Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.19. Muhämmed der IIII Zeitung ein, daß die Polen anfingen, sich den Frieden reuen zu lassen, und daßsie durch die Versprechungen des Kaisers in Deutschland und des Pabstes auf- gehetzet worden wären, und sich itzo aufs neue zum Kriege rüsteten. Diese Zeitung wurde nicht lange hernach bekräftiget, durch ein Schreiben des Groß- kanzlers des Reiches an den Weßir Kjüprili Aehmed Pascha, darinnen derselbe meldete, daß die Stände von Polen die Friedensbedingungen, denen ihr König sich ohne ihre Einwilligung unterworfen habe, für nichtig und ungültig erkläre- ten, und lieber sterben, als den Schimpf haben wollten, daß man von ihnen sa- gete, sie hätten nur einen Pfenning Tribut bezahlet. 3. Als der Kaiser dieses erfuhr, und sahe, daß er von den Polen betro-Der Weßir drin- soll er nach dem Kuron eben so hart gestrafet werden, als wenn er einen Müsülman an seinem Hause oder seinen liegenden Gütern angegriffen hätte. Denn das Fetwa giebt in dieser Sache folgenden Ausspruch: An- lerüng Mali bißüm Malimüß, gjibi Dschane Dschan, Gjöße Gjöß, u. s. w.; eines solchen Menschen Gut und Vermögen ist anzusehen wie unser Gut, seine Seele wie unsere Seele, sein Auge wie unser Auge, u. s. w. 2 Versprechen eines Tributs] Ich gebe hier mit Recht als eine anderweite Ur- sache der Schließung des letztern polnischen Friedens an, das Versprechen, das damals der König in Polen that, Tribut zu bezahlen. Denn die Türken sind auf nichts so sehr er- picht, als ihren Feind dahin zu vermögen, daß er ihnen eine kleine Summe Geldes be- [Spaltenumbruch] zahle, der sie gar leicht den Namen eines Tri- buts geben. Wann sie dieses einmal erhalten haben: so fehlet es ihnen hernach nicht an Erfindungen, diese Summe täglich zu stei- gern und sie in einen wirklichen Tribut zu verwandeln; auf welche Weise sie dann die- jenigen Länder, die bloß die Absicht hatten, sich unter ihren Schutz zu begeben, völlig unter ihre Botmäßigkeit bringen. Beyspiele von dergleichen Betruge sind nicht allein die christlichen Fürsten von Moldau und Wala- chey; sondern auch der Chan in der krimi- schen Tatarey, der selbst ein Muhämmedi- scher und mit ihnen einerley Religion zuge- than ist. Denn die Vorfahrer desselben ge- nossen weit größere Freyheiten, da sie sich den Türken unterwarfen, als ihren Nachkom- men heutiges Tages davon übrig gelassen ist. dens- 3 F 3
19. Muhaͤmmed der IIII Zeitung ein, daß die Polen anfingen, ſich den Frieden reuen zu laſſen, und daßſie durch die Verſprechungen des Kaiſers in Deutſchland und des Pabſtes auf- gehetzet worden waͤren, und ſich itzo aufs neue zum Kriege ruͤſteten. Dieſe Zeitung wurde nicht lange hernach bekraͤftiget, durch ein Schreiben des Groß- kanzlers des Reiches an den Weßir Kjuͤprili Aehmed Paſcha, darinnen derſelbe meldete, daß die Staͤnde von Polen die Friedensbedingungen, denen ihr Koͤnig ſich ohne ihre Einwilligung unterworfen habe, fuͤr nichtig und unguͤltig erklaͤre- ten, und lieber ſterben, als den Schimpf haben wollten, daß man von ihnen ſa- gete, ſie haͤtten nur einen Pfenning Tribut bezahlet. 