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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
lässet Hüsan Pa-
scha den Kopfabhauen:
20.

Solchergestalt brachte er hier einige Tage mit weltlichen und geistli-
chen Geschäften zu, und führete hierauf seine Truppen, die voll Hoffnung eines
Sieges waren, gegen Kahire zu. Als er auf diesem Zuge an einen gewissen
Platz, von den Einwohnern Chani Junus 37 genennet, gekommen war, und
daselbst mit seinen Bedienten vertraulich redete: so fragte einer von seinen We-
ßiren, Hüsan Pascha, denselben mehr mit einer Dreistigkeit, als Klugheit:
"Allerglücklichster Kaiser, wann werden wir wol zu Kütbujur Kajs 38 einzie-
"hen?" Der Kaiser merkte, daß seine allzugroße Vertraulichkeit mit seinen
Bedienten Verachtung erweckte; und versetzte darauf: "Wir werden zwar
"daselbst einziehen, wenn es Gott gefällt; was dich aber betrifft: so ist mein
"Wille, daß du hier bleiben sollst." Und auf diese Worte ließ er ihm auf der
Stelle den Kopf abhauen.

[Spaltenumbruch]
"Mit uns Christen ist es in Ansehung des
"Bilderdienstes eben so bewandt. Denn
"wir beten weder das Bild an, noch das
"Holz, noch einiges anderes Werk, von
"Menschenhänden gemacht: sondern wir
"verehren die Person, die das Bild vorstellet.
"Wenn es sich also verhält, versetzte der-
"selbe: so ist es wahrhaftig unrecht, daß
"man die Christen Büt Perest, oder Götzen-
"diener nennet." Ich bewunderte die
Redlichkeit des Türken; und dieses machte
mich beherzt, folgendes hinzuzusetzen: "Wird
"nicht eures Propheten Zahn, den ihr für
"unschätzbar haltet, in dem kaiserlichen
"Schatze verwahret, und reichet nicht der
"Sultan selbst alle Jahre, vor dem ersten
"Tage des Monats Remäßan, denselben
"den Großen zu küssen hin, nachdem bey
"dieser Gelegenheit öffentliche Gebeter sind
"verrichtet worden? Verwahret ihr nicht
"Muhämmeds Sandschak oder Standarte
"sorgfältig? imgleichen desselben Hirki sche-
"rif oder heiligen Rock, dessen Saum ihr alle
"Jahre zu eben derselben Zeit in das Was-
"ser tunket, und dabey glaubet, solches
"Wasser werde dadurch geheiliget und von
[Spaltenumbruch]
"der Fäulung befreyet: wie ihr dann das-
"selbe Obü Hirki scherif, das Wasser des hei-
"ligen Rockes, nennet, und es unter die Gro-
"ßen austheilet, damit sie an Fasttägen
"nach Untergang der Sonne einen Tropfen
"davon in einen großen Trunk Wasser fal-
"len lassen, und nach dreymaligem Nippen
"damit ihren Durst löschen sollen, indem
"sie es auf einmal austrinken? Verehret
"ihr nicht den Zahn eures Propheten, un-
"geachtet er todt ist; hebet ihr ihn nicht
"auf und betet denselben an? Da nun
"diese Dinge bey euch öffentlich geschehen:
"so saget mir doch einmal; ob ihr ein leb-
"loses Ding, als ein Zahn und Wasser sind,
"um sein selbst willen verehret, oder aber in
"Absicht auf eures Propheten unbefleckten
"Geist (davon man bey euch redet) und
"dessen Vertrauen auf Gott?" "Frey-
"lich, sagte derselbe, alle diese Dinge bezie-
"hen sich auf ihn, um dessentwillen sie auch
"für geweihet und heilig geachtet werden."
Daher machte ich hieraus den Schluß und
sagte: "Noch viel weniger nun kann man
"die Christen der Abgötterey beschuldigen,
"indem diese die Ehre, die sie den Bildern
21. Von
Osmaniſche Geſchichte
laͤſſet Huͤſan Pa-
ſcha den Kopfabhauen:
20.

