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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
ben werde, daß ihre Wache bestochen und das müsülmanische Volk, wegen Er-
mangelung eines rechtmäßigen Erbens, gezwungen werden möchte, wider seinen
Willen Muhämmed als Kaiser zu erkennen.

Herrlicher Vor-
schlag KjüpriliOgli-Mustäfas.
191.

Das unbesonnene Volk würde vielleicht den Sultan mit Gewalt
abgesetzet und wol gar sich an seinem Leben vergriffen haben: wenn nicht der
Kaimmäkam, Kjüprili Ogli Mustäfa Pascha, durch seine Klugheit und sein An-
sehen es abgewendet hätte. Denn, als derselbe merkte, was für vermessene
Anschläge die Verschwornen gefasset hatten, und daß sie durch kein Mittel von
ihrem Vorhaben würden abzubringen seyn: so stellete er sich, um durch eine
unzeitige Widersetzung sich nicht bey ihnen verdächtig zu machen, als wenn er
gleichfals ihrer Meinung beystimmete. Nachdem er nun dadurch die Gunst
des Volkes gewonnen hatte: so gab er der Versammlung den Rath; "sie
"sollte doch die Sache nicht auf eine unordentliche Weise anfangen, oder in der
"Uebereilung etwas vornehmen, das künftig ihren Nachkommen noch als eine
"unauslöschliche Schande anhängen möchte. Das müsülmanische Volk,"
sagte er, "hat zwar wichtige und gerechte Ursachen, gegen ihren Kaiser Be-
"schwerden zu führen, um deren willen man gestehen muß, daß er verdienet
"abgesetzet zu werden. Allein, man muß dieses auf solche Weise ins Werk
"richten, daß nicht nur die Ehre des osmanischen Hauses dabey geschonet; son-
"dern auch sorgfältig verhütet werde, daß nicht noch größere Unruhen daraus
"entstehen und das bereits wankende Reich völlig zu Grunde gehe. Es ist
"gar nicht nöthig, so sehr zu eilen; denn bey öffentlichen Angelegenheiten ist
"nichts schädlicheres, als dieses: und wegen des Lebens der Schehßade hat
"man nichts zu befürchten; weil dieselben von Bostandschi Baschi sorgfältig
"bewachet werden. Hingegen wird es der Ehre und dem Herkommen der Os-
"manen gemäßer seyn, daß man den Schejch Scherif und den Näkib an den
"Sultan sendet, demselben im Namen der Ulema, Soldaten und des gesamm-
"ten müsülmanischen Volkes die Erklärung thun lässet, daß er abgesetzet sey;
"und ihn ersuchet, mit gutem Willen den Palast zu verlassen, und das Reich
"seinem Bruder Sülejman abzutreten."

Die Aufrührer
lassen dem Sul-
tane durch ihre
Abgeordneten
die Erklärung
thun, daß er ab-gesetzet sey.
192.

Dieser Vorschlag wurde von der ganzen Versammlung gutgeheißen,
und der Näkib und Schejch Scherif im Namen derselben mit dieser traurigen
Botschaft an den Sultan abgeschicket. Sie suchten zwar anfangs dieses Ge-
schäffte von sich abzulehnen; endlich aber mußten sie, aus Furcht vor der erhitz-
ten Menge, dasselbe übernehmen, und gingen mit Zittern und Beben fort, die
Befehle des Volkes auszurichten. Als sie vor den Sultan kommen: so legen
sie erstlich ihre aufhabende Botschaft in aller Demuth ab; hierauf bitten sie um

Verzei-

Osmaniſche Geſchichte
ben werde, daß ihre Wache beſtochen und das muͤſuͤlmaniſche Volk, wegen Er-
mangelung eines rechtmaͤßigen Erbens, gezwungen werden moͤchte, wider ſeinen
Willen Muhaͤmmed als Kaiſer zu erkennen.

Herrlicher Vor-
ſchlag KjuͤpriliOgli-Muſtaͤfas.
191.

Das unbeſonnene Volk wuͤrde vielleicht den Sultan mit Gewalt
abgeſetzet und wol gar ſich an ſeinem Leben vergriffen haben: wenn nicht der
Kaimmaͤkam, Kjuͤprili Ogli Muſtaͤfa Paſcha, durch ſeine Klugheit und ſein An-
ſehen es abgewendet haͤtte. Denn, als derſelbe merkte, was fuͤr vermeſſene
Anſchlaͤge die Verſchwornen gefaſſet hatten, und daß ſie durch kein Mittel von
ihrem Vorhaben wuͤrden abzubringen ſeyn: ſo ſtellete er ſich, um durch eine
unzeitige Widerſetzung ſich nicht bey ihnen verdaͤchtig zu machen, als wenn er
gleichfals ihrer Meinung beyſtimmete. Nachdem er nun dadurch die Gunſt
des Volkes gewonnen hatte: ſo gab er der Verſammlung den Rath; “ſie
“ſollte doch die Sache nicht auf eine unordentliche Weiſe anfangen, oder in der
“Uebereilung etwas vornehmen, das kuͤnftig ihren Nachkommen noch als eine
“unausloͤſchliche Schande anhaͤngen moͤchte. Das muͤſuͤlmaniſche Volk,„
ſagte er, “hat zwar wichtige und gerechte Urſachen, gegen ihren Kaiſer Be-
“ſchwerden zu fuͤhren, um deren willen man geſtehen muß, daß er verdienet
“abgeſetzet zu werden. Allein, man muß dieſes auf ſolche Weiſe ins Werk
“richten, daß nicht nur die Ehre des osmaniſchen Hauſes dabey geſchonet; ſon-
“dern auch ſorgfaͤltig verhuͤtet werde, daß nicht noch groͤßere Unruhen daraus
“entſtehen und das bereits wankende Reich voͤllig zu Grunde gehe. Es iſt
“gar nicht noͤthig, ſo ſehr zu eilen; denn bey oͤffentlichen Angelegenheiten iſt
“nichts ſchaͤdlicheres, als dieſes: und wegen des Lebens der Schehßade hat
“man nichts zu befuͤrchten; weil dieſelben von Boſtandſchi Baſchi ſorgfaͤltig
“bewachet werden. Hingegen wird es der Ehre und dem Herkommen der Os-
“manen gemaͤßer ſeyn, daß man den Schejch Scherif und den Naͤkib an den
“Sultan ſendet, demſelben im Namen der Ulema, Soldaten und des geſamm-
“ten muͤſuͤlmaniſchen Volkes die Erklaͤrung thun laͤſſet, daß er abgeſetzet ſey;
“und ihn erſuchet, mit gutem Willen den Palaſt zu verlaſſen, und das Reich
“ſeinem Bruder Suͤlejman abzutreten.„

Die Aufruͤhrer
laſſen dem Sul-
tane durch ihre
Abgeordneten
die Erklaͤrung
thun, daß er ab-geſetzet ſey.
192.

Dieſer Vorſchlag wurde von der ganzen Verſammlung gutgeheißen,
und der Naͤkib und Schejch Scherif im Namen derſelben mit dieſer traurigen
Botſchaft an den Sultan abgeſchicket. Sie ſuchten zwar anfangs dieſes Ge-
ſchaͤffte von ſich abzulehnen; endlich aber mußten ſie, aus Furcht vor der erhitz-
ten Menge, daſſelbe uͤbernehmen, und gingen mit Zittern und Beben fort, die
Befehle des Volkes auszurichten. Als ſie vor den Sultan kommen: ſo legen
ſie erſtlich ihre aufhabende Botſchaft in aller Demuth ab; hierauf bitten ſie um

Verzei-
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[558/0666] Osmaniſche Geſchichte ben werde, daß ihre Wache beſtochen und das muͤſuͤlmaniſche Volk, wegen Er- mangelung eines rechtmaͤßigen Erbens, gezwungen werden moͤchte, wider ſeinen Willen Muhaͤmmed als Kaiſer zu erkennen. 191. Das unbeſonnene Volk wuͤrde vielleicht den Sultan mit Gewalt abgeſetzet und wol gar ſich an ſeinem Leben vergriffen haben: wenn nicht der Kaimmaͤkam, Kjuͤprili Ogli Muſtaͤfa Paſcha, durch ſeine Klugheit und ſein An- ſehen es abgewendet haͤtte. Denn, als derſelbe merkte, was fuͤr vermeſſene Anſchlaͤge die Verſchwornen gefaſſet hatten, und daß ſie durch kein Mittel von ihrem Vorhaben wuͤrden abzubringen ſeyn: ſo ſtellete er ſich, um durch eine unzeitige Widerſetzung ſich nicht bey ihnen verdaͤchtig zu machen, als wenn er gleichfals ihrer Meinung beyſtimmete. Nachdem er nun dadurch die Gunſt des Volkes gewonnen hatte: ſo gab er der Verſammlung den Rath; “ſie “ſollte doch die Sache nicht auf eine unordentliche Weiſe anfangen, oder in der “Uebereilung etwas vornehmen, das kuͤnftig ihren Nachkommen noch als eine “unausloͤſchliche Schande anhaͤngen moͤchte. Das muͤſuͤlmaniſche Volk,„ ſagte er, “hat zwar wichtige und gerechte Urſachen, gegen ihren Kaiſer Be- “ſchwerden zu fuͤhren, um deren willen man geſtehen muß, daß er verdienet “abgeſetzet zu werden. Allein, man muß dieſes auf ſolche Weiſe ins Werk “richten, daß nicht nur die Ehre des osmaniſchen Hauſes dabey geſchonet; ſon- “dern auch ſorgfaͤltig verhuͤtet werde, daß nicht noch groͤßere Unruhen daraus “entſtehen und das bereits wankende Reich voͤllig zu Grunde gehe. Es iſt “gar nicht noͤthig, ſo ſehr zu eilen; denn bey oͤffentlichen Angelegenheiten iſt “nichts ſchaͤdlicheres, als dieſes: und wegen des Lebens der Schehßade hat “man nichts zu befuͤrchten; weil dieſelben von Boſtandſchi Baſchi ſorgfaͤltig “bewachet werden. Hingegen wird es der Ehre und dem Herkommen der Os- “manen gemaͤßer ſeyn, daß man den Schejch Scherif und den Naͤkib an den “Sultan ſendet, demſelben im Namen der Ulema, Soldaten und des geſamm- “ten muͤſuͤlmaniſchen Volkes die Erklaͤrung thun laͤſſet, daß er abgeſetzet ſey; “und ihn erſuchet, mit gutem Willen den Palaſt zu verlaſſen, und das Reich “ſeinem Bruder Suͤlejman abzutreten.„ 192. Dieſer Vorſchlag wurde von der ganzen Verſammlung gutgeheißen, und der Naͤkib und Schejch Scherif im Namen derſelben mit dieſer traurigen Botſchaft an den Sultan abgeſchicket. Sie ſuchten zwar anfangs dieſes Ge- ſchaͤffte von ſich abzulehnen; endlich aber mußten ſie, aus Furcht vor der erhitz- ten Menge, daſſelbe uͤbernehmen, und gingen mit Zittern und Beben fort, die Befehle des Volkes auszurichten. Als ſie vor den Sultan kommen: ſo legen ſie erſtlich ihre aufhabende Botſchaft in aller Demuth ab; hierauf bitten ſie um Verzei-

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 558. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/666>, abgerufen am 22.11.2024.