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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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8. Bajeßid der II
nerhalb acht Jahre zu Stande gebracht wurden. Im Jahre 905 that derselbeH. 905.


J. C. 1499.

mit einer großen Anzahl Truppen einen Zug nach Griechenland, und eroberte
gleich in dem ersten Angriffe Ajnebächt: im Sommer darauf aber, am vierten
Tage des Monats Muhärrem, bemächtigte er sich der Stadt Mothone durch
Sturm, und Koroni bekam er durch Uebergabe. Im Jahre 907 belagertenH. 907.


J. C. 1501.

die Ifrendschen Mitilin 39 mit einer großen Flote; als aber funfzig Galeen zum
Entsatze der Belagerten ankamen: so segelten sie wieder davon. Um eben die-
selbe Zeit gab Bajeßid, nachdem er mit allen seinen Nachbarn 40 Friede gemacht
hatte, Befehl, daß seine Soldaten, die durch so viele Feldzüge abgemattet wa-
ren, ausruhen und die bisherigen Mühseligkeiten des Krieges mit den Ergetzlich-
keiten des Stadtlebens vertauschen sollten.

22.

Allein, wie gefährlich Ruhe und Friede diesem Reiche sey: das istSchejtan Kuli
stecket die Perser
mit seiner Ketze-
rey an.

aus den um diese Zeit vorgefallenen Begebenheiten in Asien offenbar zu erken-
nen. Schejtan Kuli 41, ein Zauberer und Mann voll Teufelskünste, der sich
einige Zeit nicht weit von der Stadt Begj Baßar versteckt gehalten hatte, und
[Spaltenumbruch]

unter den Muhämmedischen. Die Türken
geben ihm daher diesen Namen, weil sie glau-
ben, daß er ein Zauberer und Beschwerer ge-
wesen sey. Die Perser im Gegentheile be-
haupten, er sey ein sehr gelehrter Mann und
mit dem Geiste Gottes erfüllet gewesen, und
habe nicht allein den Kuron verbessert, son-
dern auch seine Lehre mit Wundern bestätiget,
dadurch er sich bey ihnen den Namen Sofi
oder Sophus (das ist, der Weise) erworben
hat. Eben eine solche Verschiedenheit findet
sich in der Geschichte von der Ausbreitung
seiner Lehre, wie sie die Perser und die Türken
erzählen. Denn die Perser sagen: als Sofi
von Bajeßid aus dem osmanischen Gebiete
verjaget worden; so habe er sich zu dem Kö-
nige in Persien, Ismäil, begeben, und da-
selbst während der Zeit, da er das Amt eines
Lehrers bey seinen Kindern verwaltet und die-
selben sonderlich in der Mathematik unterrich-
tet, die Verbesserung und echte Auslegung
des Kurons zu Stande gebracht, und den
König nebst den Vornehmsten des Hofes zu
[Spaltenumbruch]
seiner Meinung gezogen. Weil er aber das
gemeine Volk weder durch Predigen noch Er-
mahnen gewinnen können: so habe er einen
Befehl von dem Könige ausgewirket, daß
derjenige, der sich seiner Lehre widersetzen
würde, wenn er reich sey, seines Vermögens
und seiner Ehre; wenn er sich aber in schlech-
teren Umständen befinde, seines Lebens ver-
lustig seyn sollte. Persien, erzählen dieselben
weiter, wurde durch diesen Befehl in Unruhe
und Schrecken gesetzet, und man sahe seine
Einwohner haufenweise in die benachbarten
Königreiche laufen, mit Hinterlassung ihrer
Habe und Güter: eben wie in dem verwiche-
nen Jahrhunderte die Hugenoten aus Frank-
reich flohen. Der König wurde über das
Fliehen seiner Unterthanen bestürzt; er ließ
daher Sofi zu sich kommen, und sagte zu
demselben: er für sich selbst sey zwar von der
Wahrheit seiner Lehre überführet; könne aber
doch nicht geschehen lassen, daß sein Reich
deswegen seiner Einwohner beraubet werde.
Sofi gab darauf zur Antwort: in dieser Noth,

itzo
2 B 3

8. Bajeßid der II
nerhalb acht Jahre zu Stande gebracht wurden. Im Jahre 905 that derſelbeH. 905.


J. C. 1499.

mit einer großen Anzahl Truppen einen Zug nach Griechenland, und eroberte
gleich in dem erſten Angriffe Ajnebaͤcht: im Sommer darauf aber, am vierten
Tage des Monats Muhaͤrrem, bemaͤchtigte er ſich der Stadt Mothone durch
Sturm, und Koroni bekam er durch Uebergabe. Im Jahre 907 belagertenH. 907.


