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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
Kostbarkeiten mit sich, die die Gottseligkeit der vorigen Fürsten dahin gestiftet
hatte; und führet den Metropoliten von Moldau als Gefangenen gewaltsamer
Weise hinweg, weil derselbe sich geweigert hatte, die Heiligthümer heraus zu ge-
ben. Hierauf kommt er vor das Kloster der drey Hierarchien, da die Ueberreste
der heiligen Paraskeva 79 von Epibati andächtig aufbehalten werden, und for-
dert, daß man ihm diese Reste nebst dem Schatze, der dahin vermacht war,
herausgeben sollte. Weil aber der Archimandrit gehöret hatte, wie man mit dem
Metropoliten umgegangen war: so schließet er die Kirchthüren zu, und ant-
wortet denen, die von dem Könige an ihn geschickt waren; er wolle sich lieber
unter dem Schutte der Kirche begraben lassen, als einem Menschen in der Welt
einen so heiligen und köstlichen Schatz ausliefern. Der König lässet, um den
hartnäckigen Mönchen zu schrecken, das Geschütz herbeyführen, und drohet, die
Thüren einzuschießen und den ganzen Schatz mit fortzunehmen; weil man ihm
abgeschlagen habe, einen Theil desselben herzugeben, als er denselben auf fried-
liche Weise begehret habe. Da er aber befindet, daß der Archimandrit unbe-
weglich ist; und weil ihn entweder wegen des Kirchenraubes die Scham an-
kommt, oder auch seine Bedienten ihm Vorstellungen thun: so ziehet er bald
hierauf wieder ab, ohne seinen Zweck erreichet zu haben.

Das ganze Heer
folget des Köni-ges Beyspiele.
150.

Die Soldaten, die sowol durch den Hunger, als des Königes Bey-
spiel, gereizet wurden, plünderten die Städte und Dörfer aus, und verschone-
ten keines Ortes, er mochte heilig oder gemein seyn, da sie sich vorstelleten, daß
sie etwas finden würden, ihre Begierde oder Lust zu stillen.

[Spaltenumbruch]
dennoch gewißlich durch sein Beyspiel ange-
frischet worden sind, Raubereyen und andere
Laster zu begehen.
79 Paraskeva] Paraskeva, wie wir
aus den Heiligenbüchern lernen, war Herrinn
des Dorfes Epibati, das nachher der große
Apokaukus, Feldherr des Kaisers Andronikus,
besessen hat. Zu den Zeiten Sultan Murads
des IIII erlangte der Fürst in Moldau, Basi-
lius, die Vergünstigung, ihre Gebeine aus der
Patriarchalkirche zu Constantinopel wegzufüh-
ren; und dieses in Ansehung seiner großen
Wohlthaten und Dienste, die er der Kirche
[Spaltenumbruch]
geleistet hatte. Denn es hatte derselbe aus
seinen eigenen Einkünften über zwey hundert
und sechszig Beutel bezahlet, die die Kirche
den Türken und Christen schuldig war. Weil
es aber bey den Türken verboten ist, einen tod-
ten Leichnam über drey Meilen* wegzufüh-
ren; des Sultans Leichnam allein ausge-
nommen: so wendete er über drey hundert
Beutel bey dem osmanischen Hofe an, um
die Erlaubniß zu erhalten, diese Gebeine weg-
zubringen; und einen Befehl von dem Sul-
tane an einen der Kapudschi Baschi auszu-
wirken, um sie nach der Moldau zu begleiten.
Die ganze Geschichte von dieser Wegbringung
151. Allein,
* 3/4 deutsche Meilen.

