Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.Osmanische Geschichte waren, die Tatarn, von denen sie aus der Erfahrung wußten, daß es ihre Tod-feinde waren, für ihre Erretter zu erkennen. Denn der Kaiser ließ sich durch die Fürbitte des Chans von der krimischen Tatarey bewegen, da er eben mit seinem Lager vor Butschatsch stunde, ihnen den Frieden zu verwilligen, und glaubte, das Andenken der erlittenen Niederlagen und ihre eigene Schwäche würden sie abhalten, das mindeste zu unternehmen, was denen Friedensbedin- gungen, die ihnen verwilliget worden, entgegen wäre. In dieser Meinung kehrete derselbe im Monate Schäban, wie bereits oben gedacht worden, nach Adrianopel zurück, und ließ seine Truppen aus einander gehen, als die durch so viele Arbeit und Reisen müde und matt geworden waren. Polen verwerfen den Frieden, den ihr König mit dem Sultane ge-schlossen hat. 2. Mitten unter den Freudenbezeigungen und dem Glückwünschen seines 1 für den Kuron] Die Leser werden sich vielleicht verwundern, daß hier die Ach- tung für den Kuron mit unter den Ursachen angeführet wird, warum der Friede zu Bu- tschatsch geschlossen worden: wenn ihnen be- kannt ist, daß die Türken durch keinen andern Grund ihres Aberglaubens zu einer beständi- gen Feindschaft gegen die Christen so sehr an- gefrischet werden, als durch eben diese Samm- lung von Gotteslästerungen. Allein, unge- achtet ihnen durch die Gebote des Kurons an- befohlen ist, die Christen zu bekriegen, und sollte auch keine andere Ursache dazu vorhan- den seyn, als die Fortpflanzung des muhäm- medischen Glaubens: so bestimmet doch die- ses Gesetz auch zugleich die Umstände, bey denen ein Friede geschlossen werden kann und soll. Denn erstlich erlaubet dasselbe, einen [Spaltenumbruch] Stillstand zu machen; wenn der Feind stär- ker ist, als die Müsülmanen: damit diese Zeit haben mögen, ihre Truppen zu vermeh- ren und sich an ihren Wunden, wenn sie de- ren einige bekommen haben, heilen zu lassen. Hernach befiehlet es, daß ein fester und dauer- hafter Friede geschlossen werden solle: wenn der Feind die muhämmedische Religion an- nimmt, als deren Ausbreitung der einzige Endzweck eines rechtmäßigen Krieges ist; oder, wenn er verspricht, einen jährlichen Tribut zu bezahlen. Denn in solchem Falle kann derselbe nicht weiter zu dem muhämme- dischen Glauben gezwungen werden, und man darf ihm auch auf keine Weise einiges Leid zufügen; außer wenn er abfällig wird. Wenn iemand gegen einen solchen Tribut bezahlen- den Unterthanen Feindseligkeiten ausübet: so Zeitung
Osmaniſche Geſchichte waren, die Tatarn, von denen ſie aus der Erfahrung wußten, daß es ihre Tod-feinde waren, fuͤr ihre Erretter zu erkennen. Denn der Kaiſer ließ ſich durch die Fuͤrbitte des Chans von der krimiſchen Tatarey bewegen, da er eben mit ſeinem Lager vor Butſchatſch ſtunde, ihnen den Frieden zu verwilligen, und glaubte, das Andenken der erlittenen Niederlagen und ihre eigene Schwaͤche wuͤrden ſie abhalten, das mindeſte zu unternehmen, was denen Friedensbedin- gungen, die ihnen verwilliget worden, entgegen waͤre. In dieſer Meinung kehrete derſelbe im Monate Schaͤban, wie bereits oben gedacht worden, nach Adrianopel zuruͤck, und ließ ſeine Truppen aus einander gehen, als die durch ſo viele Arbeit und Reiſen muͤde und matt geworden waren. Polen verwerfen den Frieden, den ihr Koͤnig mit dem Sultane ge-ſchloſſen hat. 2. Mitten unter den Freudenbezeigungen und dem Gluͤckwuͤnſchen ſeines 1 fuͤr den Kuron] Die Leſer werden ſich vielleicht verwundern, daß hier die Ach- tung fuͤr den Kuron mit unter den Urſachen angefuͤhret wird, warum der Friede zu Bu- tſchatſch geſchloſſen worden: wenn ihnen be- kannt iſt, daß die Tuͤrken durch keinen andern Grund ihres Aberglaubens zu einer beſtaͤndi- gen Feindſchaft gegen die Chriſten ſo ſehr an- gefriſchet werden, als durch eben dieſe Samm- lung von Gotteslaͤſterungen. Allein, unge- achtet ihnen durch die Gebote des Kurons an- befohlen iſt, die Chriſten zu bekriegen, und ſollte auch keine andere Urſache dazu vorhan- den ſeyn, als die Fortpflanzung des muhaͤm- mediſchen Glaubens: ſo beſtimmet doch die- ſes Geſetz auch zugleich die Umſtaͤnde, bey denen ein Friede geſchloſſen werden kann und ſoll. Denn erſtlich erlaubet daſſelbe, einen [Spaltenumbruch] Stillſtand zu machen; wenn der Feind ſtaͤr- ker iſt, als die Muͤſuͤlmanen: damit dieſe Zeit haben moͤgen, ihre Truppen zu vermeh- ren und ſich an ihren Wunden, wenn ſie de- ren einige bekommen haben, heilen zu laſſen. Hernach befiehlet es, daß ein feſter und dauer- hafter Friede geſchloſſen werden ſolle: wenn der Feind die muhaͤmmediſche Religion an- nimmt, als deren Ausbreitung der einzige Endzweck eines rechtmaͤßigen Krieges iſt; oder, wenn er verſpricht, einen jaͤhrlichen Tribut zu bezahlen. Denn in ſolchem Falle kann derſelbe nicht weiter zu dem muhaͤmme- diſchen Glauben gezwungen werden, und man darf ihm auch auf keine Weiſe einiges Leid zufuͤgen; außer wenn er abfaͤllig wird. Wenn iemand gegen einen ſolchen Tribut bezahlen- den Unterthanen Feindſeligkeiten ausuͤbet: ſo Zeitung
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Osmaniſche Geſchichte
waren, die Tatarn, von denen ſie aus der Erfahrung wußten, daß es ihre Tod-
feinde waren, fuͤr ihre Erretter zu erkennen. Denn der Kaiſer ließ ſich durch
die Fuͤrbitte des Chans von der krimiſchen Tatarey bewegen, da er eben mit
ſeinem Lager vor Butſchatſch ſtunde, ihnen den Frieden zu verwilligen, und
glaubte, das Andenken der erlittenen Niederlagen und ihre eigene Schwaͤche
wuͤrden ſie abhalten, das mindeſte zu unternehmen, was denen Friedensbedin-
gungen, die ihnen verwilliget worden, entgegen waͤre. In dieſer Meinung
kehrete derſelbe im Monate Schaͤban, wie bereits oben gedacht worden, nach
Adrianopel zuruͤck, und ließ ſeine Truppen aus einander gehen, als die durch
ſo viele Arbeit und Reiſen muͤde und matt geworden waren.
2. Mitten unter den Freudenbezeigungen und dem Gluͤckwuͤnſchen ſeines
Volkes, als derſelbe der polniſchen Abgeſandten gewaͤrtig war, die den verſpro-
chenen Tribut von zwanzig tauſend Reichsthalern uͤberbringen, und die Frie-
densbedingungen im Namen des geſamten Koͤnigreiches beſtaͤtigen ſollten: er-
hielte er Nachricht, daß der Feldherr der Koſaken, Doroſchenſko, aufruͤhriſch
geworden waͤre, und mit einem großen Haufen ſeiner Leute die Grenzen des
osmaniſchen Reichs verwuͤſtete; auch, daß ſeine Partey taͤglich anwuͤchſe.
Nun ſchiene es zwar keine große Schwierigkeit zu haben, dieſes Feuer zu daͤm-
pfen, ſo lange in Polen noch alles ruhig war: allein es lief bald darauf neue
Zeitung
¹ fuͤr den Kuron] Die Leſer werden
ſich vielleicht verwundern, daß hier die Ach-
tung fuͤr den Kuron mit unter den Urſachen
angefuͤhret wird, warum der Friede zu Bu-
tſchatſch geſchloſſen worden: wenn ihnen be-
kannt iſt, daß die Tuͤrken durch keinen andern
Grund ihres Aberglaubens zu einer beſtaͤndi-
gen Feindſchaft gegen die Chriſten ſo ſehr an-
gefriſchet werden, als durch eben dieſe Samm-
lung von Gotteslaͤſterungen. Allein, unge-
achtet ihnen durch die Gebote des Kurons an-
befohlen iſt, die Chriſten zu bekriegen, und
ſollte auch keine andere Urſache dazu vorhan-
den ſeyn, als die Fortpflanzung des muhaͤm-
mediſchen Glaubens: ſo beſtimmet doch die-
ſes Geſetz auch zugleich die Umſtaͤnde, bey
denen ein Friede geſchloſſen werden kann und
ſoll. Denn erſtlich erlaubet daſſelbe, einen
Stillſtand zu machen; wenn der Feind ſtaͤr-
ker iſt, als die Muͤſuͤlmanen: damit dieſe
Zeit haben moͤgen, ihre Truppen zu vermeh-
ren und ſich an ihren Wunden, wenn ſie de-
ren einige bekommen haben, heilen zu laſſen.
Hernach befiehlet es, daß ein feſter und dauer-
hafter Friede geſchloſſen werden ſolle: wenn
der Feind die muhaͤmmediſche Religion an-
nimmt, als deren Ausbreitung der einzige
Endzweck eines rechtmaͤßigen Krieges iſt;
oder, wenn er verſpricht, einen jaͤhrlichen
Tribut zu bezahlen. Denn in ſolchem Falle
kann derſelbe nicht weiter zu dem muhaͤmme-
diſchen Glauben gezwungen werden, und man
darf ihm auch auf keine Weiſe einiges Leid
zufuͤgen; außer wenn er abfaͤllig wird. Wenn
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den Unterthanen Feindſeligkeiten ausuͤbet: ſo
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