eingeladen, mit in das Bündniß gegen den allgemeinen Feind der Christenheit zu treten, und, während der Zeit, da die übrigen Bundsverwandten in Ungarn und den südlichen Theilen von Europa beschäfftiget seyen, in die krimische Tata- rey einzufallen und die Vereinigung der Tatarn und Türken zu verhindern. Die Zaren gaben darauf zur Antwort: sie wären bereitwillig, gegen den Feind des christlichen Namens den Krieg zu erklären; wenn man nur ein Mittel aus- fündig machen könnte, sie gegen die Furcht eines Bruches mit Polen sicher zu stellen. Denn da sie mit diesem Reiche nur einen Stillstand, und keinen festen Frieden hätten: so würden sie von iedermann getadelt werden, wenn sie sich noch eher, als sie wegen eines Feindes sicher wären, sich einen andern auf den Hals lüden.
Zwischen Ruß- land und Polen wird ein fester Friede geschlos-sen.
144.
Aus dieser Ursache wendete der Kaiser seine äußerste Sorgfalt an, ein gutes Verständniß zwischen beyden Völkern zu stiften, und dieselben dahin zu bewegen, daß sie ihren gegenseitigen Unwillen gegen den gemeinschaftlichen Feind ausschütten möchten. Endlich nach vielen Bemühungen erhielte derselbe von den Polen, daß sie sich alles Anspruchs auf Kiow und Smolensko begaben, die lange Zeiten hindurch die Ursache der heftigsten Streitigkeiten zwischen die- sen Völkern gewesen waren, und am zwanzigsten des Monats Dschemaßiül H. 1097. J. C. 1686.ewwel* im Jahre 1097 die Friedensbedingungen unterzeichneten.
Der König in Polen schicket ei- nen Abgesandten an den Fürsten in Moldau, Kan- temir, um den- selben zu einem Bündnisse mitsich zu bewegen.
145.
Diese neue Beyhülfe machte dem Könige in Polen, Johann So- bjeski, einen Muth, daß er den Entschluß fassete, noch einen Zug in Moldau zu wagen, und dieses Land, als die vornehmste Vormauer des türkischen Rei- ches gegen Polen zu, anzugreifen. Ehe er aber noch den Feldzug eröffnete: so nahm er sich vor, noch einmal einen Versuch zu thun, ob er die Moldauer nicht zu einem Bündnisse gegen die Türken bewegen könnte. In dieser Absicht schickte er seinen Beichtvater in verstellter Kleidung ingeheim als Abgesandten an den Fürsten von Moldau, Constantin Kantemir, um denselben zu überreden, sich mit den Polen gegen die Türken zu vereinigen, und ihm die oberste Gewalt und die Bestätigung in seinem Fürstenthume, nebst einem ewigen Bündnisse, anzubieten. Als der Abgesandte zu dem Fürsten kam: so eröffnete er demsel- ben sein aufhabendes Geschäffte, und wendete seine äußerste Bemühung an, ihn zu dem gedachten Bündnisse zu vermögen. "Es ist nunmehr das dritte "Jahr," sagte er, "daß der König, mein Herr, mit dem innigsten Ver- "gnügen vernommen hat, daß Kantemir zum Fürsten von Moldau von den "Türken verordnet worden; und er schöpfete schon damals die größte Hoff- "nung, derselbe werde seine großen Gaben, davon er vor diesem in Polen,
"unter
* am dritten April,
Osmaniſche Geſchichte
eingeladen, mit in das Buͤndniß gegen den allgemeinen Feind der Chriſtenheit zu treten, und, waͤhrend der Zeit, da die uͤbrigen Bundsverwandten in Ungarn und den ſuͤdlichen Theilen von Europa beſchaͤfftiget ſeyen, in die krimiſche Tata- rey einzufallen und die Vereinigung der Tatarn und Tuͤrken zu verhindern. Die Zaren gaben darauf zur Antwort: ſie waͤren bereitwillig, gegen den Feind des chriſtlichen Namens den Krieg zu erklaͤren; wenn man nur ein Mittel aus- fuͤndig machen koͤnnte, ſie gegen die Furcht eines Bruches mit Polen ſicher zu ſtellen. Denn da ſie mit dieſem Reiche nur einen Stillſtand, und keinen feſten Frieden haͤtten: ſo wuͤrden ſie von iedermann getadelt werden, wenn ſie ſich noch eher, als ſie wegen eines Feindes ſicher waͤren, ſich einen andern auf den Hals luͤden.
Zwiſchen Ruß- land und Polen wird ein feſter Friede geſchloſ-ſen.
144.
Aus dieſer Urſache wendete der Kaiſer ſeine aͤußerſte Sorgfalt an, ein gutes Verſtaͤndniß zwiſchen beyden Voͤlkern zu ſtiften, und dieſelben dahin zu bewegen, daß ſie ihren gegenſeitigen Unwillen gegen den gemeinſchaftlichen Feind ausſchuͤtten moͤchten. Endlich nach vielen Bemuͤhungen erhielte derſelbe von den Polen, daß ſie ſich alles Anſpruchs auf Kiow und Smolenſko begaben, die lange Zeiten hindurch die Urſache der heftigſten Streitigkeiten zwiſchen die- ſen Voͤlkern geweſen waren, und am zwanzigſten des Monats Dſchemaßiuͤl H. 1097. J. C. 1686.ewwel* im Jahre 1097 die Friedensbedingungen unterzeichneten.
Der Koͤnig in Polen ſchicket ei- nen Abgeſandten an den Fuͤrſten in Moldau, Kan- temir, um den- ſelben zu einem Buͤndniſſe mitſich zu bewegen.
145.
