Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.9. Selim der I 21. Von hier setzte er seinen Zug nach Gäßße fort. Als er hieselbst ver-besuchet Kudsi- "und Resten der Heiligen erweisen, vor- "nehmlich auf Gott selbst führen, und nur "nachgesetzter Weise auf das Urbild oder "die vorgestellte Person. Denn sie beten "die Heiligen nicht an, als Heiligen oder "heilige Menschen: sondern als Gottes "Knechte, oder, wie man sie nennen kann, "Gottes Heiligen." Diese deutliche und verständliche Erklärung unserer Lehre gefiel dem Türken wohl: er ließ sich aber dadurch dennoch nicht von seinem Irrthume abbrin- gen. 37 Chani Junus] Johanns Herberge. Ich kann nicht sagen, ob vielleicht die Leute glauben, daß dieses das Haus des Propheten Johannes gewesen sey. 38 Kütbujur Kajs] Ein Dorf oder Vor- stadt von Kahire. Es scheinet ein kleiner und schlechter Ort gewesen zu seyn: in wel- [Spaltenumbruch] cher Gegend aber derselbe gestanden, kann ich nicht finden. 39 Elkahire] In unsern Landen schreibet man es insgemein fälschlicher Weise Alkair: gleichwie Alkoran anstatt Elkuron. Es ist die Hauptstadt in Aegypten und aller Welt bekannt genug, wird auch noch mit einem andern Namen Misr genennet. Die türki- schen Fabeln von dieser Stadt und Joseph '*, lasse ich mit Fleiß vorbey, weil dieselben in vielen Büchern, die von den ägypti- schen Sachen zum Vorschein gekommen, weit- läuftig erzählet sind. 40 Sifidülbähr u. s. w.] Heißet eigent- lich, das weiße Meer2*. Es sind dieses zwo Städte, deren alte Namen mir unbekannt sind. Denn ich habe noch nicht Geschicklichkeit ge- nug, daß ich alle die alten Benennungen, die so lange Zeiten hindurch unter den heuti- waren, * Jerusalem. * Das ist, der Allerschönste. Es ist eine allgemeine Sage unter den Morgenländern, daß der Patriarch Joseph an Schönheit seines gleichen nicht gehabt habe. Sie geben ihn auch für einen großen Bau- meister und Meßkünstler aus und schreiben ihm die Erbauung der Säule zu Elkahire, damit man die Höhe des Nils misset, des Kanals zur Ableitung desselben, der Brunnen, Vorrathshäuser und Spitzsäulen, die Abmessung und Austheilung des Landes nach der Ueberschwemmung, und andere Thaten mehr zu. 2* So nennen die Perser das mittelländische Meer. 2 H 2
9. Selim der I 21. Von hier ſetzte er ſeinen Zug nach Gaͤßße fort. Als er hieſelbſt ver-beſuchet Kudſi- “und Reſten der Heiligen erweiſen, vor- “nehmlich auf Gott ſelbſt fuͤhren, und nur “nachgeſetzter Weiſe auf das Urbild oder “die vorgeſtellte Perſon. Denn ſie beten “die Heiligen nicht an, als Heiligen oder “heilige Menſchen: ſondern als Gottes “Knechte, oder, wie man ſie nennen kann, “Gottes Heiligen.„ Dieſe deutliche und verſtaͤndliche Erklaͤrung unſerer Lehre gefiel dem Tuͤrken wohl: er ließ ſich aber dadurch dennoch nicht von ſeinem Irrthume abbrin- gen. 37 Chani Junus] Johanns Herberge. Ich kann nicht ſagen, ob vielleicht die Leute glauben, daß dieſes das Haus des Propheten Johannes geweſen ſey. 38 Kuͤtbujur Kajs] Ein Dorf oder Vor- ſtadt von Kahire. Es ſcheinet ein kleiner und ſchlechter Ort geweſen zu ſeyn: in wel- [Spaltenumbruch] cher Gegend aber derſelbe geſtanden, kann ich nicht finden. 