Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.Osmanische Geschichte "werden verdienet, sich unterstanden, unsere Macht zu verachten und uns ver-"schiedenemale zu höhnen. Ihrer letztern Beschimpfungen gegen uns, und "ihrer verrätherischen Eroberung von Tenedos, dadurch und durch ihre viel- "fältigen Seeräubereyen an den asiatischen und europäischen Ufern sie den Ha- "fen von Constantinopel gleichsam gesperret halten, füritzo nicht zu erwähnen: "so will ich nur bloß die Ketten und Bande hier anführen, damit sie diejeni- "gen Müsülmanen belegen, die nach einem göttlichen Antriebe über das mittel- "ländische Meer reisen, um die ehrwürdigen Reste unseres allerheiligsten Pro- "pheten zu besuchen; eben als wenn man diejenigen zu ewigen Strafen ver- "dammen müßte, die im Begriffe sind, ihr eigenes ewiges Heil und diejenige "Glückseligkeit zu suchen, die ihnen von unserm Propheten ist verheißen wor- "den. Wenn das Blut dieser Märtirer unsere Gemüther nicht feurig machen "kann: so wird ihr Schreyen unsere Vorältern, nebst allen den als Mär- "tirer gestorbenen Helden, aus dem Tode erwecken, und diese werden uns "schelten, wenn wir gestatten, daß der Ruhm und die Hoheit des osmanischen "Reichs, die dieselben mit so vielem Blute und so vieler Mühe erworben ha- "ben, durch den Muthwillen einiger wenigen schwachen Räuber beflecket wird. "Unser Schimpf und unsere Schande wird dadurch noch mehr vergrößert, "wenn wir uns zu Gemüthe führen, daß unsere Feinde fast aus allen Eylän- "dern des mittelländischen Meeres vertrieben sind, daß Krete noch dazu ero- "bert ist, und daß nur das einzige Kandia noch nicht recht angegriffen worden, "noch die Stärke des osmanischen Schwertes gefühlet hat, dessen Schärfe den "Feinden bis in die Seele hinein dringet. Wollt ihr einwenden; diese Stadt "sey sehr stark und von Natur und Kunst wohl befestiget: so wisset, daß der "osmanische Muth und Kräfte noch stärker sind, vor denen, wie ich gesehen "habe, Festungen so hoch als der Himmel zu Boden gefallen sind. Wenn ihr "also euch der Bestürmung der Stadt widersetzet und an dem guten Erfolge "davon verzaget; da doch dieselbe die Zuflucht der Seeräuber und die Nieder- "lage der geraubten Güter ist: so wird man es eben so ansehen müssen, als "wenn ihr zum Frieden mit den Venetianern rathen und die Herrschaft zur "See aufgeben wolltet. Wie schimpflich aber dieses für die Bezwinger der "Welt seyn würde: das habe ich nicht nöthig zu erwähnen. Du also, der "du unser oberster Weßir bist, Lala Aehmed Pascha, erzeige dich als einen "würdigen Nachkömmling deines Vaters; fasse einen Muth, versammle die "Truppen und mache die nöthigen Zurüstungen zu der Belagerung von Kan- [Spaltenumbruch] mals einige andere Zeichen der Ehrerbietig- [Spaltenumbruch]
keit. 5 Termes] Eine geringe Stadt in Thes- salien an dem Ufer des ägeischen Meeres, von "dia;
