterliſt des Feindes, und
[Spaltenumbruch]
giebt dem Boten zur Antwort: Er koͤnnte fuͤr-
itzo wegen eines ſchweren Anfalls vom Zip-
perleine nicht von der Stelle kommen; wollte
aber innerhalb drey Tage entweder zu Pferde
oder in einer Saͤnfte (dergleichen ſie welche
mit zweyen Raͤdern haben) dem Sultane
aufwarten. Nachdem der Bote weggegan-
gen iſt: ſo laͤſſet Kabartaj die Tſcherkaſſier
zuſammen kommen, und haͤlt folgende Anrede
an dieſelben. “... Was ſind eure
“Gedanken, ihr Landesleute, von dem ge-
“genwaͤrtigen Zuſtande unſerer Sachen?
“Haltet ihr es fuͤr gut, daß wir uns in
“Ketten dem Sultane ergeben, und uns
“von demſelben ſchlachten und unſere Weiber
“und Kinder in die ewige Slawerey fuͤhren
“laſſen? oder iſt es euch gefaͤllig, entweder
“zu ſiegen oder zu ſterben? Wenn wir ſter-
“ben; ſo entgehen wir dem abſcheulichen
“Anblicke, zu ſehen, daß ein Tirann ſeine
“Wut gegen uns ausuͤbet: ſiegen wir aber;
“ſo iſt die Folge davon, daß wir uns ſol-
“chergeſtalt mit einem Streiche von dem un-
“ertraͤglichen Joche der Tatarn befreyen. .
“..„ Ihre Antwort darauf war einmuͤ-
thig dieſe: Es ſey beſſer zu ſterben, als ſich
ſelbſt dem Feinde in die Haͤnde zu liefern.
Hierauf verbindet er dieſelben, bey ihrer Ent-
ſchließung feſt zu halten, und nimmt ihnen
den gewoͤhnlichen Eid ab, bey ihren Saͤbeln
und Waffen. Als die Sache auf dieſen Fuß
geſetzet iſt: ſo ſchicket Kabartaj des Abends
einen von ſeinen Leuten an den Chan, und
laͤſſet ihm ſagen; Sein Zipperlein waͤre itzo
ertraͤglicher geworden, und er wollte des fol-
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[189/0275] 8. Bajeßid der II demſelben, deſſen Namen auf ſeine Muͤnzen praͤgen und in das oͤffentliche Gebet ſetzen zu laſſen; und traͤget ſolchergeſtalt ſein Land demſelben zu Lehen auf. Un- ter um, bis auf einen Mann. Als der Vater des Sultans von dieſer That Nachricht bekam: ſo unterdruͤckte er ſeinen Unmuth daruͤber, und ſag- te; die Tſcherkaſſier haͤtten recht gethan, daß ſie einen Menſchen geſtrafet, der ſich unterſtan- den habe, eine Jungfer zu rauben und gegen die Gewohnheit mit Gewalt wegzunehmen. Inzwiſchen ſtarb dieſer Sultan, und hatte zum Nachfolger ſeinen aͤlteſten Sohn Dewlet Gjiraj, der kurz darauf von dem Großſultane abgeſetzet und ins Elend vertrieben wurde. Deſſen Nachfolger aber und juͤngerer Bruder Kaplan Gjiraj zog, auf erhaltene Erlaubniß des osmaniſchen Hofes, mit achtzig tauſend Tatarn gegen die Tſcherkaſſier zu Felde, und drohete ihnen den gaͤnzlichen Untergang. Nachdem er uͤber den Don gegangen war: ſo ſtießen funfzehen tauſend Kubaner zu dem- ſelben. Als der Fuͤrſt zu Kabarta von ihrem Anzuge Nachricht erhielte: ſo begab er ſich mit ſieben tauſend Mann zu Fuß und drey hundert Reitern auf den Gipfel eines hohen Berges, der mit den verfallenen Mauren ei- ner ſehr großen und alten Stadt umſchloſſen war, und fuͤllete die Luͤcken der Mauren mit gefaͤlleten Baͤumen und Waͤllen von Erde aus. Kaplan Gjiraj merket wohl, daß dieſer Berg ſchwer zu beſtuͤrmen ſey (denn er hatte nur einen einzigen Zugang), und ſendet daher ei- nen vertrauten Boten an den Fuͤrſten, der demſelben vermeldet: Der Sultan habe einen Feldzug gegen die Juͤßbegjen vor, und ver- lange dazu drey tauſend Mann von ſeinen Tſcherkaſſiern. Außer dieſem habe derſelbe noͤthig, eine perſoͤnliche Unterredung mit ihm zu halten, und begehre daher, daß er von dem Berge zu ihm herunter kommen moͤchte. Ka- bartaj merket die Hinterliſt des Feindes, und giebt dem Boten zur Antwort: Er koͤnnte fuͤr- itzo wegen eines ſchweren Anfalls vom Zip- perleine nicht von der Stelle kommen; wollte aber innerhalb drey Tage entweder zu Pferde oder in einer Saͤnfte (dergleichen ſie welche mit zweyen Raͤdern haben) dem Sultane aufwarten. Nachdem der Bote weggegan- gen iſt: ſo laͤſſet Kabartaj die Tſcherkaſſier zuſammen kommen, und haͤlt folgende Anrede an dieſelben. “... Was ſind eure “Gedanken, ihr Landesleute, von dem ge- “genwaͤrtigen Zuſtande unſerer Sachen? “Haltet ihr es fuͤr gut, daß wir uns in “Ketten dem Sultane ergeben, und uns “von demſelben ſchlachten und unſere Weiber “und Kinder in die ewige Slawerey fuͤhren “laſſen? oder iſt es euch gefaͤllig, entweder “zu ſiegen oder zu ſterben? Wenn wir ſter- “ben; ſo entgehen wir dem abſcheulichen “Anblicke, zu ſehen, daß ein Tirann ſeine “Wut gegen uns ausuͤbet: ſiegen wir aber; “ſo iſt die Folge davon, daß wir uns ſol- “chergeſtalt mit einem Streiche von dem un- “ertraͤglichen Joche der Tatarn befreyen. . “..„ Ihre Antwort darauf war einmuͤ- thig dieſe: Es ſey beſſer zu ſterben, als ſich ſelbſt dem Feinde in die Haͤnde zu liefern. Hierauf verbindet er dieſelben, bey ihrer Ent- ſchließung feſt zu halten, und nimmt ihnen den gewoͤhnlichen Eid ab, bey ihren Saͤbeln und Waffen. Als die Sache auf dieſen Fuß geſetzet iſt: ſo ſchicket Kabartaj des Abends einen von ſeinen Leuten an den Chan, und laͤſſet ihm ſagen; Sein Zipperlein waͤre itzo ertraͤglicher geworden, und er wollte des fol- genden Tages nebſt den Aelteſten ſeines Heeres demſelben aufwarten und ſich ihm in Demuth unterwerfen. Kaplan Gjiraj wird uͤber die- ſer 2 A 3

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/275>, abgerufen am 22.11.2024.