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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
Stadt aus, und lagert sich an dem bestimmten Orte. Sobald die Bürger
glauben, daß ihr Kerkermeister so weit entfernet sey, daß er den wenigen Sol-
daten, die er zurück gelassen hatte, nicht mehr zu Hülfe kommen könne: so
sperren sie die Thore zu, und hauen die Besatzung darnieder. Hierauf fertigen
sie ein Schreiben an Selim ab, berichten ihm darinnen, was vorgegangen sey,
und erbieten sich, ihm die Stadt zu übergeben, mit Bitte, daß er ihren Lands-
mann, Mehemmed Begj, Bijiklü Oglis 19 Sohn, der sich damals an Selims
Hofe aufhielt, zum Fürsten über sie setzen möchte.

Dieser hält sie
anfangs für ver-dächtig:
11.

Dieser Antrag war Selim sehr angenehm. Weil ihm aber die
Tücke dieses Volks bekannt waren: so argwohnete er, es möchte ein Betrug
dahinter stecken. Auf diesen Fuß wollte er ihrer lieber entbehren, als seine
Truppen durch allzugroße Leichtglaubigkeit auf die Spitze setzen, und schob daher
die Antwort ein ganzes Jahr auf. Mittlerweile fielen tägliche und hitzige
Scharmützel zwischen Karachan und den Bürgern vor. Als sie nun dadurch
ziemlich abgemattet waren: so erhielte Tschemsid Begj, ein reicher Edelmann
des Landes, der über drey hundert Dörfer besaß, nach vielen an Selim abge-
schickten Botschaften, endlich bey demselben das nöthige Vertrauen gegen seine
Landesleute, und erlangte dasjenige, was man begehrete.

[Spaltenumbruch]
Aehmed Pascha Lalam sen sin kji: das ist; mein
Lala, du, der du Aehmed Pascha bist. So
auch: Sen sin kji Kirim Chani olan Kaplan
Gjiraj; das ist: Du, der du bist der Chan in
Krim, Kaplan Gjiraj, u. s. w.
19 Bijiklü Ogli] Aus dem Geschlechte
eines gewissen Fürsten der Kjürden. Der
Name Bijiklü wird denen beygeleget, die ei-
nen stark herausstehenden Knebelbart haben.
20 Malikjane] Dieses Wort heißet, sei-
ner eigentlichen Bedeutung nach, eigenthüm-
lich, und diesen Namen führen alle diejenigen
Länder, die nicht Wukuf*, das ist, einem
Dschami gewidmet sind. Diese Art Länder
zu besitzen war bereits eine geraume Zeit lang
[Spaltenumbruch]
abgekommen gewesen. Als aber vor unge-
fähr funfzehen Jahren die Einkünfte der er-
schöpften Schatzkammer mußten vermehret
werden: so befahl der damals regierende
Sultan Mustäfa der II, daß die alten Lehen
Malikjane unter gewissen Bedingungen wie-
der erneuert werden sollten. Jedoch giebt
es auch einige freye Länder oder Stücke, die
im Monate März einen jährlichen Tribut,
Mukatäät genennet, zu bezahlen pflegen.
Dieser Tribut wurde unter dem Namen eines
Eigenthums, auf dem Marktplatze Meßad2*
genennet, öffentlich verkauft, so daß der
Meistbietende das Gut Lebenslang zu genie-
ßen hatte; nach seinem Tode aber fiel es der
Kammer wieder heim. Dabey war noch
zum Vortheile der Söhne dieser Käufer die
12. Nach-
* in der einfachen Zahl, Wäkf.
2* auf deutsch, der Verkauf durch öffentlichen Ausruf.

Osmaniſche Geſchichte
Stadt aus, und lagert ſich an dem beſtimmten Orte. Sobald die Buͤrger
glauben, daß ihr Kerkermeiſter ſo weit entfernet ſey, daß er den wenigen Sol-
daten, die er zuruͤck gelaſſen hatte, nicht mehr zu Huͤlfe kommen koͤnne: ſo
ſperren ſie die Thore zu, und hauen die Beſatzung darnieder. Hierauf fertigen
ſie ein Schreiben an Selim ab, berichten ihm darinnen, was vorgegangen ſey,
und erbieten ſich, ihm die Stadt zu uͤbergeben, mit Bitte, daß er ihren Lands-
mann, Mehemmed Begj, Bijikluͤ Oglis 19 Sohn, der ſich damals an Selims
Hofe aufhielt, zum Fuͤrſten uͤber ſie ſetzen moͤchte.

Dieſer haͤlt ſie
anfangs fuͤr ver-daͤchtig:
11.

Dieſer Antrag war Selim ſehr angenehm. Weil ihm aber die
Tuͤcke dieſes Volks bekannt waren: ſo argwohnete er, es moͤchte ein Betrug
dahinter ſtecken. Auf dieſen Fuß wollte er ihrer lieber entbehren, als ſeine
Truppen durch allzugroße Leichtglaubigkeit auf die Spitze ſetzen, und ſchob daher
die Antwort ein ganzes Jahr auf. Mittlerweile fielen taͤgliche und hitzige
Scharmuͤtzel zwiſchen Karachan und den Buͤrgern vor. Als ſie nun dadurch
ziemlich abgemattet waren: ſo erhielte Tſchemſid Begj, ein reicher Edelmann
des Landes, der uͤber drey hundert Doͤrfer beſaß, nach vielen an Selim abge-
ſchickten Botſchaften, endlich bey demſelben das noͤthige Vertrauen gegen ſeine
Landesleute, und erlangte dasjenige, was man begehrete.

[Spaltenumbruch]
Aehmed Paſcha Lalam ſen ſin kji: das iſt; mein
Lala, du, der du Aehmed Paſcha biſt. So
auch: Sen ſin kji Kirim Chani olan Kaplan
Gjiraj; das iſt: Du, der du biſt der Chan in
Krim, Kaplan Gjiraj, u. ſ. w.
19 Bijikluͤ Ogli] Aus dem Geſchlechte
eines gewiſſen Fuͤrſten der Kjuͤrden. Der
Name Bijikluͤ wird denen beygeleget, die ei-
nen ſtark herausſtehenden Knebelbart haben.
20 Malikjane] Dieſes Wort heißet, ſei-
ner eigentlichen Bedeutung nach, eigenthuͤm-
lich, und dieſen Namen fuͤhren alle diejenigen
Laͤnder, die nicht Wukuf*, das iſt, einem
Dſchami gewidmet ſind. Dieſe Art Laͤnder
zu beſitzen war bereits eine geraume Zeit lang
[Spaltenumbruch]
abgekommen geweſen. Als aber vor unge-
faͤhr funfzehen Jahren die Einkuͤnfte der er-
ſchoͤpften Schatzkammer mußten vermehret
werden: ſo befahl der damals regierende
Sultan Muſtaͤfa der II, daß die alten Lehen
Malikjane unter gewiſſen Bedingungen wie-
der erneuert werden ſollten. Jedoch giebt
es auch einige freye Laͤnder oder Stuͤcke, die
im Monate Maͤrz einen jaͤhrlichen Tribut,
Mukataͤaͤt genennet, zu bezahlen pflegen.
Dieſer Tribut wurde unter dem Namen eines
Eigenthums, auf dem Marktplatze Meßad2*
genennet, oͤffentlich verkauft, ſo daß der
Meiſtbietende das Gut Lebenslang zu genie-
ßen hatte; nach ſeinem Tode aber fiel es der
Kammer wieder heim. Dabey war noch
zum Vortheile der Soͤhne dieſer Kaͤufer die
12. Nach-
* in der einfachen Zahl, Waͤkf.
2* auf deutſch, der Verkauf durch oͤffentlichen Ausruf.
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[228/0316] Osmaniſche Geſchichte Stadt aus, und lagert ſich an dem beſtimmten Orte. Sobald die Buͤrger glauben, daß ihr Kerkermeiſter ſo weit entfernet ſey, daß er den wenigen Sol- daten, die er zuruͤck gelaſſen hatte, nicht mehr zu Huͤlfe kommen koͤnne: ſo ſperren ſie die Thore zu, und hauen die Beſatzung darnieder. Hierauf fertigen ſie ein Schreiben an Selim ab, berichten ihm darinnen, was vorgegangen ſey, und erbieten ſich, ihm die Stadt zu uͤbergeben, mit Bitte, daß er ihren Lands- mann, Mehemmed Begj, Bijikluͤ Oglis ¹⁹ Sohn, der ſich damals an Selims Hofe aufhielt, zum Fuͤrſten uͤber ſie ſetzen moͤchte. 11. Dieſer Antrag war Selim ſehr angenehm. Weil ihm aber die Tuͤcke dieſes Volks bekannt waren: ſo argwohnete er, es moͤchte ein Betrug dahinter ſtecken. Auf dieſen Fuß wollte er ihrer lieber entbehren, als ſeine Truppen durch allzugroße Leichtglaubigkeit auf die Spitze ſetzen, und ſchob daher die Antwort ein ganzes Jahr auf. Mittlerweile fielen taͤgliche und hitzige Scharmuͤtzel zwiſchen Karachan und den Buͤrgern vor. Als ſie nun dadurch ziemlich abgemattet waren: ſo erhielte Tſchemſid Begj, ein reicher Edelmann des Landes, der uͤber drey hundert Doͤrfer beſaß, nach vielen an Selim abge- ſchickten Botſchaften, endlich bey demſelben das noͤthige Vertrauen gegen ſeine Landesleute, und erlangte dasjenige, was man begehrete. 12. Nach- Aehmed Paſcha Lalam ſen ſin kji: das iſt; mein Lala, du, der du Aehmed Paſcha biſt. So auch: Sen ſin kji Kirim Chani olan Kaplan Gjiraj; das iſt: Du, der du biſt der Chan in Krim, Kaplan Gjiraj, u. ſ. w. ¹⁹ Bijikluͤ Ogli] Aus dem Geſchlechte eines gewiſſen Fuͤrſten der Kjuͤrden. Der Name Bijikluͤ wird denen beygeleget, die ei- nen ſtark herausſtehenden Knebelbart haben. ²⁰ Malikjane] Dieſes Wort heißet, ſei- ner eigentlichen Bedeutung nach, eigenthuͤm- lich, und dieſen Namen fuͤhren alle diejenigen Laͤnder, die nicht Wukuf *, das iſt, einem Dſchami gewidmet ſind. Dieſe Art Laͤnder zu beſitzen war bereits eine geraume Zeit lang abgekommen geweſen. Als aber vor unge- faͤhr funfzehen Jahren die Einkuͤnfte der er- ſchoͤpften Schatzkammer mußten vermehret werden: ſo befahl der damals regierende Sultan Muſtaͤfa der II, daß die alten Lehen Malikjane unter gewiſſen Bedingungen wie- der erneuert werden ſollten. Jedoch giebt es auch einige freye Laͤnder oder Stuͤcke, die im Monate Maͤrz einen jaͤhrlichen Tribut, Mukataͤaͤt genennet, zu bezahlen pflegen. Dieſer Tribut wurde unter dem Namen eines Eigenthums, auf dem Marktplatze Meßad 2* genennet, oͤffentlich verkauft, ſo daß der Meiſtbietende das Gut Lebenslang zu genie- ßen hatte; nach ſeinem Tode aber fiel es der Kammer wieder heim. Dabey war noch zum Vortheile der Soͤhne dieſer Kaͤufer die Verguͤn- * in der einfachen Zahl, Waͤkf. 2* auf deutſch, der Verkauf durch oͤffentlichen Ausruf.

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/316>, abgerufen am 22.11.2024.