Osmaniſche Geſchichte “werden verdienet, ſich unterſtanden, unſere Macht zu verachten und uns ver-“ſchiedenemale zu hoͤhnen. Ihrer letztern Beſchimpfungen gegen uns, und “ihrer verraͤtheriſchen Eroberung von Tenedos, dadurch und durch ihre viel- “faͤltigen Seeraͤubereyen an den aſiatiſchen und europaͤiſchen Ufern ſie den Ha- “fen von Conſtantinopel gleichſam geſperret halten, fuͤritzo nicht zu erwaͤhnen: “ſo will ich nur bloß die Ketten und Bande hier anfuͤhren, damit ſie diejeni- “gen Muͤſuͤlmanen belegen, die nach einem goͤttlichen Antriebe uͤber das mittel- “laͤndiſche Meer reiſen, um die ehrwuͤrdigen Reſte unſeres allerheiligſten Pro- “pheten zu beſuchen; eben als wenn man diejenigen zu ewigen Strafen ver- “dammen muͤßte, die im Begriffe ſind, ihr eigenes ewiges Heil und diejenige “Gluͤckſeligkeit zu ſuchen, die ihnen von unſerm Propheten iſt verheißen wor- “den. Wenn das Blut dieſer Maͤrtirer unſere Gemuͤther nicht feurig machen “kann: ſo wird ihr Schreyen unſere Voraͤltern, nebſt allen den als Maͤr- “tirer geſtorbenen Helden, aus dem Tode erwecken, und dieſe werden uns “ſchelten, wenn wir geſtatten, daß der Ruhm und die Hoheit des osmaniſchen “Reichs, die dieſelben mit ſo vielem Blute und ſo vieler Muͤhe erworben ha- “ben, durch den Muthwillen einiger wenigen ſchwachen Raͤuber beflecket wird. “Unſer Schimpf und unſere Schande wird dadurch noch mehr vergroͤßert, “wenn wir uns zu Gemuͤthe fuͤhren, daß unſere Feinde faſt aus allen Eylaͤn- “dern des mittellaͤndiſchen Meeres vertrieben ſind, daß Krete noch dazu ero- “bert iſt, und daß nur das einzige Kandia noch nicht recht angegriffen worden, “noch die Staͤrke des osmaniſchen Schwertes gefuͤhlet hat, deſſen Schaͤrfe den “Feinden bis in die Seele hinein dringet. Wollt ihr einwenden; dieſe Stadt “ſey ſehr ſtark und von Natur und Kunſt wohl befeſtiget: ſo wiſſet, daß der “osmaniſche Muth und Kraͤfte noch ſtaͤrker ſind, vor denen, wie ich geſehen “habe, Feſtungen ſo hoch als der Himmel zu Boden gefallen ſind. Wenn ihr “alſo euch der Beſtuͤrmung der Stadt widerſetzet und an dem guten Erfolge “davon verzaget; da doch dieſelbe die Zuflucht der Seeraͤuber und die Nieder- “lage der geraubten Guͤter iſt: ſo wird man es eben ſo anſehen muͤſſen, als “wenn ihr zum Frieden mit den Venetianern rathen und die Herrſchaft zur “See aufgeben wolltet. Wie ſchimpflich aber dieſes fuͤr die Bezwinger der “Welt ſeyn wuͤrde: das habe ich nicht noͤthig zu erwaͤhnen. Du alſo, der “du unſer oberſter Weßir biſt, Lala Aehmed Paſcha, erzeige dich als einen “wuͤrdigen Nachkoͤmmling deines Vaters; faſſe einen Muth, verſammle die “Truppen und mache die noͤthigen Zuruͤſtungen zu der Belagerung von Kan- [Spaltenumbruch] mals einige andere Zeichen der Ehrerbietig- [Spaltenumbruch]
keit. 5 Termes] Eine geringe Stadt in Theſ- ſalien an dem Ufer des aͤgeiſchen Meeres, von “dia;