Solchergeſtalt brachte er hier einige Tage mit weltlichen und geiſtli-
chen Geſchaͤften zu, und fuͤhrete hierauf ſeine Truppen, die voll Hoffnung eines
Sieges waren, gegen Kahire zu. Als er auf dieſem Zuge an einen gewiſſen
Platz, von den Einwohnern Chani Junus 37 genennet, gekommen war, und
daſelbſt mit ſeinen Bedienten vertraulich redete: ſo fragte einer von ſeinen We-
ßiren, Huͤſan Paſcha, denſelben mehr mit einer Dreiſtigkeit, als Klugheit:
“Allergluͤcklichſter Kaiſer, wann werden wir wol zu Kuͤtbujur Kajs 38 einzie-
“hen?„ Der Kaiſer merkte, daß ſeine allzugroße Vertraulichkeit mit ſeinen
Bedienten Verachtung erweckte; und verſetzte darauf: “Wir werden zwar
“daſelbſt einziehen, wenn es Gott gefaͤllt; was dich aber betrifft: ſo iſt mein
“Wille, daß du hier bleiben ſollſt.„ Und auf dieſe Worte ließ er ihm auf der
Stelle den Kopf abhauen.

[Spaltenumbruch]
“Mit uns Chriſten iſt es in Anſehung des
“Bilderdienſtes eben ſo bewandt. Denn
“wir beten weder das Bild an, noch das
“Holz, noch einiges anderes Werk, von
“Menſchenhaͤnden gemacht: ſondern wir
“verehren die Perſon, die das Bild vorſtellet.
“Wenn es ſich alſo verhaͤlt, verſetzte der-
“ſelbe: ſo iſt es wahrhaftig unrecht, daß
“man die Chriſten Buͤt Pereſt, oder Goͤtzen-
“diener nennet.„ Ich bewunderte die
Redlichkeit des Tuͤrken; und dieſes machte
mich beherzt, folgendes hinzuzuſetzen: “Wird
“nicht eures Propheten Zahn, den ihr fuͤr
“unſchaͤtzbar haltet, in dem kaiſerlichen
“Schatze verwahret, und reichet nicht der
“Sultan ſelbſt alle Jahre, vor dem erſten
“Tage des Monats Remaͤßan, denſelben
“den Großen zu kuͤſſen hin, nachdem bey
“dieſer Gelegenheit oͤffentliche Gebeter ſind
“verrichtet worden? Verwahret ihr nicht
“Muhaͤmmeds Sandſchak oder Standarte
“ſorgfaͤltig? imgleichen deſſelben Hirki ſche-
“rif oder heiligen Rock, deſſen Saum ihr alle
“Jahre zu eben derſelben Zeit in das Waſ-
“ſer tunket, und dabey glaubet, ſolches
“Waſſer werde dadurch geheiliget und von
[Spaltenumbruch]
“der Faͤulung befreyet: wie ihr dann daſ-
“ſelbe Obuͤ Hirki ſcherif, das Waſſer des hei-
“ligen Rockes, nennet, und es unter die Gro-
“ßen austheilet, damit ſie an Faſttaͤgen
“nach Untergang der Sonne einen Tropfen
“davon in einen großen Trunk Waſſer fal-
“len laſſen, und nach dreymaligem Nippen
“damit ihren Durſt loͤſchen ſollen, indem
“ſie es auf einmal austrinken? Verehret
“ihr nicht den Zahn eures Propheten, un-
“geachtet er todt iſt; hebet ihr ihn nicht
“auf und betet denſelben an? Da nun
“dieſe Dinge bey euch oͤffentlich geſchehen:
“ſo ſaget mir doch einmal; ob ihr ein leb-
“loſes Ding, als ein Zahn und Waſſer ſind,
“um ſein ſelbſt willen verehret, oder aber in
“Abſicht auf eures Propheten unbefleckten
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“deſſen Vertrauen auf Gott?„ “Frey-
“lich, ſagte derſelbe, alle dieſe Dinge bezie-
“hen ſich auf ihn, um deſſentwillen ſie auch
“fuͤr geweihet und heilig geachtet werden.„
Daher machte ich hieraus den Schluß und
ſagte: “Noch viel weniger nun kann man
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[242/0330] Osmaniſche Geſchichte 20. Solchergeſtalt brachte er hier einige Tage mit weltlichen und geiſtli- chen Geſchaͤften zu, und fuͤhrete hierauf ſeine Truppen, die voll Hoffnung eines Sieges waren, gegen Kahire zu. Als er auf dieſem Zuge an einen gewiſſen Platz, von den Einwohnern Chani Junus ³⁷ genennet, gekommen war, und daſelbſt mit ſeinen Bedienten vertraulich redete: ſo fragte einer von ſeinen We- ßiren, Huͤſan Paſcha, denſelben mehr mit einer Dreiſtigkeit, als Klugheit: “Allergluͤcklichſter Kaiſer, wann werden wir wol zu Kuͤtbujur Kajs ³⁸ einzie- “hen?„ Der Kaiſer merkte, daß ſeine allzugroße Vertraulichkeit mit ſeinen Bedienten Verachtung erweckte; und verſetzte darauf: “Wir werden zwar “daſelbſt einziehen, wenn es Gott gefaͤllt; was dich aber betrifft: ſo iſt mein “Wille, daß du hier bleiben ſollſt.„ Und auf dieſe Worte ließ er ihm auf der Stelle den Kopf abhauen. 21. Von “Mit uns Chriſten iſt es in Anſehung des “Bilderdienſtes eben ſo bewandt. Denn “wir beten weder das Bild an, noch das “Holz, noch einiges anderes Werk, von “Menſchenhaͤnden gemacht: ſondern wir “verehren die Perſon, die das Bild vorſtellet. “Wenn es ſich alſo verhaͤlt, verſetzte der- “ſelbe: ſo iſt es wahrhaftig unrecht, daß “man die Chriſten Buͤt Pereſt, oder Goͤtzen- “diener nennet.„ Ich bewunderte die Redlichkeit des Tuͤrken; und dieſes machte mich beherzt, folgendes hinzuzuſetzen: “Wird “nicht eures Propheten Zahn, den ihr fuͤr “unſchaͤtzbar haltet, in dem kaiſerlichen “Schatze verwahret, und reichet nicht der “Sultan ſelbſt alle Jahre, vor dem erſten “Tage des Monats Remaͤßan, denſelben “den Großen zu kuͤſſen hin, nachdem bey “dieſer Gelegenheit oͤffentliche Gebeter ſind “verrichtet worden? Verwahret ihr nicht “Muhaͤmmeds Sandſchak oder Standarte “ſorgfaͤltig? imgleichen deſſelben Hirki ſche- “rif oder heiligen Rock, deſſen Saum ihr alle “Jahre zu eben derſelben Zeit in das Waſ- “ſer tunket, und dabey glaubet, ſolches “Waſſer werde dadurch geheiliget und von “der Faͤulung befreyet: wie ihr dann daſ- “ſelbe Obuͤ Hirki ſcherif, das Waſſer des hei- “ligen Rockes, nennet, und es unter die Gro- “ßen austheilet, damit ſie an Faſttaͤgen “nach Untergang der Sonne einen Tropfen “davon in einen großen Trunk Waſſer fal- “len laſſen, und nach dreymaligem Nippen “damit ihren Durſt loͤſchen ſollen, indem “ſie es auf einmal austrinken? Verehret “ihr nicht den Zahn eures Propheten, un- “geachtet er todt iſt; hebet ihr ihn nicht “auf und betet denſelben an? Da nun “dieſe Dinge bey euch oͤffentlich geſchehen: “ſo ſaget mir doch einmal; ob ihr ein leb- “loſes Ding, als ein Zahn und Waſſer ſind, “um ſein ſelbſt willen verehret, oder aber in “Abſicht auf eures Propheten unbefleckten “Geiſt (davon man bey euch redet) und “deſſen Vertrauen auf Gott?„ “Frey- “lich, ſagte derſelbe, alle dieſe Dinge bezie- “hen ſich auf ihn, um deſſentwillen ſie auch “fuͤr geweihet und heilig geachtet werden.„ Daher machte ich hieraus den Schluß und ſagte: “Noch viel weniger nun kann man “die Chriſten der Abgoͤtterey beſchuldigen, “indem dieſe die Ehre, die ſie den Bildern “und

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/330>, abgerufen am 22.11.2024.