39 Elkahire] In unſern Landen ſchreibet man es insgemein faͤlſchlicher Weiſe Alkair: gleichwie Alkoran anſtatt Elkuron. Es iſt die Hauptſtadt in Aegypten und aller Welt bekannt genug, wird auch noch mit einem andern Namen Miſr genennet. Die tuͤrki- ſchen Fabeln von dieſer Stadt und Joſeph ’*, laſſe ich mit Fleiß vorbey, weil dieſelben in vielen Buͤchern, die von den aͤgypti- ſchen Sachen zum Vorſchein gekommen, weit- laͤuftig erzaͤhlet ſind. 40 Sifiduͤlbaͤhr u. ſ. w.] Heißet eigent- lich, das weiße Meer2*. Es ſind dieſes zwo Staͤdte, deren alte Namen mir unbekannt ſind. Denn ich habe noch nicht Geſchicklichkeit ge- nug, daß ich alle die alten Benennungen, die ſo lange Zeiten hindurch unter den heuti- waren, * Jeruſalem. * Das iſt, der Allerſchoͤnſte. Es iſt eine allgemeine Sage unter den Morgenlaͤndern, daß der Patriarch Joſeph an Schoͤnheit ſeines gleichen nicht gehabt habe. Sie geben ihn auch fuͤr einen großen Bau- meiſter und Meßkuͤnſtler aus und ſchreiben ihm die Erbauung der Saͤule zu Elkahire, damit man die Hoͤhe des Nils miſſet, des Kanals zur Ableitung deſſelben, der Brunnen, Vorrathshaͤuſer und Spitzſaͤulen, die Abmeſſung und Austheilung des Landes nach der Ueberſchwemmung, und andere Thaten mehr zu. 2* So nennen die Perſer das mittellaͤndiſche Meer. 2 H 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0331" n="243"/> <fw place="top" type="header">9. Selim der <hi rendition="#aq">I</hi></fw><lb/> <div n="3"> <head>21.</head> <p>Von hier ſetzte er ſeinen Zug nach Gaͤßße fort. Als er hieſelbſt ver-<note place="right">beſuchet Kudſi-<lb/> ſcherif, und<lb/> nimmt einige<lb/> Staͤdte ein:</note><lb/> nimmt, daß Kudſiſcherif<note place="foot" n="*">Jeruſalem.</note> nicht weit mehr entfernet ſey: ſo bekommt er eine<lb/> heftige Begierde, eine Stadt zu ſehen, die die Mutter ſo vieler Propheten, und<lb/> der Schauplatz ſo vieler Wunder geweſen iſt. Er thut alſo mit wenigen Beglei-<lb/> tern eine Reiſe dahin, verrichtet in dreyen Tagen dasjenige, was die Religion<lb/> von ihm erforderte, und kehret wieder zu ſeinem Heere nach Gaͤßße zuruͤck.<lb/> Hierauf verfolget er ſeinen Zug gerades Weges gegen Elkahire <note place="end" n="39"/>, und nimmt<lb/> im Vorbeyziehen Sifiduͤlbaͤhr <note place="end" n="40"/> und Chanuͤldſchuni ein. Er hielte es aber<lb/> nicht fuͤr rathſam, Beſatzungen darein zu legen, weil dieſe Staͤdte, wenn er<lb/> ſiegete, ſich ſeiner Herrſchaft nicht entziehen: und wenn er uͤberwunden wuͤrde,<lb/> keine ſichere Zuflucht abgeben konnten. Er ließ alſo nur diejenigen daſelbſt zu-<lb/> ruͤck, die wegen empfangener Wunden oder langer Reiſe untuͤchtig geworden<lb/> <fw place="bottom" type="catch">waren,</fw><lb/><cb n="1"/><lb/><note xml:id="W331" prev="#W330" place="end">“und Reſten der Heiligen erweiſen, vor-<lb/> “nehmlich auf Gott ſelbſt fuͤhren, und nur<lb/> “nachgeſetzter Weiſe auf das Urbild oder<lb/> “die vorgeſtellte Perſon. Denn ſie beten<lb/> “die Heiligen nicht an, als Heiligen oder<lb/> “heilige Menſchen: ſondern als Gottes<lb/> “Knechte, oder, wie man ſie nennen kann,<lb/> “Gottes Heiligen.