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0500" n="392"/><fw place="top" type="header">Osmaniſche Geſchichte</fw><lb/> “werden verdienet, ſich unterſtanden, unſere Macht zu verachten und uns ver-<lb/> “ſchiedenemale zu hoͤhnen. Ihrer letztern Beſchimpfungen gegen uns, und<lb/> “ihrer verraͤtheriſchen Eroberung von Tenedos, dadurch und durch ihre viel-<lb/> “faͤltigen Seeraͤubereyen an den aſiatiſchen und europaͤiſchen Ufern ſie den Ha-<lb/> “fen von Conſtantinopel gleichſam geſperret halten, fuͤritzo nicht zu erwaͤhnen:<lb/> “ſo will ich nur bloß die Ketten und Bande hier anfuͤhren, damit ſie diejeni-<lb/> “gen Muͤſuͤlmanen belegen, die nach einem goͤttlichen Antriebe uͤber das mittel-<lb/> “laͤndiſche Meer reiſen, um die ehrwuͤrdigen Reſte unſeres allerheiligſten Pro-<lb/> “pheten zu beſuchen; eben als wenn man diejenigen zu ewigen Strafen ver-<lb/> “dammen muͤßte, die im Begriffe ſind, ihr eigenes ewiges Heil und diejenige<lb/> “Gluͤckſeligkeit zu ſuchen, die ihnen von unſerm Propheten iſt verheißen wor-<lb/> “den. Wenn das Blut dieſer Maͤrtirer unſere Gemuͤther nicht feurig machen<lb/> “kann: ſo wird ihr Schreyen unſere Voraͤltern, nebſt allen den als Maͤr-<lb/> “tirer geſtorbenen Helden, aus dem Tode erwecken, und dieſe werden uns<lb/> “ſchelten, wenn wir geſtatten, daß der Ruhm und die Hoheit des osmaniſchen<lb/> “Reichs, die dieſelben mit ſo vielem Blute und ſo vieler Muͤhe erworben ha-<lb/> “ben, durch den Muthwillen einiger wenigen ſchwachen Raͤuber beflecket wird.<lb/> “Unſer Schimpf und unſere Schande wird dadurch noch mehr vergroͤßert,<lb/> “wenn wir uns zu Gemuͤthe fuͤhren, daß unſere Feinde faſt aus allen Eylaͤn-<lb/> “dern des mittellaͤndiſchen Meeres vertrieben ſind, daß Krete noch dazu ero-<lb/> “bert iſt, und daß nur das einzige Kandia noch nicht recht angegriffen worden,<lb/> “noch die Staͤrke des osmaniſchen Schwertes gefuͤhlet hat, deſſen Schaͤrfe den<lb/> “Feinden bis in die Seele hinein dringet. Wollt ihr einwenden; dieſe Stadt<lb/> “ſey ſehr ſtark und von Natur und Kunſt wohl befeſtiget: ſo wiſſet, daß der<lb/> “osmaniſche Muth und Kraͤfte noch ſtaͤrker ſind, vor denen, wie ich geſehen<lb/> “habe, Feſtungen ſo hoch als der Himmel zu Boden gefallen ſind. Wenn ihr<lb/> “alſo euch der Beſtuͤrmung der Stadt widerſetzet und an dem guten Erfolge<lb/> “davon verzaget; da doch dieſelbe die Zuflucht der Seeraͤuber und die Nieder-<lb/> “lage der geraubten Guͤter iſt: ſo wird man es eben ſo anſehen muͤſſen, als<lb/> “wenn ihr zum Frieden mit den Venetianern rathen und die Herrſchaft zur<lb/> “See aufgeben wolltet. Wie ſchimpflich aber dieſes fuͤr die Bezwinger der<lb/> “Welt ſeyn wuͤrde: das habe ich nicht noͤthig zu erwaͤhnen. Du alſo, der<lb/> “du unſer oberſter Weßir biſt, Lala Aehmed Paſcha, erzeige dich als einen<lb/> “wuͤrdigen Nachkoͤmmling deines Vaters; faſſe einen Muth, verſammle die<lb/> “Truppen und mache die noͤthigen Zuruͤſtungen zu der Belagerung von Kan-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">“dia;</fw><lb/><cb n="1"/><lb/><note xml:id="J500" prev="#J499" place="end">mals einige andere Zeichen der Ehrerbietig-<lb/> keit.</note><lb/><cb n="2"/><lb/><note xml:id="K500" next="#K501" place="end" n="5">Termes] Eine geringe Stadt in Theſ-<lb/> ſalien an dem Ufer des aͤgeiſchen Meeres, von<lb/> <fw place="bottom" type="catch">den</fw></note><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [392/0500]
Osmaniſche Geſchichte
“werden verdienet, ſich unterſtanden, unſere Macht zu verachten und uns ver-
“ſchiedenemale zu hoͤhnen. Ihrer letztern Beſchimpfungen gegen uns, und
“ihrer verraͤtheriſchen Eroberung von Tenedos, dadurch und durch ihre viel-
“faͤltigen Seeraͤubereyen an den aſiatiſchen und europaͤiſchen Ufern ſie den Ha-
“fen von Conſtantinopel gleichſam geſperret halten, fuͤritzo nicht zu erwaͤhnen:
“ſo will ich nur bloß die Ketten und Bande hier anfuͤhren, damit ſie diejeni-
“gen Muͤſuͤlmanen belegen, die nach einem goͤttlichen Antriebe uͤber das mittel-
“laͤndiſche Meer reiſen, um die ehrwuͤrdigen Reſte unſeres allerheiligſten Pro-
“pheten zu beſuchen; eben als wenn man diejenigen zu ewigen Strafen ver-
“dammen muͤßte, die im Begriffe ſind, ihr eigenes ewiges Heil und diejenige
“Gluͤckſeligkeit zu ſuchen, die ihnen von unſerm Propheten iſt verheißen wor-
“den. Wenn das Blut dieſer Maͤrtirer unſere Gemuͤther nicht feurig machen
“kann: ſo wird ihr Schreyen unſere Voraͤltern, nebſt allen den als Maͤr-
“tirer geſtorbenen Helden, aus dem Tode erwecken, und dieſe werden uns
“ſchelten, wenn wir geſtatten, daß der Ruhm und die Hoheit des osmaniſchen
“Reichs, die dieſelben mit ſo vielem Blute und ſo vieler Muͤhe erworben ha-
“ben, durch den Muthwillen einiger wenigen ſchwachen Raͤuber beflecket wird.
“Unſer Schimpf und unſere Schande wird dadurch noch mehr vergroͤßert,
“wenn wir uns zu Gemuͤthe fuͤhren, daß unſere Feinde faſt aus allen Eylaͤn-
“dern des mittellaͤndiſchen Meeres vertrieben ſind, daß Krete noch dazu ero-
“bert iſt, und daß nur das einzige Kandia noch nicht recht angegriffen worden,
“noch die Staͤrke des osmaniſchen Schwertes gefuͤhlet hat, deſſen Schaͤrfe den
“Feinden bis in die Seele hinein dringet. Wollt ihr einwenden; dieſe Stadt
“ſey ſehr ſtark und von Natur und Kunſt wohl befeſtiget: ſo wiſſet, daß der
“osmaniſche Muth und Kraͤfte noch ſtaͤrker ſind, vor denen, wie ich geſehen
“habe, Feſtungen ſo hoch als der Himmel zu Boden gefallen ſind. Wenn ihr
“alſo euch der Beſtuͤrmung der Stadt widerſetzet und an dem guten Erfolge
“davon verzaget; da doch dieſelbe die Zuflucht der Seeraͤuber und die Nieder-
“lage der geraubten Guͤter iſt: ſo wird man es eben ſo anſehen muͤſſen, als
“wenn ihr zum Frieden mit den Venetianern rathen und die Herrſchaft zur
“See aufgeben wolltet. Wie ſchimpflich aber dieſes fuͤr die Bezwinger der
“Welt ſeyn wuͤrde: das habe ich nicht noͤthig zu erwaͤhnen. Du alſo, der
“du unſer oberſter Weßir biſt, Lala Aehmed Paſcha, erzeige dich als einen
“wuͤrdigen Nachkoͤmmling deines Vaters; faſſe einen Muth, verſammle die
“Truppen und mache die noͤthigen Zuruͤſtungen zu der Belagerung von Kan-
“dia;
mals einige andere Zeichen der Ehrerbietig-
keit.
⁵ Termes] Eine geringe Stadt in Theſ-
ſalien an dem Ufer des aͤgeiſchen Meeres, von
den
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |