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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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9. Selim der I
wäre, ihr Lager unverzüglich angreifen, und, wann er sich in ihren Fallstricken
gefangen hätte, ihnen den Sieg leicht machen würde. Allein Selim, der durch
seine Kundschafter von ihren gelegten Schlingen Nachricht hatte, giebt einem
Theile seiner Truppen (weil er ihnen an Menge der Mannschaft überlegen war)
Befehl, rings um das feindliche Lager herum, nahe an den Berg Dschebeli
Mäktab 42 zu ziehen, und auf ein gegebenes Zeichen den Hintertheil desselben
anzufallen. Solchergestalt entstehet in den ersten Tagen 43 des Monats Dsche-H. 923.


J. C. 1517.

maßiül ewwel des Jahres 923 ein solches blutiges und hartnäckiges Treffen,
weil die Tscherkassier auf allen Seiten umringet waren, daß es kaum genugsam
beschrieben werden kann. Die Tscherkassier werden dabey öfters von der Men-
ge übermannet, manchmal auch zurückgeschlagen: thun aber eben so oft einen
neuen Angriff, weil ihr König beständig an der Spitze ficht, und seine Soldaten
durch sein Beyspiel anfrischet. Das Treffen wird einige Zeit noch mit getrenn-
ten Gliedern fortgesetzet; und als zuletzt Tumanbaj siehet, daß seine Leute theils
gefangen und theils erschlagen sind, der Sieg aber auf keinerley Weise zu erhal-
ten ist: so öffnet er sich mit einem auserlesenen Trupp Soldaten, die ihm zur
Leibwacht dieneten, mit dem Säbel in der Faust einen Weg mitten durch die
Feinde, und fliehet zu Schejch Aereb 44, Bekaars Sohne. Auf diese Weise
erhalten die Türken, obzwar nicht ohne großen Verlust der Ihrigen, einen völ-
ligen Sieg. Auf türkischer Seite blieb der vornehmste Held seiner Zeit, der
[Spaltenumbruch]
sind hauptsächlich sieben Geschlechter von ih-
nen unter den Türken berühmt, deren Namen
mir ausgefallen sind. Denn ich lebe füritzo
in einer Gegend, die nicht nur von Arabern
entfernet, sondern auch von aller feinen Ge-
lehrtheit entblößet ist, und da nicht ein-
mal der Name eines vollständigen Bücher-
sales gehöret, geschweige dann die Sache selbst
angetroffen wird. Es lässet sich aber doch
daraus abnehmen, daß diese Schejchen von
den Kaisern selbst die größte Ehrerbietigkeit
genießen, weil das Oberhaupt derselben (das
seinen Sitz zu Mekka hat, und zwar von dem
Sultan bestätiget wird, dennoch aber seine
Würde auf seine Söhne bringet), wann es
an den Sultan schreibet, nach geschehener
Meldung dessen anderer hochtrabenden Titel,
denselben des Propheten und seinen Verweser
[Spaltenumbruch]
(Wekjilümüß, unsern Verweser) in dem Reiche
der Welt nennet. Eben dieser Art zu schrei-
ben soll er sich auch in seinen Briefen an den
Kaiser von Indien bedienen. Ich habe ein-
mal einen von diesen Schejchen gesehen, als
ich zu Sultan Mustäfa, dem Bruder des gegen-
wärtigen Kaisers*, kam (der sich damals in
einem Dorfe, Akbung-ar genennet, nicht weit
von Adrianopel, in einem Zelte aufhielt), daß
er die ganze Zeit bey demselben saß und ein
vertrauliches Gespräch mit ihm führete. Er
hatte seine Einkehre bey Tscherkjes Mehem-
med Aga, dem Oberstallmeister des Kaisers
und meinem vertrauten Freunde, der mir er-
zählete, daß dieser Schejch, so oft er von dem
Sultan redete, ihn Bißüm Wekjil (unsern)
seinen Verweser oder Verwalter zu nennen
pflegte.

berühmte
* Achmeds des III.
2 H 3

9. Selim der I
waͤre, ihr Lager unverzuͤglich angreifen, und, wann er ſich in ihren Fallſtricken
gefangen haͤtte, ihnen den Sieg leicht machen wuͤrde. Allein Selim, der durch
ſeine Kundſchafter von ihren gelegten Schlingen Nachricht hatte, giebt einem
Theile ſeiner Truppen (weil er ihnen an Menge der Mannſchaft uͤberlegen war)
Befehl, rings um das feindliche Lager herum, nahe an den Berg Dſchebeli
Maͤktab 42 zu ziehen, und auf ein gegebenes Zeichen den Hintertheil deſſelben
anzufallen. Solchergeſtalt entſtehet in den erſten Tagen 43 des Monats Dſche-H. 923.


J. C. 1517.

maßiuͤl ewwel des Jahres 923 ein ſolches blutiges und hartnaͤckiges Treffen,
weil die Tſcherkaſſier auf allen Seiten umringet waren, daß es kaum genugſam
beſchrieben werden kann. Die Tſcherkaſſier werden dabey oͤfters von der Men-
ge uͤbermannet, manchmal auch zuruͤckgeſchlagen: thun aber eben ſo oft einen
neuen Angriff, weil ihr Koͤnig beſtaͤndig an der Spitze ficht, und ſeine Soldaten
durch ſein Beyſpiel anfriſchet. Das Treffen wird einige Zeit noch mit getrenn-
ten Gliedern fortgeſetzet; und als zuletzt Tumanbaj ſiehet, daß ſeine Leute theils
gefangen und theils erſchlagen ſind, der Sieg aber auf keinerley Weiſe zu erhal-
ten iſt: ſo oͤffnet er ſich mit einem auserleſenen Trupp Soldaten, die ihm zur
Leibwacht dieneten, mit dem Saͤbel in der Fauſt einen Weg mitten durch die
Feinde, und fliehet zu Schejch Aereb 44, Bekaars Sohne. Auf dieſe Weiſe
erhalten die Tuͤrken, obzwar nicht ohne großen Verluſt der Ihrigen, einen voͤl-
ligen Sieg. Auf tuͤrkiſcher Seite blieb der vornehmſte Held ſeiner Zeit, der
[Spaltenumbruch]
ſind hauptſaͤchlich ſieben Geſchlechter von ih-
nen unter den Tuͤrken beruͤhmt, deren Namen
mir ausgefallen ſind. Denn ich lebe fuͤritzo
in einer Gegend, die nicht nur von Arabern
entfernet, ſondern auch von aller feinen Ge-
lehrtheit entbloͤßet iſt, und da nicht ein-
mal der Name eines vollſtaͤndigen Buͤcher-
ſales gehoͤret, geſchweige dann die Sache ſelbſt
angetroffen wird. Es laͤſſet ſich aber doch
daraus abnehmen, daß dieſe Schejchen von
den Kaiſern ſelbſt die groͤßte Ehrerbietigkeit
genießen, weil das Oberhaupt derſelben (das
ſeinen Sitz zu Mekka hat, und zwar von dem
Sultan beſtaͤtiget wird, dennoch aber ſeine
Wuͤrde auf ſeine Soͤhne bringet), wann es
an den Sultan ſchreibet, nach geſchehener
Meldung deſſen anderer hochtrabenden Titel,
denſelben des Propheten und ſeinen Verweſer
[Spaltenumbruch]
(Wekjiluͤmuͤß, unſern Verweſer) in dem Reiche
der Welt nennet. Eben dieſer Art zu ſchrei-
ben ſoll er ſich auch in ſeinen Briefen an den
Kaiſer von Indien bedienen. Ich habe ein-
mal einen von dieſen Schejchen geſehen, als
ich zu Sultan Muſtaͤfa, dem Bruder des gegen-
waͤrtigen Kaiſers*, kam (der ſich damals in
einem Dorfe, Akbung-ar genennet, nicht weit
von Adrianopel, in einem Zelte aufhielt), daß
er die ganze Zeit bey demſelben ſaß und ein
vertrauliches Geſpraͤch mit ihm fuͤhrete. Er
hatte ſeine Einkehre bey Tſcherkjes Mehem-
med Aga, dem Oberſtallmeiſter des Kaiſers
und meinem vertrauten Freunde, der mir er-
zaͤhlete, daß dieſer Schejch, ſo oft er von dem
Sultan redete, ihn Bißuͤm Wekjil (unſern)
ſeinen Verweſer oder Verwalter zu nennen
pflegte.

beruͤhmte
* Achmeds des III.
2 H 3
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[245/0333] 9. Selim der I waͤre, ihr Lager unverzuͤglich angreifen, und, wann er ſich in ihren Fallſtricken gefangen haͤtte, ihnen den Sieg leicht machen wuͤrde. Allein Selim, der durch ſeine Kundſchafter von ihren gelegten Schlingen Nachricht hatte, giebt einem Theile ſeiner Truppen (weil er ihnen an Menge der Mannſchaft uͤberlegen war) Befehl, rings um das feindliche Lager herum, nahe an den Berg Dſchebeli Maͤktab ⁴² zu ziehen, und auf ein gegebenes Zeichen den Hintertheil deſſelben anzufallen. Solchergeſtalt entſtehet in den erſten Tagen ⁴³ des Monats Dſche- maßiuͤl ewwel des Jahres 923 ein ſolches blutiges und hartnaͤckiges Treffen, weil die Tſcherkaſſier auf allen Seiten umringet waren, daß es kaum genugſam beſchrieben werden kann. Die Tſcherkaſſier werden dabey oͤfters von der Men- ge uͤbermannet, manchmal auch zuruͤckgeſchlagen: thun aber eben ſo oft einen neuen Angriff, weil ihr Koͤnig beſtaͤndig an der Spitze ficht, und ſeine Soldaten durch ſein Beyſpiel anfriſchet. Das Treffen wird einige Zeit noch mit getrenn- ten Gliedern fortgeſetzet; und als zuletzt Tumanbaj ſiehet, daß ſeine Leute theils gefangen und theils erſchlagen ſind, der Sieg aber auf keinerley Weiſe zu erhal- ten iſt: ſo oͤffnet er ſich mit einem auserleſenen Trupp Soldaten, die ihm zur Leibwacht dieneten, mit dem Saͤbel in der Fauſt einen Weg mitten durch die Feinde, und fliehet zu Schejch Aereb ⁴⁴ , Bekaars Sohne. Auf dieſe Weiſe erhalten die Tuͤrken, obzwar nicht ohne großen Verluſt der Ihrigen, einen voͤl- ligen Sieg. Auf tuͤrkiſcher Seite blieb der vornehmſte Held ſeiner Zeit, der beruͤhmte ſind hauptſaͤchlich ſieben Geſchlechter von ih- nen unter den Tuͤrken beruͤhmt, deren Namen mir ausgefallen ſind. Denn ich lebe fuͤritzo in einer Gegend, die nicht nur von Arabern entfernet, ſondern auch von aller feinen Ge- lehrtheit entbloͤßet iſt, und da nicht ein- mal der Name eines vollſtaͤndigen Buͤcher- ſales gehoͤret, geſchweige dann die Sache ſelbſt angetroffen wird. Es laͤſſet ſich aber doch daraus abnehmen, daß dieſe Schejchen von den Kaiſern ſelbſt die groͤßte Ehrerbietigkeit genießen, weil das Oberhaupt derſelben (das ſeinen Sitz zu Mekka hat, und zwar von dem Sultan beſtaͤtiget wird, dennoch aber ſeine Wuͤrde auf ſeine Soͤhne bringet), wann es an den Sultan ſchreibet, nach geſchehener Meldung deſſen anderer hochtrabenden Titel, denſelben des Propheten und ſeinen Verweſer (Wekjiluͤmuͤß, unſern Verweſer) in dem Reiche der Welt nennet. Eben dieſer Art zu ſchrei- ben ſoll er ſich auch in ſeinen Briefen an den Kaiſer von Indien bedienen. Ich habe ein- mal einen von dieſen Schejchen geſehen, als ich zu Sultan Muſtaͤfa, dem Bruder des gegen- waͤrtigen Kaiſers *, kam (der ſich damals in einem Dorfe, Akbung-ar genennet, nicht weit von Adrianopel, in einem Zelte aufhielt), daß er die ganze Zeit bey demſelben ſaß und ein vertrauliches Geſpraͤch mit ihm fuͤhrete. Er hatte ſeine Einkehre bey Tſcherkjes Mehem- med Aga, dem Oberſtallmeiſter des Kaiſers und meinem vertrauten Freunde, der mir er- zaͤhlete, daß dieſer Schejch, ſo oft er von dem Sultan redete, ihn Bißuͤm Wekjil (unſern) ſeinen Verweſer oder Verwalter zu nennen pflegte. H. 923. J. C. 1517. * Achmeds des III. 2 H 3

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/333>, abgerufen am 22.11.2024.