„ Dieſe deutliche und<lb/> verſtaͤndliche Erklaͤrung unſerer Lehre gefiel<lb/> dem Tuͤrken wohl: er ließ ſich aber dadurch<lb/> dennoch nicht von ſeinem Irrthume abbrin-<lb/> gen.</note><lb/><note place="end" n="37">Chani Junus] Johanns Herberge.<lb/> Ich kann nicht ſagen, ob vielleicht die Leute<lb/> glauben, daß dieſes das Haus des Propheten<lb/> Johannes geweſen ſey.</note><lb/><note place="end" n="38">Kuͤtbujur Kajs] Ein Dorf oder Vor-<lb/> ſtadt von Kahire. Es ſcheinet ein kleiner<lb/> und ſchlechter Ort geweſen zu ſeyn: in wel-<lb/><cb n="2"/><lb/> cher Gegend aber derſelbe geſtanden, kann ich<lb/> nicht finden.</note><lb/><note place="end" n="39">Elkahire] In unſern Landen ſchreibet<lb/> man es insgemein faͤlſchlicher Weiſe Alkair:<lb/> gleichwie Alkoran anſtatt Elkuron. Es iſt<lb/> die Hauptſtadt in Aegypten und aller Welt<lb/> bekannt genug, wird auch noch mit einem<lb/> andern Namen Miſr genennet. Die tuͤrki-<lb/> ſchen Fabeln von dieſer Stadt und Joſeph<lb/> ’<note place="foot" n="*">Das iſt, der Allerſchoͤnſte. Es iſt eine allgemeine Sage unter den Morgenlaͤndern, daß der Patriarch<lb/> Joſeph an Schoͤnheit ſeines gleichen nicht gehabt habe. Sie geben ihn auch fuͤr einen großen Bau-<lb/> meiſter und Meßkuͤnſtler aus und ſchreiben ihm die Erbauung der Saͤule zu Elkahire, damit man<lb/> die Hoͤhe des Nils miſſet, des Kanals zur Ableitung deſſelben, der Brunnen, Vorrathshaͤuſer und<lb/> Spitzſaͤulen, die Abmeſſung und Austheilung des Landes nach der Ueberſchwemmung, und andere<lb/> Thaten mehr zu.</note>, laſſe ich mit Fleiß vorbey, weil<lb/> dieſelben in vielen Buͤchern, die von den aͤgypti-<lb/> ſchen Sachen zum Vorſchein gekommen, weit-<lb/> laͤuftig erzaͤhlet ſind.</note><lb/><note xml:id="Z331" next="#Z332" place="end" n="40">Sifiduͤlbaͤhr u. ſ. w.] Heißet eigent-<lb/> lich, das weiße Meer<note place="foot" n="2*">So nennen die Perſer das mittellaͤndiſche Meer.</note>. Es ſind dieſes zwo<lb/> Staͤdte, deren alte Namen mir unbekannt ſind.<lb/> Denn ich habe noch nicht Geſchicklichkeit ge-<lb/> nug, daß ich alle die alten Benennungen,<lb/> die ſo lange Zeiten hindurch unter den heuti-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">2 H 2</fw> <fw place="bottom" type="catch">gen</fw></note><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [243/0331]
9. Selim der I
21. Von hier ſetzte er ſeinen Zug nach Gaͤßße fort. Als er hieſelbſt ver-
nimmt, daß Kudſiſcherif * nicht weit mehr entfernet ſey: ſo bekommt er eine
heftige Begierde, eine Stadt zu ſehen, die die Mutter ſo vieler Propheten, und
der Schauplatz ſo vieler Wunder geweſen iſt. Er thut alſo mit wenigen Beglei-
tern eine Reiſe dahin, verrichtet in dreyen Tagen dasjenige, was die Religion
von ihm erforderte, und kehret wieder zu ſeinem Heere nach Gaͤßße zuruͤck.
Hierauf verfolget er ſeinen Zug gerades Weges gegen Elkahire
³⁹
, und nimmt
im Vorbeyziehen Sifiduͤlbaͤhr
⁴⁰
und Chanuͤldſchuni ein. Er hielte es aber
nicht fuͤr rathſam, Beſatzungen darein zu legen, weil dieſe Staͤdte, wenn er
ſiegete, ſich ſeiner Herrſchaft nicht entziehen: und wenn er uͤberwunden wuͤrde,
keine ſichere Zuflucht abgeben konnten. Er ließ alſo nur diejenigen daſelbſt zu-
ruͤck, die wegen empfangener Wunden oder langer Reiſe untuͤchtig geworden
waren,
“und Reſten der Heiligen erweiſen, vor-
“nehmlich auf Gott ſelbſt fuͤhren, und nur
“nachgeſetzter Weiſe auf das Urbild oder
“die vorgeſtellte Perſon. Denn ſie beten
“die Heiligen nicht an, als Heiligen oder
“heilige Menſchen: ſondern als Gottes
“Knechte, oder, wie man ſie nennen kann,
“Gottes Heiligen.„ Dieſe deutliche und
verſtaͤndliche Erklaͤrung unſerer Lehre gefiel
dem Tuͤrken wohl: er ließ ſich aber dadurch
dennoch nicht von ſeinem Irrthume abbrin-
gen.
³⁷ Chani Junus] Johanns Herberge.
Ich kann nicht ſagen, ob vielleicht die Leute
glauben, daß dieſes das Haus des Propheten
Johannes geweſen ſey.
³⁸ Kuͤtbujur Kajs] Ein Dorf oder Vor-
ſtadt von Kahire. Es ſcheinet ein kleiner
und ſchlechter Ort geweſen zu ſeyn: in wel-
cher Gegend aber derſelbe geſtanden, kann ich
nicht finden.
³⁹ Elkahire] In unſern Landen ſchreibet
man es insgemein faͤlſchlicher Weiſe Alkair:
gleichwie Alkoran anſtatt Elkuron. Es iſt
die Hauptſtadt in Aegypten und aller Welt
bekannt genug, wird auch noch mit einem
andern Namen Miſr genennet. Die tuͤrki-
ſchen Fabeln von dieſer Stadt und Joſeph
’ *, laſſe ich mit Fleiß vorbey, weil
dieſelben in vielen Buͤchern, die von den aͤgypti-
ſchen Sachen zum Vorſchein gekommen, weit-
laͤuftig erzaͤhlet ſind.
⁴⁰ Sifiduͤlbaͤhr u. ſ. w.] Heißet eigent-
lich, das weiße Meer 2*. Es ſind dieſes zwo
Staͤdte, deren alte Namen mir unbekannt ſind.
Denn ich habe noch nicht Geſchicklichkeit ge-
nug, daß ich alle die alten Benennungen,
die ſo lange Zeiten hindurch unter den heuti-
gen
beſuchet Kudſi-
ſcherif, und
nimmt einige
Staͤdte ein:
* Jeruſalem.
* Das iſt, der Allerſchoͤnſte. Es iſt eine allgemeine Sage unter den Morgenlaͤndern, daß der Patriarch
Joſeph an Schoͤnheit ſeines gleichen nicht gehabt habe. Sie geben ihn auch fuͤr einen großen Bau-
meiſter und Meßkuͤnſtler aus und ſchreiben ihm die Erbauung der Saͤule zu Elkahire, damit man
die Hoͤhe des Nils miſſet, des Kanals zur Ableitung deſſelben, der Brunnen, Vorrathshaͤuſer und
Spitzſaͤulen, die Abmeſſung und Austheilung des Landes nach der Ueberſchwemmung, und andere
Thaten mehr zu.
2* So nennen die Perſer das mittellaͤndiſche Meer.
2 H 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |