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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
lich verkündigen, daß alle Müsülmanen, die nicht für Unglaubigen wollten ge-
halten seyn, sich unter diese Standarte begeben sollten. Die Bürger und Ein-
wohner zu Constantinopel eilen zuerst zu derselben: und hierauf legen auch die
Jeng-itscheri, damit sie nicht für Aufrührer und Verächter der Standarte ihres
Propheten möchten angesehen werden, die Waffen nieder und unterwerfen sich
derselben. Dabey rufen sie aus: sie hätten die Waffen ergriffen, nicht gegen
den Sultan, sondern gegen seinen meineidigen Feind, den Weßir, und diesen
hätten sie gestrafet; sie seyen daher itzo bereit, alles zu thun, was der Sultan
für gut befinden werde, denn sie hätten demselben die Gewalt über ihr Leben
und Tod übergeben.

Kodscha Ismä-
il Pascha wird
zum Weßire ge-
macht; als aber
nochmals eine
Empörung aus-
bricht: so wird
er seines Amteswieder entsetzet.
8.

Nachdem die Empörung solchergestalt gestillet war: so wurde Kodscha
Ismäil Pascha 7 zum Weßire bestellet, und die Aufrührer kehreten wieder in
ihre Wohnungen zurück. Allein, diese Ruhe war von keiner langen Dauer;
denn wenige Tage darauf befahl der Sultan dem Weßire, er sollte sich bemü-
hen, sich der Urheber des Aufruhrs ingeheim zu bemächtigen und dieselben aus
dem Wege zu räumen. Als der Weßir dieses mit großem Ernste zu vollstrecken
[Spaltenumbruch]

7 Kodscha Ismäil Pascha] Ismäil
Pascha der Alte. Er war zur selbigen Zeit
Aga der Jeng-itscheri, und wurde in der Ab-
sicht zum Weßire gemacht, damit die Unru-
hen desto leichter gestillet und die Jeng-itscheri
mit desto geringerer Mühe möchten besänftiget
werden. Als sie aber zum andern male auf-
rührisch wurden: so opferte man ihn, auf
Anrathen Kjüprili Mustäfa Paschas, den-
selben auf und verbannete ihn nach Rhodes.
8 Schuld auf den Weßir] Die oberste
und manchmal bey nahe unumschränkte Ge-
walt über das ganze Reich, die die Sultane
den Weßiren zu übertragen pflegen, möchte
zwar wol in andern Staten gefährliche Fol-
gen haben können; in dem osmanischen Rei-
che aber ist es die vornehmste, wo nicht die
einzige Unterstützung desselben. Denn außer
dem, daß es in des Sultans Macht stehet,
den Weßir abzusetzen, wann es ihm beliebet;
[Spaltenumbruch]
es müßte dann seyn, daß dessen Gewalt durch
langen Besitz allzu tiefe Wurzeln geschlagen
hätte: so ist die Ursache, dadurch die Weßire
abgehalten werden Unruhen anzurichten,
hauptsächlich diese; weil sie wissen, daß sie
durch des Sultans Absetzung nimmermehr
ihr Glück machen können. Sie können eine
so geheiligte Krone nimmermehr auf ihr eige-
nes Haupt setzen; und dieses wegen der be-
sondern Hochachtung, die die Türken gegen
das osmanische Geschlecht hegen: und sie kön-
nen sich auch von dem Nachfolger des Sul-
tans keine beständige Gewogenheit verspre-
chen; weil dieser nimmermehr sein Vertrauen
in einen Mann setzen wird, der gegen seinen
Vorfahrer ein Verräther gewesen ist. Wann
Unruhen entstehen: so ist dieses der einzige
Schild, damit die Sultane sich gegen die Be-
schwerden und das Murren des Volks decken
können; nämlich, daß sie alle Schuld von
der schlechten Verwaltung der Sachen auf

anfän-

Osmaniſche Geſchichte
lich verkuͤndigen, daß alle Muͤſuͤlmanen, die nicht fuͤr Unglaubigen wollten ge-
halten ſeyn, ſich unter dieſe Standarte begeben ſollten. Die Buͤrger und Ein-
wohner zu Conſtantinopel eilen zuerſt zu derſelben: und hierauf legen auch die
Jeng-itſcheri, damit ſie nicht fuͤr Aufruͤhrer und Veraͤchter der Standarte ihres
Propheten moͤchten angeſehen werden, die Waffen nieder und unterwerfen ſich
derſelben. Dabey rufen ſie aus: ſie haͤtten die Waffen ergriffen, nicht gegen
den Sultan, ſondern gegen ſeinen meineidigen Feind, den Weßir, und dieſen
haͤtten ſie geſtrafet; ſie ſeyen daher itzo bereit, alles zu thun, was der Sultan
fuͤr gut befinden werde, denn ſie haͤtten demſelben die Gewalt uͤber ihr Leben
und Tod uͤbergeben.

Kodſcha Ismaͤ-
il Paſcha wird
zum Weßire ge-
macht; als aber
nochmals eine
Empoͤrung aus-
bricht: ſo wird
er ſeines Amteswieder entſetzet.
8.

Nachdem die Empoͤrung ſolchergeſtalt geſtillet war: ſo wurde Kodſcha
Ismaͤil Paſcha 7 zum Weßire beſtellet, und die Aufruͤhrer kehreten wieder in
ihre Wohnungen zuruͤck. Allein, dieſe Ruhe war von keiner langen Dauer;
denn wenige Tage darauf befahl der Sultan dem Weßire, er ſollte ſich bemuͤ-
hen, ſich der Urheber des Aufruhrs ingeheim zu bemaͤchtigen und dieſelben aus
dem Wege zu raͤumen. Als der Weßir dieſes mit großem Ernſte zu vollſtrecken
[Spaltenumbruch]

7 Kodſcha Ismaͤil Paſcha] Ismaͤil
Paſcha der Alte. Er war zur ſelbigen Zeit
Aga der Jeng-itſcheri, und wurde in der Ab-
ſicht zum Weßire gemacht, damit die Unru-
hen deſto leichter geſtillet und die Jeng-itſcheri
mit deſto geringerer Muͤhe moͤchten beſaͤnftiget
werden. Als ſie aber zum andern male auf-
ruͤhriſch wurden: ſo opferte man ihn, auf
Anrathen Kjuͤprili Muſtaͤfa Paſchas, den-
ſelben auf und verbannete ihn nach Rhodes.
8 Schuld auf den Weßir] Die oberſte
und manchmal bey nahe unumſchraͤnkte Ge-
walt uͤber das ganze Reich, die die Sultane
den Weßiren zu uͤbertragen pflegen, moͤchte
zwar wol in andern Staten gefaͤhrliche Fol-
gen haben koͤnnen; in dem osmaniſchen Rei-
che aber iſt es die vornehmſte, wo nicht die
einzige Unterſtuͤtzung deſſelben. Denn außer
dem, daß es in des Sultans Macht ſtehet,
den Weßir abzuſetzen, wann es ihm beliebet;
[Spaltenumbruch]
es muͤßte dann ſeyn, daß deſſen Gewalt durch
langen Beſitz allzu tiefe Wurzeln geſchlagen
haͤtte: ſo iſt die Urſache, dadurch die Weßire
abgehalten werden Unruhen anzurichten,
hauptſaͤchlich dieſe; weil ſie wiſſen, daß ſie
durch des Sultans Abſetzung nimmermehr
ihr Gluͤck machen koͤnnen. Sie koͤnnen eine
ſo geheiligte Krone nimmermehr auf ihr eige-
nes Haupt ſetzen; und dieſes wegen der be-
ſondern Hochachtung, die die Tuͤrken gegen
das osmaniſche Geſchlecht hegen: und ſie koͤn-
nen ſich auch von dem Nachfolger des Sul-
tans keine beſtaͤndige Gewogenheit verſpre-
chen; weil dieſer nimmermehr ſein Vertrauen
in einen Mann ſetzen wird, der gegen ſeinen
Vorfahrer ein Verraͤther geweſen iſt. Wann
Unruhen entſtehen: ſo iſt dieſes der einzige
Schild, damit die Sultane ſich gegen die Be-
ſchwerden und das Murren des Volks decken
koͤnnen; naͤmlich, daß ſie alle Schuld von
der ſchlechten Verwaltung der Sachen auf

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[570/0680] Osmaniſche Geſchichte lich verkuͤndigen, daß alle Muͤſuͤlmanen, die nicht fuͤr Unglaubigen wollten ge- halten ſeyn, ſich unter dieſe Standarte begeben ſollten. Die Buͤrger und Ein- wohner zu Conſtantinopel eilen zuerſt zu derſelben: und hierauf legen auch die Jeng-itſcheri, damit ſie nicht fuͤr Aufruͤhrer und Veraͤchter der Standarte ihres Propheten moͤchten angeſehen werden, die Waffen nieder und unterwerfen ſich derſelben. Dabey rufen ſie aus: ſie haͤtten die Waffen ergriffen, nicht gegen den Sultan, ſondern gegen ſeinen meineidigen Feind, den Weßir, und dieſen haͤtten ſie geſtrafet; ſie ſeyen daher itzo bereit, alles zu thun, was der Sultan fuͤr gut befinden werde, denn ſie haͤtten demſelben die Gewalt uͤber ihr Leben und Tod uͤbergeben. 8. Nachdem die Empoͤrung ſolchergeſtalt geſtillet war: ſo wurde Kodſcha Ismaͤil Paſcha ⁷ zum Weßire beſtellet, und die Aufruͤhrer kehreten wieder in ihre Wohnungen zuruͤck. Allein, dieſe Ruhe war von keiner langen Dauer; denn wenige Tage darauf befahl der Sultan dem Weßire, er ſollte ſich bemuͤ- hen, ſich der Urheber des Aufruhrs ingeheim zu bemaͤchtigen und dieſelben aus dem Wege zu raͤumen. Als der Weßir dieſes mit großem Ernſte zu vollſtrecken anfaͤn- ⁷ Kodſcha Ismaͤil Paſcha] Ismaͤil Paſcha der Alte. Er war zur ſelbigen Zeit Aga der Jeng-itſcheri, und wurde in der Ab- ſicht zum Weßire gemacht, damit die Unru- hen deſto leichter geſtillet und die Jeng-itſcheri mit deſto geringerer Muͤhe moͤchten beſaͤnftiget werden. Als ſie aber zum andern male auf- ruͤhriſch wurden: ſo opferte man ihn, auf Anrathen Kjuͤprili Muſtaͤfa Paſchas, den- ſelben auf und verbannete ihn nach Rhodes. ⁸ Schuld auf den Weßir] Die oberſte und manchmal bey nahe unumſchraͤnkte Ge- walt uͤber das ganze Reich, die die Sultane den Weßiren zu uͤbertragen pflegen, moͤchte zwar wol in andern Staten gefaͤhrliche Fol- gen haben koͤnnen; in dem osmaniſchen Rei- che aber iſt es die vornehmſte, wo nicht die einzige Unterſtuͤtzung deſſelben. Denn außer dem, daß es in des Sultans Macht ſtehet, den Weßir abzuſetzen, wann es ihm beliebet; es muͤßte dann ſeyn, daß deſſen Gewalt durch langen Beſitz allzu tiefe Wurzeln geſchlagen haͤtte: ſo iſt die Urſache, dadurch die Weßire abgehalten werden Unruhen anzurichten, hauptſaͤchlich dieſe; weil ſie wiſſen, daß ſie durch des Sultans Abſetzung nimmermehr ihr Gluͤck machen koͤnnen. Sie koͤnnen eine ſo geheiligte Krone nimmermehr auf ihr eige- nes Haupt ſetzen; und dieſes wegen der be- ſondern Hochachtung, die die Tuͤrken gegen das osmaniſche Geſchlecht hegen: und ſie koͤn- nen ſich auch von dem Nachfolger des Sul- tans keine beſtaͤndige Gewogenheit verſpre- chen; weil dieſer nimmermehr ſein Vertrauen in einen Mann ſetzen wird, der gegen ſeinen Vorfahrer ein Verraͤther geweſen iſt. Wann Unruhen entſtehen: ſo iſt dieſes der einzige Schild, damit die Sultane ſich gegen die Be- ſchwerden und das Murren des Volks decken koͤnnen; naͤmlich, daß ſie alle Schuld von der ſchlechten Verwaltung der Sachen auf den

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 570. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/680>, abgerufen am 22.11.2024.