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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
Gefangenen, welche wegen ihrer Geburt oder Wissenschaft vor den übrigen ei-
nen Ruhm hatten.

Nimmt einige
Städte ein, nebst
dem GebieteOlajdewlets.
9.

Selim hatte in diesem Jahre aus der Erfahrung gelernet, daß man
in diesen kalten und gebirgigen Ländern, damit das persische Gebiet umgeben
war, nichts ausrichten könne, wenn man nicht frühzeitig zu Felde ginge. Da-
H. 921.



J. C. 1515.her führete er sein Kriegesheer im Jahre 921, gleich im Anfange des Frühlings,
aus Amasia, und nahm in der Geschwindigkeit Gjümah und Bajburud den
Persern weg, die der Türken noch nicht so früh gewärtig waren. Weil er
keinen Widerstand fand: so hielte er es für eine unnütze Sache, ein so großes
Heer bey einem so geringen Orte zu gebrauchen, und sendete daher einen Theil
seiner Truppen unter Ferhad Pascha gegen Olajdewlet, Ssülkadirs* Sohn,
als der in dem Verdachte stund, daß er den Persern günstig wäre. Ferhad
überraschte diesen Fürsten unversehens, zerstreuete seine Völker, und hieb ihm
den Kopf ab. Selim gab daher dessen Länder Ali Begj 15, Schah Süwars2*
Sohne, der ihm an seinem Hofe treue Dienste geleistet hatte, unter der Bedin-
gung, daß sein Name in dem öffentlichen Gebete sollte erwähnet werden. Sol-
chergestalt kehrete Selim eben so großmüthig als siegreich gegen das Ende des
Jahres nach Constantinopel zurück.

[Spaltenumbruch]
Efendi, obersten Reichsschatzmeister, und La-
tif Tschelebi, dessen Chäßinedar*. Auf ihr
Begehren verfertigte ich ein kleines Buch
von der Musikkunst in türkischer Sprache, und
schrieb dasselbe dem damaligen Kaiser Aehmed
dem II zu: und die darinnen gegebene An-
weisung wird, so viel ich vernehme, bis auf
den heutigen Tag von allen Liebhabern der
Musik daselbst beobachtet. Dem europäi-
schen Leser wird es vielleicht seltsam vorkom-
men, wann er siehet, daß ich ein Volk wegen
Uebung einer so edlen Kunst lobe, das von
der ganzen Christenheit für barbarisch gehal-
ten wird. Wahr ist es, daß es in der Kind-
heit des osmanischen Reiches so gewesen ist,
da die Sultane gänzlich damit beschäfftiget
waren, die Grenzen ihrer Herrschaft auszu-
breiten. Allein in den nachfolgenden Zei-
[Spaltenumbruch]
ten, da die Aufhörung der Kriege gestattete,
daß man sich auf die Künste des Friedens
legte, haben sie sich von ihrer vorigen Wild-
heit so sehr entfernet und sind so wohl gesit-
tet geworden, daß heutiges Tages kaum eini-
ge Spuren von ihrer alten Barbarey mehr an
ihnen zu merken sind. Ich kann mit Grunde
der Wahrheit sagen, daß die türkische Musik
zum Silbenmaß und Abtheilung der Worte
vollkommener geschickt ist, als einige europäi-
sche: dabey aber ist sie so schwer zu verstehen,
daß in der weitläuftigen Stadt Constantino-
pel, da der zahlreichste Hof in der Welt sei-
nen Sitz hat, unter so vielen Verständigen
und Liebhabern der Musik, man kaum über
drey bis vier antreffen wird, die die Grund-
sätze dieser Kunst vollkommen inne haben.
Die Seltenheit vollkommener Musikverstän-
10. Im
* Ssülkadir, mächtig.
2* Süwar, ein Reiter, Ritter.
* insgemein Haßnadar, Unterschatzmeister.

Osmaniſche Geſchichte
Gefangenen, welche wegen ihrer Geburt oder Wiſſenſchaft vor den uͤbrigen ei-
nen Ruhm hatten.

Nimmt einige
Staͤdte ein, nebſt
dem GebieteOlajdewlets.
9.

