Jahre vergebens angegriffen hatte. Nachdem sie die Wälle durch ihr Geschütz um- gerissen hatten: so erobern sie dasselbe schon am andern Tage der Belagerung mit stürmender Hand, und hauen die ganze Besatzung darnieder. Mit eben so gu- tem Erfolge thun die Morlaken einen Zug weiter nach Constantinopel hin, da sie durch eine Kriegeslist tausend Mann zu Fuß und fünf hundert Reiter aus einer Stadt heraus locken, da sie in Besatzung lagen, hierauf dieselben umrin- gen, eine große Anzahl von ihnen gleich bey dem ersten Angriffe erlegen, und die übrigen mit solcher Hitze verfolgen, daß sie mit ihnen unter einander in die Stadt hinein dringen, dieselbe ausplündern und in Brand stecken.
159.
Diese unglücklichen Begebenheiten brachten die Ulema und dasDas Volk zu Constantinopel geräth gegen den Sultan in den Harnisch, und schreyet, daß man denselben absetzen müsse. Volk zu Constantinopel auf, so daß sie anfangs heimlich aufrührische Reden gegen den Sultan Muhämmed ausstießen, nachgehends aber dergleichen öffent- lich ausstreueten. Die Ulema insbesondere stelleten dem gemeinen Volke vor: die Schatzkammer sey bereits erschöpfet, viele zehen tausend Müsülmanen seyen von den Christen erschlagen, Ungarn und Morea sey verloren, und der kaiserliche Sitz selbst sey in augenblicklicher Gefahr; daher sey es zu spät, den Sultan zu ermahnen, daß er das Jagen einstellen, sich die Sorgfalt für das Reich ange- legen seyn lassen und bestreben sollte, demselben in dieser Noth beyzustehen. Man könne dieses keiner Schwäche des Gemüths desselben beymessen; denn Muhämmed habe vor verschiedenen Jahren gezeiget, daß er zur Verwaltung der Geschäffte nicht ungeschickt sey: sondern man habe es dem göttlichen Zorne gegen die Müsülmanen zuzuschreiben, wegen Brechung desjenigen Friedens, den der höchstweise Weßir Kjüprili Aehmed Pascha gemacht habe; und dieser göttliche Zorn habe den Sultan dergestalt verblendet, daß er sich eingebildet, die Grenzen des osmanischen Reiches, die durch die Arbeit und das Blut so vieler Müsülmanen erweitert worden, könnten durch Hunde und Falken beschützet werden. Dieser Zorn des Allerhöchsten könne auf keine andere Weise abgewen- det werden, als durch Wegräumung desjenigen, was ihn veranlasset habe: nämlich des Sultans, der der erste Urheber des ungerechten Krieges gewesen sey; und aller derer, die durch ihre Rathschläge oder Fetwa die Verletzung des Frie- dens gutgeheißen haben.
160.
Als der Sultan Nachricht bekam, was für Reden auf den StraßenDer Sultan bemühet sich ver- gebens, die Schuld auf an- dere zu schieben: und in den Zusammenkünften herum gingen: so begab er sich ungesäumt nach Constantinopel, entsetzte den Müfti seiner Würde, und ließ durch verschiedene Personen, die auf seiner Seite waren, dem Volke vorstellen: der Sultan wäre nicht der Angeber gewesen, den Krieg anzufangen; sondern der Weßir Kara Mustäfa Pascha, und der abgesetzte Müfti, deren Rathschlägen er es
nicht
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19. Muhaͤmmed der IIII
Jahre vergebens angegriffen hatte. Nachdem ſie die Waͤlle durch ihr Geſchuͤtz um- geriſſen hatten: ſo erobern ſie daſſelbe ſchon am andern Tage der Belagerung mit ſtuͤrmender Hand, und hauen die ganze Beſatzung darnieder. Mit eben ſo gu- tem Erfolge thun die Morlaken einen Zug weiter nach Conſtantinopel hin, da ſie durch eine Kriegesliſt tauſend Mann zu Fuß und fuͤnf hundert Reiter aus einer Stadt heraus locken, da ſie in Beſatzung lagen, hierauf dieſelben umrin- gen, eine große Anzahl von ihnen gleich bey dem erſten Angriffe erlegen, und die uͤbrigen mit ſolcher Hitze verfolgen, daß ſie mit ihnen unter einander in die Stadt hinein dringen, dieſelbe auspluͤndern und in Brand ſtecken.
159.
Dieſe ungluͤcklichen Begebenheiten brachten die Ulema und dasDas Volk zu Conſtantinopel geraͤth gegen den Sultan in den Harniſch, und ſchreyet, daß man denſelben abſetzen muͤſſe. Volk zu Conſtantinopel auf, ſo daß ſie anfangs heimlich aufruͤhriſche Reden gegen den Sultan Muhaͤmmed ausſtießen, nachgehends aber dergleichen oͤffent- lich ausſtreueten. Die Ulema insbeſondere ſtelleten dem gemeinen Volke vor: die Schatzkammer ſey bereits erſchoͤpfet, viele zehen tauſend Muͤſuͤlmanen ſeyen von den Chriſten erſchlagen, Ungarn und Morea ſey verloren, und der kaiſerliche Sitz ſelbſt ſey in augenblicklicher Gefahr; daher ſey es zu ſpaͤt, den Sultan zu ermahnen, daß er das Jagen einſtellen, ſich die Sorgfalt fuͤr das Reich ange- legen ſeyn laſſen und beſtreben ſollte, demſelben in dieſer Noth beyzuſtehen. Man koͤnne dieſes keiner Schwaͤche des Gemuͤths deſſelben beymeſſen; denn Muhaͤmmed habe vor verſchiedenen Jahren gezeiget, daß er zur Verwaltung der Geſchaͤffte nicht ungeſchickt ſey: ſondern man habe es dem goͤttlichen Zorne gegen die Muͤſuͤlmanen zuzuſchreiben, wegen Brechung desjenigen Friedens, den der hoͤchſtweiſe Weßir Kjuͤprili Aehmed Paſcha gemacht habe; und dieſer goͤttliche Zorn habe den Sultan dergeſtalt verblendet, daß er ſich eingebildet, die Grenzen des osmaniſchen Reiches, die durch die Arbeit und das Blut ſo vieler Muͤſuͤlmanen erweitert worden, koͤnnten durch Hunde und Falken beſchuͤtzet werden. Dieſer Zorn des Allerhoͤchſten koͤnne auf keine andere Weiſe abgewen- det werden, als durch Wegraͤumung desjenigen, was ihn veranlaſſet habe: naͤmlich des Sultans, der der erſte Urheber des ungerechten Krieges geweſen ſey; und aller derer, die durch ihre Rathſchlaͤge oder Fetwa die Verletzung des Frie- dens gutgeheißen haben.
160.
Als der Sultan Nachricht bekam, was fuͤr Reden auf den StraßenDer Sultan bemuͤhet ſich ver- gebens, die Schuld auf an- dere zu ſchieben: und in den Zuſammenkuͤnften herum gingen: ſo begab er ſich ungeſaͤumt nach Conſtantinopel, entſetzte den Muͤfti ſeiner Wuͤrde, und ließ durch verſchiedene Perſonen, die auf ſeiner Seite waren, dem Volke vorſtellen: der Sultan waͤre nicht der Angeber geweſen, den Krieg anzufangen; ſondern der Weßir Kara Muſtaͤfa Paſcha, und der abgeſetzte Muͤfti, deren Rathſchlaͤgen er es
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19. Muhaͤmmed der IIII
Jahre vergebens angegriffen hatte. Nachdem ſie die Waͤlle durch ihr Geſchuͤtz um-
geriſſen hatten: ſo erobern ſie daſſelbe ſchon am andern Tage der Belagerung mit
ſtuͤrmender Hand, und hauen die ganze Beſatzung darnieder. Mit eben ſo gu-
tem Erfolge thun die Morlaken einen Zug weiter nach Conſtantinopel hin, da
ſie durch eine Kriegesliſt tauſend Mann zu Fuß und fuͤnf hundert Reiter aus
einer Stadt heraus locken, da ſie in Beſatzung lagen, hierauf dieſelben umrin-
gen, eine große Anzahl von ihnen gleich bey dem erſten Angriffe erlegen, und
die uͤbrigen mit ſolcher Hitze verfolgen, daß ſie mit ihnen unter einander in die
Stadt hinein dringen, dieſelbe auspluͤndern und in Brand ſtecken.
159. Dieſe ungluͤcklichen Begebenheiten brachten die Ulema und das
Volk zu Conſtantinopel auf, ſo daß ſie anfangs heimlich aufruͤhriſche Reden
gegen den Sultan Muhaͤmmed ausſtießen, nachgehends aber dergleichen oͤffent-
lich ausſtreueten. Die Ulema insbeſondere ſtelleten dem gemeinen Volke vor:
die Schatzkammer ſey bereits erſchoͤpfet, viele zehen tauſend Muͤſuͤlmanen ſeyen
von den Chriſten erſchlagen, Ungarn und Morea ſey verloren, und der kaiſerliche
Sitz ſelbſt ſey in augenblicklicher Gefahr; daher ſey es zu ſpaͤt, den Sultan zu
ermahnen, daß er das Jagen einſtellen, ſich die Sorgfalt fuͤr das Reich ange-
legen ſeyn laſſen und beſtreben ſollte, demſelben in dieſer Noth beyzuſtehen.
Man koͤnne dieſes keiner Schwaͤche des Gemuͤths deſſelben beymeſſen; denn
Muhaͤmmed habe vor verſchiedenen Jahren gezeiget, daß er zur Verwaltung
der Geſchaͤffte nicht ungeſchickt ſey: ſondern man habe es dem goͤttlichen Zorne
gegen die Muͤſuͤlmanen zuzuſchreiben, wegen Brechung desjenigen Friedens,
den der hoͤchſtweiſe Weßir Kjuͤprili Aehmed Paſcha gemacht habe; und dieſer
goͤttliche Zorn habe den Sultan dergeſtalt verblendet, daß er ſich eingebildet, die
Grenzen des osmaniſchen Reiches, die durch die Arbeit und das Blut ſo vieler
Muͤſuͤlmanen erweitert worden, koͤnnten durch Hunde und Falken beſchuͤtzet
werden. Dieſer Zorn des Allerhoͤchſten koͤnne auf keine andere Weiſe abgewen-
det werden, als durch Wegraͤumung desjenigen, was ihn veranlaſſet habe:
naͤmlich des Sultans, der der erſte Urheber des ungerechten Krieges geweſen ſey;
und aller derer, die durch ihre Rathſchlaͤge oder Fetwa die Verletzung des Frie-
dens gutgeheißen haben.
Das Volk zu
Conſtantinopel
geraͤth gegen den
Sultan in den
Harniſch, und
ſchreyet, daß
man denſelben
abſetzen muͤſſe.
160. Als der Sultan Nachricht bekam, was fuͤr Reden auf den Straßen
und in den Zuſammenkuͤnften herum gingen: ſo begab er ſich ungeſaͤumt nach
Conſtantinopel, entſetzte den Muͤfti ſeiner Wuͤrde, und ließ durch verſchiedene
Perſonen, die auf ſeiner Seite waren, dem Volke vorſtellen: der Sultan
waͤre nicht der Angeber geweſen, den Krieg anzufangen; ſondern der Weßir
Kara Muſtaͤfa Paſcha, und der abgeſetzte Muͤfti, deren Rathſchlaͤgen er es
nicht
Der Sultan
bemuͤhet ſich ver-
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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 537. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/645>, abgerufen am 22.11.2024.
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