Osmaniſche Geſchichte
Koſtbarkeiten mit ſich, die die Gottſeligkeit der vorigen Fuͤrſten dahin geſtiftet
hatte; und fuͤhret den Metropoliten von Moldau als Gefangenen gewaltſamer
Weiſe hinweg, weil derſelbe ſich geweigert hatte, die Heiligthuͤmer heraus zu ge-
ben. Hierauf kommt er vor das Kloſter der drey Hierarchien, da die Ueberreſte
der heiligen Paraſkeva 79 von Epibati andaͤchtig aufbehalten werden, und for-
dert, daß man ihm dieſe Reſte nebſt dem Schatze, der dahin vermacht war,
herausgeben ſollte. Weil aber der Archimandrit gehoͤret hatte, wie man mit dem
Metropoliten umgegangen war: ſo ſchließet er die Kirchthuͤren zu, und ant-
wortet denen, die von dem Koͤnige an ihn geſchickt waren; er wolle ſich lieber
unter dem Schutte der Kirche begraben laſſen, als einem Menſchen in der Welt
einen ſo heiligen und koͤſtlichen Schatz ausliefern. Der Koͤnig laͤſſet, um den
hartnaͤckigen Moͤnchen zu ſchrecken, das Geſchuͤtz herbeyfuͤhren, und drohet, die
Thuͤren einzuſchießen und den ganzen Schatz mit fortzunehmen; weil man ihm
abgeſchlagen habe, einen Theil deſſelben herzugeben, als er denſelben auf fried-
liche Weiſe begehret habe. Da er aber befindet, daß der Archimandrit unbe-
weglich iſt; und weil ihn entweder wegen des Kirchenraubes die Scham an-
kommt, oder auch ſeine Bedienten ihm Vorſtellungen thun: ſo ziehet er bald
hierauf wieder ab, ohne ſeinen Zweck erreichet zu haben.

Das ganze Heer
folget des Koͤni-ges Beyſpiele.
150.

Die Soldaten, die ſowol durch den Hunger, als des Koͤniges Bey-
ſpiel, gereizet wurden, pluͤnderten die Staͤdte und Doͤrfer aus, und verſchone-
ten keines Ortes, er mochte heilig oder gemein ſeyn, da ſie ſich vorſtelleten, daß
ſie etwas finden wuͤrden, ihre Begierde oder Luſt zu ſtillen.

[Spaltenumbruch]
dennoch gewißlich durch ſein Beyſpiel ange-
friſchet worden ſind, Raubereyen und andere
Laſter zu begehen.
79 Paraſkeva] Paraſkeva, wie wir
aus den Heiligenbuͤchern lernen, war Herrinn
des Dorfes Epibati, das nachher der große
Apokaukus, Feldherr des Kaiſers Andronikus,
beſeſſen hat. Zu den Zeiten Sultan Murads
des IIII erlangte der Fuͤrſt in Moldau, Baſi-
lius, die Verguͤnſtigung, ihre Gebeine aus der
Patriarchalkirche zu Conſtantinopel wegzufuͤh-
ren; und dieſes in Anſehung ſeiner großen
Wohlthaten und Dienſte, die er der Kirche
[Spaltenumbruch]
geleiſtet hatte. Denn es hatte derſelbe aus
ſeinen eigenen Einkuͤnften uͤber zwey hundert
und ſechszig Beutel bezahlet, die die Kirche
den Tuͤrken und Chriſten ſchuldig war. Weil
es aber bey den Tuͤrken verboten iſt, einen tod-
ten Leichnam uͤber drey Meilen* wegzufuͤh-
ren; des Sultans Leichnam allein ausge-
nommen: ſo wendete er uͤber drey hundert
Beutel bey dem osmaniſchen Hofe an, um
die Erlaubniß zu erhalten, dieſe Gebeine weg-
zubringen; und einen Befehl von dem Sul-
tane an einen der Kapudſchi Baſchi auszu-
wirken, um ſie nach der Moldau zu begleiten.
Die ganze Geſchichte von dieſer Wegbringung
151. Allein,
* ¾ deutſche Meilen.
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[532/0640] Osmaniſche Geſchichte Koſtbarkeiten mit ſich, die die Gottſeligkeit der vorigen Fuͤrſten dahin geſtiftet hatte; und fuͤhret den Metropoliten von Moldau als Gefangenen gewaltſamer Weiſe hinweg, weil derſelbe ſich geweigert hatte, die Heiligthuͤmer heraus zu ge- ben. Hierauf kommt er vor das Kloſter der drey Hierarchien, da die Ueberreſte der heiligen Paraſkeva ⁷⁹ von Epibati andaͤchtig aufbehalten werden, und for- dert, daß man ihm dieſe Reſte nebſt dem Schatze, der dahin vermacht war, herausgeben ſollte. Weil aber der Archimandrit gehoͤret hatte, wie man mit dem Metropoliten umgegangen war: ſo ſchließet er die Kirchthuͤren zu, und ant- wortet denen, die von dem Koͤnige an ihn geſchickt waren; er wolle ſich lieber unter dem Schutte der Kirche begraben laſſen, als einem Menſchen in der Welt einen ſo heiligen und koͤſtlichen Schatz ausliefern. Der Koͤnig laͤſſet, um den hartnaͤckigen Moͤnchen zu ſchrecken, das Geſchuͤtz herbeyfuͤhren, und drohet, die Thuͤren einzuſchießen und den ganzen Schatz mit fortzunehmen; weil man ihm abgeſchlagen habe, einen Theil deſſelben herzugeben, als er denſelben auf fried- liche Weiſe begehret habe. Da er aber befindet, daß der Archimandrit unbe- weglich iſt; und weil ihn entweder wegen des Kirchenraubes die Scham an- kommt, oder auch ſeine Bedienten ihm Vorſtellungen thun: ſo ziehet er bald hierauf wieder ab, ohne ſeinen Zweck erreichet zu haben. 150. Die Soldaten, die ſowol durch den Hunger, als des Koͤniges Bey- ſpiel, gereizet wurden, pluͤnderten die Staͤdte und Doͤrfer aus, und verſchone- ten keines Ortes, er mochte heilig oder gemein ſeyn, da ſie ſich vorſtelleten, daß ſie etwas finden wuͤrden, ihre Begierde oder Luſt zu ſtillen. 151. Allein, dennoch gewißlich durch ſein Beyſpiel ange- friſchet worden ſind, Raubereyen und andere Laſter zu begehen. ⁷⁹ Paraſkeva] Paraſkeva, wie wir aus den Heiligenbuͤchern lernen, war Herrinn des Dorfes Epibati, das nachher der große Apokaukus, Feldherr des Kaiſers Andronikus, beſeſſen hat. Zu den Zeiten Sultan Murads des IIII erlangte der Fuͤrſt in Moldau, Baſi- lius, die Verguͤnſtigung, ihre Gebeine aus der Patriarchalkirche zu Conſtantinopel wegzufuͤh- ren; und dieſes in Anſehung ſeiner großen Wohlthaten und Dienſte, die er der Kirche geleiſtet hatte. Denn es hatte derſelbe aus ſeinen eigenen Einkuͤnften uͤber zwey hundert und ſechszig Beutel bezahlet, die die Kirche den Tuͤrken und Chriſten ſchuldig war. Weil es aber bey den Tuͤrken verboten iſt, einen tod- ten Leichnam uͤber drey Meilen * wegzufuͤh- ren; des Sultans Leichnam allein ausge- nommen: ſo wendete er uͤber drey hundert Beutel bey dem osmaniſchen Hofe an, um die Erlaubniß zu erhalten, dieſe Gebeine weg- zubringen; und einen Befehl von dem Sul- tane an einen der Kapudſchi Baſchi auszu- wirken, um ſie nach der Moldau zu begleiten. Die ganze Geſchichte von dieſer Wegbringung iſt * ¾ deutſche Meilen.

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 532. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/640>, abgerufen am 22.11.2024.