J. C. 1501.

die Ifrendſchen Mitilin 39 mit einer großen Flote; als aber funfzig Galeen zum
Entſatze der Belagerten ankamen: ſo ſegelten ſie wieder davon. Um eben die-
ſelbe Zeit gab Bajeßid, nachdem er mit allen ſeinen Nachbarn 40 Friede gemacht
hatte, Befehl, daß ſeine Soldaten, die durch ſo viele Feldzuͤge abgemattet wa-
ren, ausruhen und die bisherigen Muͤhſeligkeiten des Krieges mit den Ergetzlich-
keiten des Stadtlebens vertauſchen ſollten.

22.

Allein, wie gefaͤhrlich Ruhe und Friede dieſem Reiche ſey: das iſtSchejtan Kuli
ſtecket die Perſer
mit ſeiner Ketze-
rey an.

aus den um dieſe Zeit vorgefallenen Begebenheiten in Aſien offenbar zu erken-
nen. Schejtan Kuli 41, ein Zauberer und Mann voll Teufelskuͤnſte, der ſich
einige Zeit nicht weit von der Stadt Begj Baßar verſteckt gehalten hatte, und
[Spaltenumbruch]

unter den Muhaͤmmediſchen. Die Tuͤrken
geben ihm daher dieſen Namen, weil ſie glau-
ben, daß er ein Zauberer und Beſchwerer ge-
weſen ſey. Die Perſer im Gegentheile be-
haupten, er ſey ein ſehr gelehrter Mann und
mit dem Geiſte Gottes erfuͤllet geweſen, und
habe nicht allein den Kuron verbeſſert, ſon-
dern auch ſeine Lehre mit Wundern beſtaͤtiget,
dadurch er ſich bey ihnen den Namen Sofi
oder Sophus (das iſt, der Weiſe) erworben
hat. Eben eine ſolche Verſchiedenheit findet
ſich in der Geſchichte von der Ausbreitung
ſeiner Lehre, wie ſie die Perſer und die Tuͤrken
erzaͤhlen. Denn die Perſer ſagen: als Sofi
von Bajeßid aus dem osmaniſchen Gebiete
verjaget worden; ſo habe er ſich zu dem Koͤ-
nige in Perſien, Ismaͤil, begeben, und da-
ſelbſt waͤhrend der Zeit, da er das Amt eines
Lehrers bey ſeinen Kindern verwaltet und die-
ſelben ſonderlich in der Mathematik unterrich-
tet, die Verbeſſerung und echte Auslegung
des Kurons zu Stande gebracht, und den
Koͤnig nebſt den Vornehmſten des Hofes zu
[Spaltenumbruch]
ſeiner Meinung gezogen. Weil er aber das
gemeine Volk weder durch Predigen noch Er-
mahnen gewinnen koͤnnen: ſo habe er einen
Befehl von dem Koͤnige ausgewirket, daß
derjenige, der ſich ſeiner Lehre widerſetzen
wuͤrde, wenn er reich ſey, ſeines Vermoͤgens
und ſeiner Ehre; wenn er ſich aber in ſchlech-
teren Umſtaͤnden befinde, ſeines Lebens ver-
luſtig ſeyn ſollte. Perſien, erzaͤhlen dieſelben
weiter, wurde durch dieſen Befehl in Unruhe
und Schrecken geſetzet, und man ſahe ſeine
Einwohner haufenweiſe in die benachbarten
Koͤnigreiche laufen, mit Hinterlaſſung ihrer
Habe und Guͤter: eben wie in dem verwiche-
nen Jahrhunderte die Hugenoten aus Frank-
reich flohen. Der Koͤnig wurde uͤber das
Fliehen ſeiner Unterthanen beſtuͤrzt; er ließ
daher Sofi zu ſich kommen, und ſagte zu
demſelben: er fuͤr ſich ſelbſt ſey zwar von der
Wahrheit ſeiner Lehre uͤberfuͤhret; koͤnne aber
doch nicht geſchehen laſſen, daß ſein Reich
deswegen ſeiner Einwohner beraubet werde.
Sofi gab darauf zur Antwort: in dieſer Noth,

itzo
2 B 3
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[197/0283] 8. Bajeßid der II nerhalb acht Jahre zu Stande gebracht wurden. Im Jahre 905 that derſelbe mit einer großen Anzahl Truppen einen Zug nach Griechenland, und eroberte gleich in dem erſten Angriffe Ajnebaͤcht: im Sommer darauf aber, am vierten Tage des Monats Muhaͤrrem, bemaͤchtigte er ſich der Stadt Mothone durch Sturm, und Koroni bekam er durch Uebergabe. Im Jahre 907 belagerten die Ifrendſchen Mitilin ³⁹ mit einer großen Flote; als aber funfzig Galeen zum Entſatze der Belagerten ankamen: ſo ſegelten ſie wieder davon. Um eben die- ſelbe Zeit gab Bajeßid, nachdem er mit allen ſeinen Nachbarn ⁴⁰ Friede gemacht hatte, Befehl, daß ſeine Soldaten, die durch ſo viele Feldzuͤge abgemattet wa- ren, ausruhen und die bisherigen Muͤhſeligkeiten des Krieges mit den Ergetzlich- keiten des Stadtlebens vertauſchen ſollten. H. 905. J. C. 1499. H. 907. J. C. 1501. 22. Allein, wie gefaͤhrlich Ruhe und Friede dieſem Reiche ſey: das iſt aus den um dieſe Zeit vorgefallenen Begebenheiten in Aſien offenbar zu erken- nen. Schejtan Kuli ⁴¹ , ein Zauberer und Mann voll Teufelskuͤnſte, der ſich einige Zeit nicht weit von der Stadt Begj Baßar verſteckt gehalten hatte, und itzo unter den Muhaͤmmediſchen. Die Tuͤrken geben ihm daher dieſen Namen, weil ſie glau- ben, daß er ein Zauberer und Beſchwerer ge- weſen ſey. Die Perſer im Gegentheile be- haupten, er ſey ein ſehr gelehrter Mann und mit dem Geiſte Gottes erfuͤllet geweſen, und habe nicht allein den Kuron verbeſſert, ſon- dern auch ſeine Lehre mit Wundern beſtaͤtiget, dadurch er ſich bey ihnen den Namen Sofi oder Sophus (das iſt, der Weiſe) erworben hat. Eben eine ſolche Verſchiedenheit findet ſich in der Geſchichte von der Ausbreitung ſeiner Lehre, wie ſie die Perſer und die Tuͤrken erzaͤhlen. Denn die Perſer ſagen: als Sofi von Bajeßid aus dem osmaniſchen Gebiete verjaget worden; ſo habe er ſich zu dem Koͤ- nige in Perſien, Ismaͤil, begeben, und da- ſelbſt waͤhrend der Zeit, da er das Amt eines Lehrers bey ſeinen Kindern verwaltet und die- ſelben ſonderlich in der Mathematik unterrich- tet, die Verbeſſerung und echte Auslegung des Kurons zu Stande gebracht, und den Koͤnig nebſt den Vornehmſten des Hofes zu ſeiner Meinung gezogen. Weil er aber das gemeine Volk weder durch Predigen noch Er- mahnen gewinnen koͤnnen: ſo habe er einen Befehl von dem Koͤnige ausgewirket, daß derjenige, der ſich ſeiner Lehre widerſetzen wuͤrde, wenn er reich ſey, ſeines Vermoͤgens und ſeiner Ehre; wenn er ſich aber in ſchlech- teren Umſtaͤnden befinde, ſeines Lebens ver- luſtig ſeyn ſollte. Perſien, erzaͤhlen dieſelben weiter, wurde durch dieſen Befehl in Unruhe und Schrecken geſetzet, und man ſahe ſeine Einwohner haufenweiſe in die benachbarten Koͤnigreiche laufen, mit Hinterlaſſung ihrer Habe und Guͤter: eben wie in dem verwiche- nen Jahrhunderte die Hugenoten aus Frank- reich flohen. Der Koͤnig wurde uͤber das Fliehen ſeiner Unterthanen beſtuͤrzt; er ließ daher Sofi zu ſich kommen, und ſagte zu demſelben: er fuͤr ſich ſelbſt ſey zwar von der Wahrheit ſeiner Lehre uͤberfuͤhret; koͤnne aber doch nicht geſchehen laſſen, daß ſein Reich deswegen ſeiner Einwohner beraubet werde. Sofi gab darauf zur Antwort: in dieſer Noth, da Schejtan Kuli ſtecket die Perſer mit ſeiner Ketze- rey an. 2 B 3

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/283>, abgerufen am 22.11.2024.