Selim hatte in dieſem Jahre aus der Erfahrung gelernet, daß man
in dieſen kalten und gebirgigen Laͤndern, damit das perſiſche Gebiet umgeben
war, nichts ausrichten koͤnne, wenn man nicht fruͤhzeitig zu Felde ginge. Da-
H. 921.



J. C. 1515.her fuͤhrete er ſein Kriegesheer im Jahre 921, gleich im Anfange des Fruͤhlings,
aus Amaſia, und nahm in der Geſchwindigkeit Gjuͤmah und Bajburud den
Perſern weg, die der Tuͤrken noch nicht ſo fruͤh gewaͤrtig waren. Weil er
keinen Widerſtand fand: ſo hielte er es fuͤr eine unnuͤtze Sache, ein ſo großes
Heer bey einem ſo geringen Orte zu gebrauchen, und ſendete daher einen Theil
ſeiner Truppen unter Ferhad Paſcha gegen Olajdewlet, Sſuͤlkadirs* Sohn,
als der in dem Verdachte ſtund, daß er den Perſern guͤnſtig waͤre. Ferhad
uͤberraſchte dieſen Fuͤrſten unverſehens, zerſtreuete ſeine Voͤlker, und hieb ihm
den Kopf ab. Selim gab daher deſſen Laͤnder Ali Begj 15, Schah Suͤwars2*
Sohne, der ihm an ſeinem Hofe treue Dienſte geleiſtet hatte, unter der Bedin-
gung, daß ſein Name in dem oͤffentlichen Gebete ſollte erwaͤhnet werden. Sol-
chergeſtalt kehrete Selim eben ſo großmuͤthig als ſiegreich gegen das Ende des
Jahres nach Conſtantinopel zuruͤck.