3. Als der Kaiſer dieſes erfuhr, und ſahe, daß er von den Polen betro-Der Weßir drin- ſoll er nach dem Kuron eben ſo hart geſtrafet werden, als wenn er einen Muͤſuͤlman an ſeinem Hauſe oder ſeinen liegenden Guͤtern angegriffen haͤtte. Denn das Fetwa giebt in dieſer Sache folgenden Ausſpruch: An- leruͤng Mali bißuͤm Malimuͤß, gjibi Dſchane Dſchan, Gjoͤße Gjoͤß, u. ſ. w.; eines ſolchen Menſchen Gut und Vermoͤgen iſt anzuſehen wie unſer Gut, ſeine Seele wie unſere Seele, ſein Auge wie unſer Auge, u. ſ. w. 2 Verſprechen eines Tributs] Ich gebe hier mit Recht als eine anderweite Ur- ſache der Schließung des letztern polniſchen Friedens an, das Verſprechen, das damals der Koͤnig in Polen that, Tribut zu bezahlen. Denn die Tuͤrken ſind auf nichts ſo ſehr er- picht, als ihren Feind dahin zu vermoͤgen, daß er ihnen eine kleine Summe Geldes be- [Spaltenumbruch] zahle, der ſie gar leicht den Namen eines Tri- buts geben. Wann ſie dieſes einmal erhalten haben: ſo fehlet es ihnen hernach nicht an Erfindungen, dieſe Summe taͤglich zu ſtei- gern und ſie in einen wirklichen Tribut zu verwandeln; auf welche Weiſe ſie dann die- jenigen Laͤnder, die bloß die Abſicht hatten, ſich unter ihren Schutz zu begeben, voͤllig unter ihre Botmaͤßigkeit bringen. Beyſpiele von dergleichen Betruge ſind nicht allein die chriſtlichen Fuͤrſten von Moldau und Wala- chey; ſondern auch der Chan in der krimi- ſchen Tatarey, der ſelbſt ein Muhaͤmmedi- ſcher und mit ihnen einerley Religion zuge- than iſt. Denn die Vorfahrer deſſelben ge- noſſen weit groͤßere Freyheiten, da ſie ſich den Tuͤrken unterwarfen, als ihren Nachkom- men heutiges Tages davon uͤbrig gelaſſen iſt. dens- 3 F 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0521" n="413"/><fw place="top" type="header">19. Muhaͤmmed der <hi rendition="#aq">IIII</hi></fw><lb/> Zeitung ein, daß die Polen anfingen, ſich den Frieden reuen zu laſſen, und daß<lb/> ſie durch die Verſprechungen des Kaiſers in Deutſchland und des Pabſtes auf-<lb/> gehetzet worden waͤren, und ſich itzo aufs neue zum Kriege ruͤſteten. Dieſe<lb/> Zeitung wurde nicht lange hernach bekraͤftiget, durch ein Schreiben des Groß-<lb/> kanzlers des Reiches an den Weßir Kjuͤprili Aehmed Paſcha, darinnen derſelbe<lb/> meldete, daß die Staͤnde von Polen die Friedensbedingungen, denen ihr Koͤnig<lb/> ſich ohne ihre Einwilligung unterworfen habe, fuͤr nichtig und unguͤltig erklaͤre-<lb/> ten, und lieber ſterben, als den Schimpf haben wollten, daß man von ihnen ſa-<lb/> gete, ſie haͤtten nur einen Pfenning Tribut bezahlet.</p> </div><lb/> <div n="3"> <head>3.</head> <p>Als der Kaiſer dieſes erfuhr, und ſahe, daß er von den Polen betro-<note place="right">Der Weßir drin-<lb/> get bey den pol-<lb/> niſchen Abge-<lb/> ſandten darauf,<lb/> daß ſie ihr Ver-<lb/> ſprechen erfuͤllen<lb/> ſollten.