einem Rub 53 mußte bezahlet werden; und die andern Eßwaren und Getränke stiegen im Preise in eben der Verhältniß, als das Brod.
Die Türken, die nach Lebensmit- teln ausgesendet sind, werden von den kaiserlichen Völkern geschla-gen.
69.
Damit nun der Weßir diesem Unglücke abhelfen möchte, ehe die Hungersnoth einen Aufstand unter dem Kriegsheere verursachte: so schickte derselbe einen Pascha mit zwanzig tausend Mann Teökeöli zu Hülfe, mit dem Befehle, gesammter Hand Presburg anzugreifen, weil diese Stadt nicht so gut, als die übrigen Festungen in Ungarn, im Stande war, Gegenwehre zu thun; imgleichen Sorge zu tragen, daß die Lebensmittel und Kriegsnothwendigkeiten, die zu Ofen vorräthig lagen, sicher in das osmanische Lager geführet werden könnten. Allein, auch dieser Anschlag (es sey nun, daß derselbe nicht mit der gehörigen Klugheit unternommen, oder daß er zu unrechter Zeit entdecket wor- den) hatte keinen Fortgang. Denn so bald Herzog Carl von Lothringen von den Absichten des Weßirs Nachricht bekam: so schickte er verschiedene Regimen- ter ab, unter Befehlhabung des Prinzen Ludwigs von Baden, sich den Unter- nehmungen der Türken gegen Presburg zu widersetzen. Diese stießen zuerst auf Teökeöli, und schlugen seine ungarischen Völker gar geschwind aus dem Felde. Hierauf griffen dieselben die Türken an, die über der Niederlage der Ungarn dergestalt voll Angst und Schreckens waren, daß sie, außer tausend Mann, die auf der Wahlstatt blieben, und noch vielen andern, die gefangen wurden, tausend Wägen mit Lebensmitteln und Kriegsgeräthe beladen, dem siegenden Theile zur Beute zurück ließen.
Dieses verursa- chet aufrühri- sches Klagen und Murren in demLager.
70.
Diese Niederlage war nicht allein eine Vorbedeutung, sondern auch keine der geringsten Ursachen von einem größern Unglücke, das dem osmanischen Heere auf den Hals kommen sollte. Denn als die Jeng-itscheri, die bisher den Feind so tapfer aus seinen Festungswerken herausgejaget hatten, sahen, daß es an Lebensmitteln mangelte, und die Truppen, die die beladenen Wägen (dar- auf man so lange mit Ungeduld gewartet hatte) begleiten sollten, geschlagen und zerstreuet waren: so fingen dieselben an öffentlich auszurufen; sie seyen [Spaltenumbruch]
Zehenten des gesammten Reiches erhoben wird. Die entlegensten Landschaften bezah- len sie in Gelde: die nächsten aber schicken Weizen und Gerste in das Lager; denn die Türken wollen keine andere Gattung Getreide annehmen noch essen. Der itztgedachte Vor- rath ist bloß für die Jeng-itscheri. Die Pa- [Spaltenumbruch] schen aber und Sipahi sind verbunden, sich ihren eigenen Vorrath anzuschaffen, und der Sultan giebt ihnen nichts dazu, als etliche wenige Wägen. Aus dieser Ursache schicken sie entweder selbst Leute aus, und lassen für sich Weizen einkaufen; oder, wenn sie und der Mübajädschi gute Freunde sind: so ersu-
nicht
Osmaniſche Geſchichte
einem Rub 53 mußte bezahlet werden; und die andern Eßwaren und Getraͤnke ſtiegen im Preiſe in eben der Verhaͤltniß, als das Brod.
Die Tuͤrken, die nach Lebensmit- teln ausgeſendet ſind, werden von den kaiſerlichen Voͤlkern geſchla-gen.
69.
Damit nun der Weßir dieſem Ungluͤcke abhelfen moͤchte, ehe die Hungersnoth einen Aufſtand unter dem Kriegsheere verurſachte: ſo ſchickte derſelbe einen Paſcha mit zwanzig tauſend Mann Teoͤkeoͤli zu Huͤlfe, mit dem Befehle, geſammter Hand Presburg anzugreifen, weil dieſe Stadt nicht ſo gut, als die uͤbrigen Feſtungen in Ungarn, im Stande war, Gegenwehre zu thun; imgleichen Sorge zu tragen, daß die Lebensmittel und Kriegsnothwendigkeiten, die zu Ofen vorraͤthig lagen, ſicher in das osmaniſche Lager gefuͤhret werden koͤnnten. Allein, auch dieſer Anſchlag (es ſey nun, daß derſelbe nicht mit der gehoͤrigen Klugheit unternommen, oder daß er zu unrechter Zeit entdecket wor- den) hatte keinen Fortgang. Denn ſo bald Herzog Carl von Lothringen von den Abſichten des Weßirs Nachricht bekam: ſo ſchickte er verſchiedene Regimen- ter ab, unter Befehlhabung des Prinzen Ludwigs von Baden, ſich den Unter- nehmungen der Tuͤrken gegen Presburg zu widerſetzen. Dieſe ſtießen zuerſt auf Teoͤkeoͤli, und ſchlugen ſeine ungariſchen Voͤlker gar geſchwind aus dem Felde. Hierauf griffen dieſelben die Tuͤrken an, die uͤber der Niederlage der Ungarn dergeſtalt voll Angſt und Schreckens waren, daß ſie, außer tauſend Mann, die auf der Wahlſtatt blieben, und noch vielen andern, die gefangen wurden, tauſend Waͤgen mit Lebensmitteln und Kriegsgeraͤthe beladen, dem ſiegenden Theile zur Beute zuruͤck ließen.
Dieſes verurſa- chet aufruͤhri- ſches Klagen und Murren in demLager.
70.
Dieſe Niederlage war nicht allein eine Vorbedeutung, ſondern auch keine der geringſten Urſachen von einem groͤßern Ungluͤcke, das dem osmaniſchen Heere auf den Hals kommen ſollte. Denn als die Jeng-itſcheri, die bisher den Feind ſo tapfer aus ſeinen Feſtungswerken herausgejaget hatten, ſahen, daß es an Lebensmitteln mangelte, und die Truppen, die die beladenen Waͤgen (dar- auf man ſo lange mit Ungeduld gewartet hatte) begleiten ſollten, geſchlagen und zerſtreuet waren: ſo fingen dieſelben an oͤffentlich auszurufen; ſie ſeyen [Spaltenumbruch]
Zehenten des geſammten Reiches erhoben wird. Die entlegenſten Landſchaften bezah- len ſie in Gelde: die naͤchſten aber ſchicken Weizen und Gerſte in das Lager; denn die Tuͤrken wollen keine andere Gattung Getreide annehmen noch eſſen. Der itztgedachte Vor- rath iſt bloß fuͤr die Jeng-itſcheri. Die Pa- [Spaltenumbruch] ſchen aber und Sipahi ſind verbunden, ſich ihren eigenen Vorrath anzuſchaffen, und der Sultan giebt ihnen nichts dazu, als etliche wenige Waͤgen. Aus dieſer Urſache ſchicken ſie entweder ſelbſt Leute aus, und laſſen fuͤr ſich Weizen einkaufen; oder, wenn ſie und der Muͤbajaͤdſchi gute Freunde ſind: ſo erſu-
nicht
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Osmaniſche Geſchichte
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mußte bezahlet werden; und die andern Eßwaren und Getraͤnke
ſtiegen im Preiſe in eben der Verhaͤltniß, als das Brod.
69. Damit nun der Weßir dieſem Ungluͤcke abhelfen moͤchte, ehe die
Hungersnoth einen Aufſtand unter dem Kriegsheere verurſachte: ſo ſchickte
derſelbe einen Paſcha mit zwanzig tauſend Mann Teoͤkeoͤli zu Huͤlfe, mit dem
Befehle, geſammter Hand Presburg anzugreifen, weil dieſe Stadt nicht ſo gut,
als die uͤbrigen Feſtungen in Ungarn, im Stande war, Gegenwehre zu thun;
imgleichen Sorge zu tragen, daß die Lebensmittel und Kriegsnothwendigkeiten,
die zu Ofen vorraͤthig lagen, ſicher in das osmaniſche Lager gefuͤhret werden
koͤnnten. Allein, auch dieſer Anſchlag (es ſey nun, daß derſelbe nicht mit der
gehoͤrigen Klugheit unternommen, oder daß er zu unrechter Zeit entdecket wor-
den) hatte keinen Fortgang. Denn ſo bald Herzog Carl von Lothringen von
den Abſichten des Weßirs Nachricht bekam: ſo ſchickte er verſchiedene Regimen-
ter ab, unter Befehlhabung des Prinzen Ludwigs von Baden, ſich den Unter-
nehmungen der Tuͤrken gegen Presburg zu widerſetzen. Dieſe ſtießen zuerſt
auf Teoͤkeoͤli, und ſchlugen ſeine ungariſchen Voͤlker gar geſchwind aus dem
Felde. Hierauf griffen dieſelben die Tuͤrken an, die uͤber der Niederlage der
Ungarn dergeſtalt voll Angſt und Schreckens waren, daß ſie, außer tauſend
Mann, die auf der Wahlſtatt blieben, und noch vielen andern, die gefangen
wurden, tauſend Waͤgen mit Lebensmitteln und Kriegsgeraͤthe beladen, dem
ſiegenden Theile zur Beute zuruͤck ließen.
70. Dieſe Niederlage war nicht allein eine Vorbedeutung, ſondern auch
keine der geringſten Urſachen von einem groͤßern Ungluͤcke, das dem osmaniſchen
Heere auf den Hals kommen ſollte. Denn als die Jeng-itſcheri, die bisher den
Feind ſo tapfer aus ſeinen Feſtungswerken herausgejaget hatten, ſahen, daß es
an Lebensmitteln mangelte, und die Truppen, die die beladenen Waͤgen (dar-
auf man ſo lange mit Ungeduld gewartet hatte) begleiten ſollten, geſchlagen
und zerſtreuet waren: ſo fingen dieſelben an oͤffentlich auszurufen; ſie ſeyen
nicht
Zehenten des geſammten Reiches erhoben
wird. Die entlegenſten Landſchaften bezah-
len ſie in Gelde: die naͤchſten aber ſchicken
Weizen und Gerſte in das Lager; denn die
Tuͤrken wollen keine andere Gattung Getreide
annehmen noch eſſen. Der itztgedachte Vor-
rath iſt bloß fuͤr die Jeng-itſcheri. Die Pa-
ſchen aber und Sipahi ſind verbunden, ſich
ihren eigenen Vorrath anzuſchaffen, und der
Sultan giebt ihnen nichts dazu, als etliche
wenige Waͤgen. Aus dieſer Urſache ſchicken
ſie entweder ſelbſt Leute aus, und laſſen fuͤr
ſich Weizen einkaufen; oder, wenn ſie und
der Muͤbajaͤdſchi gute Freunde ſind: ſo erſu-
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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 476. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/584>, abgerufen am 22.11.2024.
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