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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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11. Selim der II
selben zahlreiche Kriegesheere seiner Vorfahrer zu Grunde gegangen waren.
Diese Hinderniß nun aus dem Wege zu räumen, schicket er einen Trupp Sol-H. 976.


J. C. 1568.

daten über das schwarze Meer nach Kjefe*, und befiehlet dem Chan von der
Krim, aus allen tatarischen Stämmen Taglöhner anzunehmen, sich mit seinen
Gezelten bey dem Flusse Eßel2* zu lagern, an dem Orte, da derselbe nicht mehr
als sechs italienische Meilen3* von dem Teri4* entfernet ist, und diese beyden
Flüsse mittelst eines Kanals mit einander zu vereinigen. Wenn dieses Vorha-
ben zu Stande käme: so hoffte er, mit leichter Mühe zu Wasser durch Maille 9,
Teri und Eßel in die kaspische See zu dringen, und, weil die Perser keine Flote
daselbst hatten, durch diesen Weg ein Kriegesheer in Schirwan zu führen, und
solchergestalt ohne viele Schwierigkeit ganz Persien unter den Fuß zu bringen.
Es würde auch mit diesem Werke alles nach seinem Wunsche gegangen seyn;
wenn der oberste Regierer der Welt gestattet hätte, daß die Grenzen, die er den
Flüssen gesetzet hat, verändert würden. Als aber der krimische Chan, der nach
erhaltenem Befehle von dem Sultan sich ohne Verzug über Eschderchan 105* an
[Spaltenumbruch]
Das ist: Er fing diese Brücke an zu bauen;
ehe er sie aber zu Ende brachte: so trat er die
Reise nach dem Paradiese an, durch Hülfe
des barmherzigen (Gottes). Schah Sultan
Selim, Gottes Schatten, der ihm nachfolgte,
vollendete das Werk und brachte diese lange
Brücke zu Stande. Hüdaj gab zu der da-
maligen Zeit das Jahr an, in welchem Schah
Selim diese Brücke über das Wasser bauete.
Aus dem letzten Doppelverse bringet man
durch eine Rechnung, bey ihnen Ebdsched ge-
nennet, die Summe von 974 Jahren zu-
sammen.
9 Maille] Diesen Namen hatte vor die-
sem das Meer von Zabache (Palus Moeotis)
bey den Türken, wie ich aus den gegenwärti-
gen Worten des Geschichtschreibers schließe.
Vielleicht ist es ein verderbtes Wort von
Moeotis. Heut zu Tage aber geben die
Türken diese Benennung demjenigen Busen
des schwarzen Meeres, der Otschakow berüh-
[Spaltenumbruch]
ret (das Olbiopolis der Alten). Das
Meer von Zabache wird itzo Aßak Deng-ißi
(die See von Aßof) genennet; und die Meer-
enge desselben, vor Alters Bosphorus Cim-
merius
genennet, heißet Gjertsch Taman
Bogaßi. Sie wurde, nachdem die Russen
Aßof eingenommen hatten, von dem türki-
schen Großadmirale, Osman Pascha, durch
zwo Festungen gesperret. Diese, wenn ich
mich recht erinnere, führeten ehedem bey den
Griechen die Namen, Nymphaeum Cim-
merium
und Tauricum.
10 Eschderchan] Ein wohlbekanntes
tatarisches Königreich, das itzo den Russen
unterthan ist, und insgemein Astracan genen-
net wird. Dieses Wort bedeutet in der per-
sischen Sprache eine Wohnung der Drachen,
oder einen Herrn der Drachen, welcher Name
den Einwohnern wegen ihrer grausamen und
wilden Gemüthsart beygeleget wurde. Nun-
mehr aber sind sie der Unterthänigkeit derge-

dem
* [Caffa, vor diesem Theodosia genennet.]
2* [Wolga, vor Zeiten Rha.]
3* 11/2 deutsche Meilen.
4* Don.
5* Unser Verfasser schreibet Ajßderchan.
2 T 3

11. Selim der II
ſelben zahlreiche Kriegesheere ſeiner Vorfahrer zu Grunde gegangen waren.
Dieſe Hinderniß nun aus dem Wege zu raͤumen, ſchicket er einen Trupp Sol-H. 976.


J. C. 1568.

daten uͤber das ſchwarze Meer nach Kjefe*, und befiehlet dem Chan von der
Krim, aus allen tatariſchen Staͤmmen Tagloͤhner anzunehmen, ſich mit ſeinen
Gezelten bey dem Fluſſe Eßel2* zu lagern, an dem Orte, da derſelbe nicht mehr
als ſechs italieniſche Meilen3* von dem Teri4* entfernet iſt, und dieſe beyden
Fluͤſſe mittelſt eines Kanals mit einander zu vereinigen. Wenn dieſes Vorha-
ben zu Stande kaͤme: ſo hoffte er, mit leichter Muͤhe zu Waſſer durch Maille 9,
Teri und Eßel in die kaſpiſche See zu dringen, und, weil die Perſer keine Flote
daſelbſt hatten, durch dieſen Weg ein Kriegesheer in Schirwan zu fuͤhren, und
ſolchergeſtalt ohne viele Schwierigkeit ganz Perſien unter den Fuß zu bringen.
Es wuͤrde auch mit dieſem Werke alles nach ſeinem Wunſche gegangen ſeyn;
wenn der oberſte Regierer der Welt geſtattet haͤtte, daß die Grenzen, die er den
Fluͤſſen geſetzet hat, veraͤndert wuͤrden. Als aber der krimiſche Chan, der nach
erhaltenem Befehle von dem Sultan ſich ohne Verzug uͤber Eſchderchan 105* an
[Spaltenumbruch]
Das iſt: Er fing dieſe Bruͤcke an zu bauen;
ehe er ſie aber zu Ende brachte: ſo trat er die
Reiſe nach dem Paradieſe an, durch Huͤlfe
des barmherzigen (Gottes). Schah Sultan
Selim, Gottes Schatten, der ihm nachfolgte,
vollendete das Werk und brachte dieſe lange
Bruͤcke zu Stande. Huͤdaj gab zu der da-
maligen Zeit das Jahr an, in welchem Schah
Selim dieſe Bruͤcke uͤber das Waſſer bauete.
Aus dem letzten Doppelverſe bringet man
durch eine Rechnung, bey ihnen Ebdſched ge-
nennet, die Summe von 974 Jahren zu-
ſammen.
9 Maille] Dieſen Namen hatte vor die-
ſem das Meer von Zabache (Palus Moeotis)
bey den Tuͤrken, wie ich aus den gegenwaͤrti-
gen Worten des Geſchichtſchreibers ſchließe.
Vielleicht iſt es ein verderbtes Wort von
Moeotiſ. Heut zu Tage aber geben die
Tuͤrken dieſe Benennung demjenigen Buſen
des ſchwarzen Meeres, der Otſchakow beruͤh-
[Spaltenumbruch]
ret (das Olbiopolis der Alten). Das
Meer von Zabache wird itzo Aßak Deng-ißi
(die See von Aßof) genennet; und die Meer-
enge deſſelben, vor Alters Boſphorus Cim-
merius
genennet, heißet Gjertſch Taman
Bogaßi. Sie wurde, nachdem die Ruſſen
Aßof eingenommen hatten, von dem tuͤrki-
ſchen Großadmirale, Osman Paſcha, durch
zwo Feſtungen geſperret. Dieſe, wenn ich
mich recht erinnere, fuͤhreten ehedem bey den
Griechen die Namen, Nymphaeum Cim-
merium
und Tauricum.
10 Eſchderchan] Ein wohlbekanntes
tatariſches Koͤnigreich, das itzo den Ruſſen
unterthan iſt, und insgemein Aſtracan genen-
net wird. Dieſes Wort bedeutet in der per-
ſiſchen Sprache eine Wohnung der Drachen,
oder einen Herrn der Drachen, welcher Name
den Einwohnern wegen ihrer grauſamen und
wilden Gemuͤthsart beygeleget wurde. Nun-
mehr aber ſind ſie der Unterthaͤnigkeit derge-

dem
* [Caffa, vor dieſem Theodoſia genennet.]
2* [Wolga, vor Zeiten Rha.]
3* 1½ deutſche Meilen.
4* Don.
5* Unſer Verfaſſer ſchreibet Ajßderchan.
2 T 3
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[333/0425] 11. Selim der II ſelben zahlreiche Kriegesheere ſeiner Vorfahrer zu Grunde gegangen waren. Dieſe Hinderniß nun aus dem Wege zu raͤumen, ſchicket er einen Trupp Sol- daten uͤber das ſchwarze Meer nach Kjefe *, und befiehlet dem Chan von der Krim, aus allen tatariſchen Staͤmmen Tagloͤhner anzunehmen, ſich mit ſeinen Gezelten bey dem Fluſſe Eßel 2* zu lagern, an dem Orte, da derſelbe nicht mehr als ſechs italieniſche Meilen 3* von dem Teri 4* entfernet iſt, und dieſe beyden Fluͤſſe mittelſt eines Kanals mit einander zu vereinigen. Wenn dieſes Vorha- ben zu Stande kaͤme: ſo hoffte er, mit leichter Muͤhe zu Waſſer durch Maille ⁹ , Teri und Eßel in die kaſpiſche See zu dringen, und, weil die Perſer keine Flote daſelbſt hatten, durch dieſen Weg ein Kriegesheer in Schirwan zu fuͤhren, und ſolchergeſtalt ohne viele Schwierigkeit ganz Perſien unter den Fuß zu bringen. Es wuͤrde auch mit dieſem Werke alles nach ſeinem Wunſche gegangen ſeyn; wenn der oberſte Regierer der Welt geſtattet haͤtte, daß die Grenzen, die er den Fluͤſſen geſetzet hat, veraͤndert wuͤrden. Als aber der krimiſche Chan, der nach erhaltenem Befehle von dem Sultan ſich ohne Verzug uͤber Eſchderchan ¹⁰ 5* an dem Das iſt: Er fing dieſe Bruͤcke an zu bauen; ehe er ſie aber zu Ende brachte: ſo trat er die Reiſe nach dem Paradieſe an, durch Huͤlfe des barmherzigen (Gottes). Schah Sultan Selim, Gottes Schatten, der ihm nachfolgte, vollendete das Werk und brachte dieſe lange Bruͤcke zu Stande. Huͤdaj gab zu der da- maligen Zeit das Jahr an, in welchem Schah Selim dieſe Bruͤcke uͤber das Waſſer bauete. Aus dem letzten Doppelverſe bringet man durch eine Rechnung, bey ihnen Ebdſched ge- nennet, die Summe von 974 Jahren zu- ſammen. ⁹ Maille] Dieſen Namen hatte vor die- ſem das Meer von Zabache (Palus Moeotis) bey den Tuͤrken, wie ich aus den gegenwaͤrti- gen Worten des Geſchichtſchreibers ſchließe. Vielleicht iſt es ein verderbtes Wort von Moeotiſ. Heut zu Tage aber geben die Tuͤrken dieſe Benennung demjenigen Buſen des ſchwarzen Meeres, der Otſchakow beruͤh- ret (das Olbiopolis der Alten). Das Meer von Zabache wird itzo Aßak Deng-ißi (die See von Aßof) genennet; und die Meer- enge deſſelben, vor Alters Boſphorus Cim- merius genennet, heißet Gjertſch Taman Bogaßi. Sie wurde, nachdem die Ruſſen Aßof eingenommen hatten, von dem tuͤrki- ſchen Großadmirale, Osman Paſcha, durch zwo Feſtungen geſperret. Dieſe, wenn ich mich recht erinnere, fuͤhreten ehedem bey den Griechen die Namen, Nymphaeum Cim- merium und Tauricum. ¹⁰ Eſchderchan] Ein wohlbekanntes tatariſches Koͤnigreich, das itzo den Ruſſen unterthan iſt, und insgemein Aſtracan genen- net wird. Dieſes Wort bedeutet in der per- ſiſchen Sprache eine Wohnung der Drachen, oder einen Herrn der Drachen, welcher Name den Einwohnern wegen ihrer grauſamen und wilden Gemuͤthsart beygeleget wurde. Nun- mehr aber ſind ſie der Unterthaͤnigkeit derge- ſtalt H. 976. J. C. 1568. * [Caffa, vor dieſem Theodoſia genennet.] 2* [Wolga, vor Zeiten Rha.] 3* 1½ deutſche Meilen. 4* Don. 5* Unſer Verfaſſer ſchreibet Ajßderchan. 2 T 3

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/425>, abgerufen am 22.11.2024.