[Spaltenumbruch]
Efendi, oberſten Reichsſchatzmeiſter, und La-
tif Tſchelebi, deſſen Chaͤßinedar*. Auf ihr
Begehren verfertigte ich ein kleines Buch
von der Muſikkunſt in tuͤrkiſcher Sprache, und
ſchrieb daſſelbe dem damaligen Kaiſer Aehmed
dem II zu: und die darinnen gegebene An-
weiſung wird, ſo viel ich vernehme, bis auf
den heutigen Tag von allen Liebhabern der
Muſik daſelbſt beobachtet. Dem europaͤi-
ſchen Leſer wird es vielleicht ſeltſam vorkom-
men, wann er ſiehet, daß ich ein Volk wegen
Uebung einer ſo edlen Kunſt lobe, das von
der ganzen Chriſtenheit fuͤr barbariſch gehal-
ten wird. Wahr iſt es, daß es in der Kind-
heit des osmaniſchen Reiches ſo geweſen iſt,
da die Sultane gaͤnzlich damit beſchaͤfftiget
waren, die Grenzen ihrer Herrſchaft auszu-
breiten. Allein in den nachfolgenden Zei-
[Spaltenumbruch]
ten, da die Aufhoͤrung der Kriege geſtattete,
daß man ſich auf die Kuͤnſte des Friedens
legte, haben ſie ſich von ihrer vorigen Wild-
heit ſo ſehr entfernet und ſind ſo wohl geſit-
tet geworden, daß heutiges Tages kaum eini-
ge Spuren von ihrer alten Barbarey mehr an
ihnen zu merken ſind. Ich kann mit Grunde
der Wahrheit ſagen, daß die tuͤrkiſche Muſik
zum Silbenmaß und Abtheilung der Worte
vollkommener geſchickt iſt, als einige europaͤi-
ſche: dabey aber iſt ſie ſo ſchwer zu verſtehen,
daß in der weitlaͤuftigen Stadt Conſtantino-
pel, da der zahlreichſte Hof in der Welt ſei-
nen Sitz hat, unter ſo vielen Verſtaͤndigen
und Liebhabern der Muſik, man kaum uͤber
drey bis vier antreffen wird, die die Grund-
ſaͤtze dieſer Kunſt vollkommen inne haben.
Die Seltenheit vollkommener Muſikverſtaͤn-
10. Im
* Sſuͤlkadir, maͤchtig.
2* Suͤwar, ein Reiter, Ritter.
* insgemein Haßnadar, Unterſchatzmeiſter.
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[226/0314] Osmaniſche Geſchichte Gefangenen, welche wegen ihrer Geburt oder Wiſſenſchaft vor den uͤbrigen ei- nen Ruhm hatten. 9. Selim hatte in dieſem Jahre aus der Erfahrung gelernet, daß man in dieſen kalten und gebirgigen Laͤndern, damit das perſiſche Gebiet umgeben war, nichts ausrichten koͤnne, wenn man nicht fruͤhzeitig zu Felde ginge. Da- her fuͤhrete er ſein Kriegesheer im Jahre 921, gleich im Anfange des Fruͤhlings, aus Amaſia, und nahm in der Geſchwindigkeit Gjuͤmah und Bajburud den Perſern weg, die der Tuͤrken noch nicht ſo fruͤh gewaͤrtig waren. Weil er keinen Widerſtand fand: ſo hielte er es fuͤr eine unnuͤtze Sache, ein ſo großes Heer bey einem ſo geringen Orte zu gebrauchen, und ſendete daher einen Theil ſeiner Truppen unter Ferhad Paſcha gegen Olajdewlet, Sſuͤlkadirs * Sohn, als der in dem Verdachte ſtund, daß er den Perſern guͤnſtig waͤre. Ferhad uͤberraſchte dieſen Fuͤrſten unverſehens, zerſtreuete ſeine Voͤlker, und hieb ihm den Kopf ab. Selim gab daher deſſen Laͤnder Ali Begj ¹⁵ , Schah Suͤwars 2* Sohne, der ihm an ſeinem Hofe treue Dienſte geleiſtet hatte, unter der Bedin- gung, daß ſein Name in dem oͤffentlichen Gebete ſollte erwaͤhnet werden. Sol- chergeſtalt kehrete Selim eben ſo großmuͤthig als ſiegreich gegen das Ende des Jahres nach Conſtantinopel zuruͤck. H. 921. J. C. 1515. 10. Im Efendi, oberſten Reichsſchatzmeiſter, und La- tif Tſchelebi, deſſen Chaͤßinedar *. Auf ihr Begehren verfertigte ich ein kleines Buch von der Muſikkunſt in tuͤrkiſcher Sprache, und ſchrieb daſſelbe dem damaligen Kaiſer Aehmed dem II zu: und die darinnen gegebene An- weiſung wird, ſo viel ich vernehme, bis auf den heutigen Tag von allen Liebhabern der Muſik daſelbſt beobachtet. Dem europaͤi- ſchen Leſer wird es vielleicht ſeltſam vorkom- men, wann er ſiehet, daß ich ein Volk wegen Uebung einer ſo edlen Kunſt lobe, das von der ganzen Chriſtenheit fuͤr barbariſch gehal- ten wird. Wahr iſt es, daß es in der Kind- heit des osmaniſchen Reiches ſo geweſen iſt, da die Sultane gaͤnzlich damit beſchaͤfftiget waren, die Grenzen ihrer Herrſchaft auszu- breiten. Allein in den nachfolgenden Zei- ten, da die Aufhoͤrung der Kriege geſtattete, daß man ſich auf die Kuͤnſte des Friedens legte, haben ſie ſich von ihrer vorigen Wild- heit ſo ſehr entfernet und ſind ſo wohl geſit- tet geworden, daß heutiges Tages kaum eini- ge Spuren von ihrer alten Barbarey mehr an ihnen zu merken ſind. Ich kann mit Grunde der Wahrheit ſagen, daß die tuͤrkiſche Muſik zum Silbenmaß und Abtheilung der Worte vollkommener geſchickt iſt, als einige europaͤi- ſche: dabey aber iſt ſie ſo ſchwer zu verſtehen, daß in der weitlaͤuftigen Stadt Conſtantino- pel, da der zahlreichſte Hof in der Welt ſei- nen Sitz hat, unter ſo vielen Verſtaͤndigen und Liebhabern der Muſik, man kaum uͤber drey bis vier antreffen wird, die die Grund- ſaͤtze dieſer Kunſt vollkommen inne haben. Die Seltenheit vollkommener Muſikverſtaͤn- digen * Sſuͤlkadir, maͤchtig. 2* Suͤwar, ein Reiter, Ritter. * insgemein Haßnadar, Unterſchatzmeiſter.

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/314>, abgerufen am 22.11.2024.