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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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9. Selim der I
Gott alle die Siege zu, die nachher in diesem so weitläufigen und mächtigen
Reiche sind erfochten worden.

[Spaltenumbruch]
der IIII, der Babylon eroberte, und dem
Trunke ergeben war, die Wände seines Schlaf-
zimmers in dem Palaste mit Gemälden aus-
zieren: aber auch diese wurden von seinen
Nachfolgern ausgelöschet. Es ist nur ein
einziges Haus an dem constantinopelischen
Kanale, nicht weit von dem Dorfe Bejkoßi
gelegen, darinnen noch einige Gemälde übrig
sind, die auf Befehl dieses Kaisers verfertiget
worden. Sie stellen Personen vor, welche
jagen und nach Wölfen und Hirschen schießen,
imgleichen essen und trinken, und dergleichen.
Allein, die Türken sind der festen Meinung,
daß die Engel in kein Haus kommen könnten,
darinnen sich Hunde oder Ebenbilder von Men-
schen befänden. Daher werden von ihnen
keine Gemälde von Angesichtern aufbehalten,
außer der Kaiser ihre, deren Ebenbilder man
von langen Zeiten her in dem Büchersale
des Sultans bewahret, daraus ich dieselben
nach Anwendung nicht geringer Geschenke,
durch Hülfe meiner guten Freunde am Hofe,
bekommen, und durch des Sultans Musäw-
wir oder obersten Hofmaler, Lewni Tschelebi,
Abbildungen davon habe nehmen lassen, die
ich noch wirklich besitze und bey mir habe*.
Indem ich dieses schreibe: so fällt mir eine
Unterredung ein, die ich einsmals mit einem
gelehrten Türken von den Gemälden hatte.
Er rückte uns vor, daß wir noch bis auf den
heutigen Tag Götzen, Bilder und Gemälde,
als Werke von Menschenhänden gemacht,
anbeteten. Als ich ihm sagte, in Ansehung
des Bilderdienstes sey zwischen einem Müsül-
man und einem Christen kein Unterschied:
[Spaltenumbruch]
so wunderte er sich darüber, und bezeugete sei-
nen Abscheu gegen den Bilderdienst. Ich ver-
setzte darauf: ich wollte meinen Satz bewei-
sen, wenn er mich anhören wollte. "Be-
"schreibet ihr nicht," sagte ich, "auf
"euren Tafeln mit göldenen Buchstaben das
"äußerliche Ansehen und die Gestalt eures
"Propheten? Malet ihr nicht seine Hände
"und Füße mit lebendigen Farben, nebst
"der Rose, die, eurer Sage nach, aus Mu-
"hämmeds Schweiße entsprungen seyn soll,
"als derselbe auf die Erde gefallen? Schrei-
"bet ihr nicht die Namen der Aeshab (das
"ist, der vier Nachfolger Muhämmeds) auf
"hölzene oder göldene Tafeln, und hänget
"sie in euren Dschami und Häusern, gegen
"die Kible zu (das ist, die Gegend nach
"Mekka zu, zwischen Osten und Süden),
"an den Wänden auf? Und wann ihr
"des Morgens aufstehet, und euer Gebet
"verrichtet habt: küsset ihr nicht dieselben
"andächtig, und wischet den Staub mit
"eurem Angesichte von ihnen ab? Indem
"ihr nun dieses zu Ehren derjenigen thut,
"derer Name auf den gedachten Tafeln er-
"wähnet wird: leistet ihr denn diese Ehr-
"erbietigkeit oder diesen Dienst den Farben,
"Zeilen oder Tafeln? Keinesweges, ant-
"wortete derselbe." Hierauf sagte ich:
"Wenn aber ein Türk oder Christ auf diese
"Tafeln speien, oder auf andere Weise seine
"Verachtung gegen dieselben bezeigen würde:
"erkläret euer Gesetz einen solchen Menschen
"nicht des Todes schuldig? Allerdings,
"war seine Antwort." Da sagte ich:
20. Sol-
* Es sind eben diejenigen, die man bey dieser Uebersetzung in Kupfer gestochen findet.
2 H

9. Selim der I
Gott alle die Siege zu, die nachher in dieſem ſo weitlaͤufigen und maͤchtigen
Reiche ſind erfochten worden.

[Spaltenumbruch]
der IIII, der Babylon eroberte, und dem
Trunke ergeben war, die Waͤnde ſeines Schlaf-
zimmers in dem Palaſte mit Gemaͤlden aus-
zieren: aber auch dieſe wurden von ſeinen
Nachfolgern ausgeloͤſchet. Es iſt nur ein
einziges Haus an dem conſtantinopeliſchen
Kanale, nicht weit von dem Dorfe Bejkoßi
gelegen, darinnen noch einige Gemaͤlde uͤbrig
ſind, die auf Befehl dieſes Kaiſers verfertiget
worden. Sie ſtellen Perſonen vor, welche
jagen und nach Woͤlfen und Hirſchen ſchießen,
imgleichen eſſen und trinken, und dergleichen.
Allein, die Tuͤrken ſind der feſten Meinung,
daß die Engel in kein Haus kommen koͤnnten,
darinnen ſich Hunde oder Ebenbilder von Men-
ſchen befaͤnden. Daher werden von ihnen
keine Gemaͤlde von Angeſichtern aufbehalten,
außer der Kaiſer ihre, deren Ebenbilder man
von langen Zeiten her in dem Buͤcherſale
des Sultans bewahret, daraus ich dieſelben
nach Anwendung nicht geringer Geſchenke,
durch Huͤlfe meiner guten Freunde am Hofe,
bekommen, und durch des Sultans Muſaͤw-
wir oder oberſten Hofmaler, Lewni Tſchelebi,
Abbildungen davon habe nehmen laſſen, die
ich noch wirklich beſitze und bey mir habe*.
Indem ich dieſes ſchreibe: ſo faͤllt mir eine
Unterredung ein, die ich einsmals mit einem
gelehrten Tuͤrken von den Gemaͤlden hatte.
Er ruͤckte uns vor, daß wir noch bis auf den
heutigen Tag Goͤtzen, Bilder und Gemaͤlde,
als Werke von Menſchenhaͤnden gemacht,
anbeteten. Als ich ihm ſagte, in Anſehung
des Bilderdienſtes ſey zwiſchen einem Muͤſuͤl-
man und einem Chriſten kein Unterſchied:
[Spaltenumbruch]
ſo wunderte er ſich daruͤber, und bezeugete ſei-
nen Abſcheu gegen den Bilderdienſt. Ich ver-
ſetzte darauf: ich wollte meinen Satz bewei-
ſen, wenn er mich anhoͤren wollte. “Be-
“ſchreibet ihr nicht,„ ſagte ich, “auf
“euren Tafeln mit goͤldenen Buchſtaben das
“aͤußerliche Anſehen und die Geſtalt eures
“Propheten? Malet ihr nicht ſeine Haͤnde
“und Fuͤße mit lebendigen Farben, nebſt
“der Roſe, die, eurer Sage nach, aus Mu-
“haͤmmeds Schweiße entſprungen ſeyn ſoll,
“als derſelbe auf die Erde gefallen? Schrei-
“bet ihr nicht die Namen der Aeshab (das
“iſt, der vier Nachfolger Muhaͤmmeds) auf
“hoͤlzene oder goͤldene Tafeln, und haͤnget
“ſie in euren Dſchami und Haͤuſern, gegen
“die Kible zu (das iſt, die Gegend nach
“Mekka zu, zwiſchen Oſten und Suͤden),
“an den Waͤnden auf? Und wann ihr
“des Morgens aufſtehet, und euer Gebet
“verrichtet habt: kuͤſſet ihr nicht dieſelben
“andaͤchtig, und wiſchet den Staub mit
“eurem Angeſichte von ihnen ab? Indem
“ihr nun dieſes zu Ehren derjenigen thut,
“derer Name auf den gedachten Tafeln er-
“waͤhnet wird: leiſtet ihr denn dieſe Ehr-
“erbietigkeit oder dieſen Dienſt den Farben,
“Zeilen oder Tafeln? Keinesweges, ant-
“wortete derſelbe.„ Hierauf ſagte ich:
“Wenn aber ein Tuͤrk oder Chriſt auf dieſe
“Tafeln ſpeien, oder auf andere Weiſe ſeine
“Verachtung gegen dieſelben bezeigen wuͤrde:
“erklaͤret euer Geſetz einen ſolchen Menſchen
“nicht des Todes ſchuldig? Allerdings,
“war ſeine Antwort.„ Da ſagte ich:
20. Sol-
* Es ſind eben diejenigen, die man bey dieſer Ueberſetzung in Kupfer geſtochen findet.
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[241/0329] 9. Selim der I Gott alle die Siege zu, die nachher in dieſem ſo weitlaͤufigen und maͤchtigen Reiche ſind erfochten worden. 20. Sol- der IIII, der Babylon eroberte, und dem Trunke ergeben war, die Waͤnde ſeines Schlaf- zimmers in dem Palaſte mit Gemaͤlden aus- zieren: aber auch dieſe wurden von ſeinen Nachfolgern ausgeloͤſchet. Es iſt nur ein einziges Haus an dem conſtantinopeliſchen Kanale, nicht weit von dem Dorfe Bejkoßi gelegen, darinnen noch einige Gemaͤlde uͤbrig ſind, die auf Befehl dieſes Kaiſers verfertiget worden. Sie ſtellen Perſonen vor, welche jagen und nach Woͤlfen und Hirſchen ſchießen, imgleichen eſſen und trinken, und dergleichen. Allein, die Tuͤrken ſind der feſten Meinung, daß die Engel in kein Haus kommen koͤnnten, darinnen ſich Hunde oder Ebenbilder von Men- ſchen befaͤnden. Daher werden von ihnen keine Gemaͤlde von Angeſichtern aufbehalten, außer der Kaiſer ihre, deren Ebenbilder man von langen Zeiten her in dem Buͤcherſale des Sultans bewahret, daraus ich dieſelben nach Anwendung nicht geringer Geſchenke, durch Huͤlfe meiner guten Freunde am Hofe, bekommen, und durch des Sultans Muſaͤw- wir oder oberſten Hofmaler, Lewni Tſchelebi, Abbildungen davon habe nehmen laſſen, die ich noch wirklich beſitze und bey mir habe *. Indem ich dieſes ſchreibe: ſo faͤllt mir eine Unterredung ein, die ich einsmals mit einem gelehrten Tuͤrken von den Gemaͤlden hatte. Er ruͤckte uns vor, daß wir noch bis auf den heutigen Tag Goͤtzen, Bilder und Gemaͤlde, als Werke von Menſchenhaͤnden gemacht, anbeteten. Als ich ihm ſagte, in Anſehung des Bilderdienſtes ſey zwiſchen einem Muͤſuͤl- man und einem Chriſten kein Unterſchied: ſo wunderte er ſich daruͤber, und bezeugete ſei- nen Abſcheu gegen den Bilderdienſt. Ich ver- ſetzte darauf: ich wollte meinen Satz bewei- ſen, wenn er mich anhoͤren wollte. “Be- “ſchreibet ihr nicht,„ ſagte ich, “auf “euren Tafeln mit goͤldenen Buchſtaben das “aͤußerliche Anſehen und die Geſtalt eures “Propheten? Malet ihr nicht ſeine Haͤnde “und Fuͤße mit lebendigen Farben, nebſt “der Roſe, die, eurer Sage nach, aus Mu- “haͤmmeds Schweiße entſprungen ſeyn ſoll, “als derſelbe auf die Erde gefallen? Schrei- “bet ihr nicht die Namen der Aeshab (das “iſt, der vier Nachfolger Muhaͤmmeds) auf “hoͤlzene oder goͤldene Tafeln, und haͤnget “ſie in euren Dſchami und Haͤuſern, gegen “die Kible zu (das iſt, die Gegend nach “Mekka zu, zwiſchen Oſten und Suͤden), “an den Waͤnden auf? Und wann ihr “des Morgens aufſtehet, und euer Gebet “verrichtet habt: kuͤſſet ihr nicht dieſelben “andaͤchtig, und wiſchet den Staub mit “eurem Angeſichte von ihnen ab? Indem “ihr nun dieſes zu Ehren derjenigen thut, “derer Name auf den gedachten Tafeln er- “waͤhnet wird: leiſtet ihr denn dieſe Ehr- “erbietigkeit oder dieſen Dienſt den Farben, “Zeilen oder Tafeln? Keinesweges, ant- “wortete derſelbe.„ Hierauf ſagte ich: “Wenn aber ein Tuͤrk oder Chriſt auf dieſe “Tafeln ſpeien, oder auf andere Weiſe ſeine “Verachtung gegen dieſelben bezeigen wuͤrde: “erklaͤret euer Geſetz einen ſolchen Menſchen “nicht des Todes ſchuldig? Allerdings, “war ſeine Antwort.„ Da ſagte ich: “Mit * Es ſind eben diejenigen, die man bey dieſer Ueberſetzung in Kupfer geſtochen findet. 2 H

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/329>, abgerufen am 22.11.2024.