Dieſe neue Beyhuͤlfe machte dem Koͤnige in Polen, Johann So- bjeſki, einen Muth, daß er den Entſchluß faſſete, noch einen Zug in Moldau zu wagen, und dieſes Land, als die vornehmſte Vormauer des tuͤrkiſchen Rei- ches gegen Polen zu, anzugreifen. Ehe er aber noch den Feldzug eroͤffnete: ſo nahm er ſich vor, noch einmal einen Verſuch zu thun, ob er die Moldauer nicht zu einem Buͤndniſſe gegen die Tuͤrken bewegen koͤnnte. In dieſer Abſicht ſchickte er ſeinen Beichtvater in verſtellter Kleidung ingeheim als Abgeſandten an den Fuͤrſten von Moldau, Conſtantin Kantemir, um denſelben zu uͤberreden, ſich mit den Polen gegen die Tuͤrken zu vereinigen, und ihm die oberſte Gewalt und die Beſtaͤtigung in ſeinem Fuͤrſtenthume, nebſt einem ewigen Buͤndniſſe, anzubieten. Als der Abgeſandte zu dem Fuͤrſten kam: ſo eroͤffnete er demſel- ben ſein aufhabendes Geſchaͤffte, und wendete ſeine aͤußerſte Bemuͤhung an, ihn zu dem gedachten Buͤndniſſe zu vermoͤgen. “Es iſt nunmehr das dritte “Jahr,„ ſagte er, “daß der Koͤnig, mein Herr, mit dem innigſten Ver- “gnuͤgen vernommen hat, daß Kantemir zum Fuͤrſten von Moldau von den “Tuͤrken verordnet worden; und er ſchoͤpfete ſchon damals die groͤßte Hoff- “nung, derſelbe werde ſeine großen Gaben, davon er vor dieſem in Polen,
“unter
* am dritten April,
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Osmaniſche Geſchichte
eingeladen, mit in das Buͤndniß gegen den allgemeinen Feind der Chriſtenheit
zu treten, und, waͤhrend der Zeit, da die uͤbrigen Bundsverwandten in Ungarn
und den ſuͤdlichen Theilen von Europa beſchaͤfftiget ſeyen, in die krimiſche Tata-
rey einzufallen und die Vereinigung der Tatarn und Tuͤrken zu verhindern.
Die Zaren gaben darauf zur Antwort: ſie waͤren bereitwillig, gegen den Feind
des chriſtlichen Namens den Krieg zu erklaͤren; wenn man nur ein Mittel aus-
fuͤndig machen koͤnnte, ſie gegen die Furcht eines Bruches mit Polen ſicher zu
ſtellen. Denn da ſie mit dieſem Reiche nur einen Stillſtand, und keinen feſten
Frieden haͤtten: ſo wuͤrden ſie von iedermann getadelt werden, wenn ſie ſich
noch eher, als ſie wegen eines Feindes ſicher waͤren, ſich einen andern auf den
Hals luͤden.
144. Aus dieſer Urſache wendete der Kaiſer ſeine aͤußerſte Sorgfalt an,
ein gutes Verſtaͤndniß zwiſchen beyden Voͤlkern zu ſtiften, und dieſelben dahin
zu bewegen, daß ſie ihren gegenſeitigen Unwillen gegen den gemeinſchaftlichen
Feind ausſchuͤtten moͤchten. Endlich nach vielen Bemuͤhungen erhielte derſelbe
von den Polen, daß ſie ſich alles Anſpruchs auf Kiow und Smolenſko begaben,
die lange Zeiten hindurch die Urſache der heftigſten Streitigkeiten zwiſchen die-
ſen Voͤlkern geweſen waren, und am zwanzigſten des Monats Dſchemaßiuͤl
ewwel * im Jahre 1097 die Friedensbedingungen unterzeichneten.
H. 1097.
J. C. 1686.
145. Dieſe neue Beyhuͤlfe machte dem Koͤnige in Polen, Johann So-
bjeſki, einen Muth, daß er den Entſchluß faſſete, noch einen Zug in Moldau
zu wagen, und dieſes Land, als die vornehmſte Vormauer des tuͤrkiſchen Rei-
ches gegen Polen zu, anzugreifen. Ehe er aber noch den Feldzug eroͤffnete:
ſo nahm er ſich vor, noch einmal einen Verſuch zu thun, ob er die Moldauer
nicht zu einem Buͤndniſſe gegen die Tuͤrken bewegen koͤnnte. In dieſer Abſicht
ſchickte er ſeinen Beichtvater in verſtellter Kleidung ingeheim als Abgeſandten
an den Fuͤrſten von Moldau, Conſtantin Kantemir, um denſelben zu uͤberreden,
ſich mit den Polen gegen die Tuͤrken zu vereinigen, und ihm die oberſte Gewalt
und die Beſtaͤtigung in ſeinem Fuͤrſtenthume, nebſt einem ewigen Buͤndniſſe,
anzubieten. Als der Abgeſandte zu dem Fuͤrſten kam: ſo eroͤffnete er demſel-
ben ſein aufhabendes Geſchaͤffte, und wendete ſeine aͤußerſte Bemuͤhung an,
ihn zu dem gedachten Buͤndniſſe zu vermoͤgen. “Es iſt nunmehr das dritte
“Jahr,„ ſagte er, “daß der Koͤnig, mein Herr, mit dem innigſten Ver-
“gnuͤgen vernommen hat, daß Kantemir zum Fuͤrſten von Moldau von den
“Tuͤrken verordnet worden; und er ſchoͤpfete ſchon damals die groͤßte Hoff-
“nung, derſelbe werde ſeine großen Gaben, davon er vor dieſem in Polen,
“unter
* am dritten April,
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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 526. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/634>, abgerufen am 22.11.2024.
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