</note><lb/> gen war: ſo bereuete er es gar ſehr, daß er ſich durch eine unzeitige Achtung fuͤr<lb/> den Kuron <note place="end" n="1"/> und das Verſprechen eines Tributs <note place="end" n="2"/> hatte bewegen laſſen, den<lb/> Krieg zu endigen und ſeine Truppen zuruͤck zu fuͤhren; weil dieſe in den Win-<lb/> terlagern in Podolien und Moldau nicht ſo viele Muͤhſeligkeiten wuͤrden ausge-<lb/> ſtanden haben, als auf ihrer Heimreiſe. Inzwiſchen ſpuͤrete er doch mehr Trieb<lb/> zur Ahndung bey ſich, als Furcht; und faſſete den Entſchluß, dieſe ihm ange-<lb/> thane Beleidigung auf das ſchaͤrfſte und nachdruͤcklichſte zu raͤchen. Der Weßir<lb/> antwortete auf das Schreiben der Staͤnde in Polen mit entſetzlichen Drohwor-<lb/> ten: ſchalt dieſelben wegen ihrer Treuloſigkeit, daß ſie ſich weigerten, die Frie-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">dens-</fw><lb/><cb n="1"/><lb/><note xml:id="O521" prev="#O520" place="end">ſoll er nach dem Kuron eben ſo hart geſtrafet<lb/> werden, als wenn er einen Muͤſuͤlman an<lb/> ſeinem Hauſe oder ſeinen liegenden Guͤtern<lb/> angegriffen haͤtte. Denn das Fetwa giebt<lb/> in dieſer Sache folgenden Ausſpruch: An-<lb/> leruͤng Mali bißuͤm Malimuͤß, gjibi Dſchane<lb/> Dſchan, Gjoͤße Gjoͤß, u. ſ. w.; eines ſolchen<lb/> Menſchen Gut und Vermoͤgen iſt anzuſehen<lb/> wie unſer Gut, ſeine Seele wie unſere Seele,<lb/> ſein Auge wie unſer Auge, u. ſ. w.</note><lb/><note place="end" n="2">Verſprechen eines Tributs] Ich<lb/> gebe hier mit Recht als eine anderweite Ur-<lb/> ſache der Schließung des letztern polniſchen<lb/> Friedens an, das Verſprechen, das damals<lb/> der Koͤnig in Polen that, Tribut zu bezahlen.<lb/> Denn die Tuͤrken ſind auf nichts ſo ſehr er-<lb/> picht, als ihren Feind dahin zu vermoͤgen,<lb/> daß er ihnen eine kleine Summe Geldes be-<lb/><cb n="2"/><lb/> zahle, der ſie gar leicht den Namen eines Tri-<lb/> buts geben. Wann ſie dieſes einmal erhalten<lb/> haben: ſo fehlet es ihnen hernach nicht an<lb/> Erfindungen, dieſe Summe taͤglich zu ſtei-<lb/> gern und ſie in einen wirklichen Tribut zu<lb/> verwandeln; auf welche Weiſe ſie dann die-<lb/> jenigen Laͤnder, die bloß die Abſicht hatten,<lb/> ſich unter ihren Schutz zu begeben, voͤllig<lb/> unter ihre Botmaͤßigkeit bringen. Beyſpiele<lb/> von dergleichen Betruge ſind nicht allein die<lb/> chriſtlichen Fuͤrſten von Moldau und Wala-<lb/> chey; ſondern auch der Chan in der krimi-<lb/> ſchen Tatarey, der ſelbſt ein Muhaͤmmedi-<lb/> ſcher und mit ihnen einerley Religion zuge-<lb/> than iſt. Denn die Vorfahrer deſſelben ge-<lb/> noſſen weit groͤßere Freyheiten, da ſie ſich<lb/> den Tuͤrken unterwarfen, als ihren Nachkom-<lb/> men heutiges Tages davon uͤbrig gelaſſen iſt.</note><lb/> <fw place="bottom" type="sig">3 F 3</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [413/0521]
19. Muhaͤmmed der IIII
Zeitung ein, daß die Polen anfingen, ſich den Frieden reuen zu laſſen, und daß
ſie durch die Verſprechungen des Kaiſers in Deutſchland und des Pabſtes auf-
gehetzet worden waͤren, und ſich itzo aufs neue zum Kriege ruͤſteten. Dieſe
Zeitung wurde nicht lange hernach bekraͤftiget, durch ein Schreiben des Groß-
kanzlers des Reiches an den Weßir Kjuͤprili Aehmed Paſcha, darinnen derſelbe
meldete, daß die Staͤnde von Polen die Friedensbedingungen, denen ihr Koͤnig
ſich ohne ihre Einwilligung unterworfen habe, fuͤr nichtig und unguͤltig erklaͤre-
ten, und lieber ſterben, als den Schimpf haben wollten, daß man von ihnen ſa-
gete, ſie haͤtten nur einen Pfenning Tribut bezahlet.
3. Als der Kaiſer dieſes erfuhr, und ſahe, daß er von den Polen betro-
gen war: ſo bereuete er es gar ſehr, daß er ſich durch eine unzeitige Achtung fuͤr
den Kuron
¹
und das Verſprechen eines Tributs
²
hatte bewegen laſſen, den
Krieg zu endigen und ſeine Truppen zuruͤck zu fuͤhren; weil dieſe in den Win-
terlagern in Podolien und Moldau nicht ſo viele Muͤhſeligkeiten wuͤrden ausge-
ſtanden haben, als auf ihrer Heimreiſe. Inzwiſchen ſpuͤrete er doch mehr Trieb
zur Ahndung bey ſich, als Furcht; und faſſete den Entſchluß, dieſe ihm ange-
thane Beleidigung auf das ſchaͤrfſte und nachdruͤcklichſte zu raͤchen. Der Weßir
antwortete auf das Schreiben der Staͤnde in Polen mit entſetzlichen Drohwor-
ten: ſchalt dieſelben wegen ihrer Treuloſigkeit, daß ſie ſich weigerten, die Frie-
dens-
ſoll er nach dem Kuron eben ſo hart geſtrafet
werden, als wenn er einen Muͤſuͤlman an
ſeinem Hauſe oder ſeinen liegenden Guͤtern
angegriffen haͤtte. Denn das Fetwa giebt
in dieſer Sache folgenden Ausſpruch: An-
leruͤng Mali bißuͤm Malimuͤß, gjibi Dſchane
Dſchan, Gjoͤße Gjoͤß, u. ſ. w.; eines ſolchen
Menſchen Gut und Vermoͤgen iſt anzuſehen
wie unſer Gut, ſeine Seele wie unſere Seele,
ſein Auge wie unſer Auge, u. ſ. w.
² Verſprechen eines Tributs] Ich
gebe hier mit Recht als eine anderweite Ur-
ſache der Schließung des letztern polniſchen
Friedens an, das Verſprechen, das damals
der Koͤnig in Polen that, Tribut zu bezahlen.
Denn die Tuͤrken ſind auf nichts ſo ſehr er-
picht, als ihren Feind dahin zu vermoͤgen,
daß er ihnen eine kleine Summe Geldes be-
zahle, der ſie gar leicht den Namen eines Tri-
buts geben. Wann ſie dieſes einmal erhalten
haben: ſo fehlet es ihnen hernach nicht an
Erfindungen, dieſe Summe taͤglich zu ſtei-
gern und ſie in einen wirklichen Tribut zu
verwandeln; auf welche Weiſe ſie dann die-
jenigen Laͤnder, die bloß die Abſicht hatten,
ſich unter ihren Schutz zu begeben, voͤllig
unter ihre Botmaͤßigkeit bringen. Beyſpiele
von dergleichen Betruge ſind nicht allein die
chriſtlichen Fuͤrſten von Moldau und Wala-
chey; ſondern auch der Chan in der krimi-
ſchen Tatarey, der ſelbſt ein Muhaͤmmedi-
ſcher und mit ihnen einerley Religion zuge-
than iſt. Denn die Vorfahrer deſſelben ge-
noſſen weit groͤßere Freyheiten, da ſie ſich
den Tuͤrken unterwarfen, als ihren Nachkom-
men heutiges Tages davon uͤbrig gelaſſen iſt.
Der Weßir drin-
get bey den pol-
niſchen Abge-
ſandten darauf,
daß ſie ihr Ver-
ſprechen erfuͤllen
ſollten.
3 F 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |