Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.Osmanische Geschichte [Spaltenumbruch]
lachey: denn ein ieder von ihnen trachtete den andern aus seinem Fürstenthume zu ver- treiben; weil sie aber alle beyde reich waren und eine mächtige Partey am Hofe hatten: so thaten sie niemandem, als ihrem eigenen Schatze, Schaden. Skarlatos war auf Ba- silius Seite, und wendete sein Ansehen bey dem Weßire und den Hofbedienten an, Mat- thäus zu schaden; legte auch demselben täg- lich unüberwindliche Schwierigkeiten in den Weg. Matthäus versuchte mancherley Mit- tel, ihn zu seiner Partey zu bewegen; es war aber alles vergebens. Endlich, als seine Ge- malinn starb, verlangte er dessen einzige Toch- ter Loxandra zur Ehe; in Hoffnung, durch Stiftung einer Blutsfreundschaft dasjenige leichter zu erlangen, was er durch Geld nicht hatte ausrichten können. Skarlatos giebt seine Einwilligung dazu; Matthäus lässet die Verlobung durch seinen Kapukjihaja zu Constantinopel auf die prächtigste Weise öf- fentlich vollziehen, und schicket einige Baronen und Baroninnen mit einem großen Gefolge nach Constantinopel, die Braut abzuholen. Allein, einige Tage nach dem Verlöbnisse wird Loxandra krank, und bekommt die Kinder- pocken: die sie nicht allein ihrer Schönheit berauben; sondern auch um eines ihrer Augen bringen. Skarlatos hält diese Verschändung seiner Tochter geheim, und sendet dieselbe ih- rem Bräutigame nebst einer reichen Mitgabe zu; befiehlet ihr aber, sich auf der Reise, nach der Gewohnheit der Türken, beständig verhüllet zu halten, und ihr Angesicht von keinem Menschen sehen zu lassen, bis die Ver- mälungsfeierlichkeiten vorüber seyen: in Hoff- nung, wann diese einmal vollzogen wären, daß der Fürst alsdann gehalten seyn würde, sie für seine Gemalinn zu behalten; er möchte wollen oder nicht. Sie verhüllete sich also auf der Reise ohne den mindesten Verdacht. Als sie aber zu Targowist ankam, und daselbst in ein herrliches Haus und Zimmer aufge- nommen wurde; und dennoch niemandem [Spaltenumbruch] verstatten wollte, zu ihr zu kommen, ausge- nommen ihren Mägden, die sie von Hause mit- gebracht hatte: so argwohnete der Fürst, es möchte unter dieser Verborgenheit, die unter den Christen so ungewöhnlich ist, etwas anderes stecken; und hielte erstlich für sich selbst, und hernach für einige Baroninnen, um Erlaubniß an, ihr aufwarten zu dürfen. Er bekam aber beydemale abschlägige Ant- wort: denn das junge Frauenzimmer wen- dete vor, ihr Vater habe ihr ein scharfes Ver- bot mitgegeben und sie mit entsetzlichen Ver- wünschungen bedrohet, daß sie ihr Angesicht keinem Menschen zeigen sollte, so lange sie Jungfer sey; welches Verbot sich nicht allein auf die Mannspersonen, sondern auch auf die Weibspersonen, erstrecke. Der Fürst, es sey nun, daß es aus seiner gelinden Gemüthsart hergerühret, oder weil er sich vor ihres Vaters Gewalt fürchtete, setzte nicht weiter in sie; sondern ließ ihr nur bloß zu verstehen geben, daß er argwohne, da sie so scheu thue, sie müsse einen gewissen Mangel oder Uebelstand an ihrem Leibe haben. Darauf dieselbe sehr listig antwortete: sie habe alles an sich, was einer Jungfer gehöre. Wenn aber den Fürsten seine Verbindung reue: so sey sie bereit, von Stunde an wieder in ihr Vater- land zurück zu kehren; denn Skarlatos Toch- ter sey um einen Mann gar nicht verlegen. Der Fürst ließ sich durch die spitzfündige Ant- wort dieses jungen Frauenzimmers betriegen, und machte unverzüglich sehr große Zuschickun- gen zu dem Beylager. Sie wird verhüllet aus ihrer bisherigen Einkehre in den Palast, und von da in die Kirche geführet. Als aber der Fürst nach geschehener Trauungsfeierlich- keit in sein Schlafzimmer kommt, und siehet, daß seine Braut sehr häßlich ist und das eine Auge verloren hat: so schicket er sie unbe- rühret auf der Stelle, oder, wie andere sagen, zweene Tage hernach, aus dem Palaste wie- der in ihre alte Einkehre, und sendet sie mit einer Begleitung in allen Ehren an ihren Va- Osmaniſche Geſchichte [Spaltenumbruch]
lachey: denn ein ieder von ihnen trachtete den andern aus ſeinem Fuͤrſtenthume zu ver- treiben; weil ſie aber alle beyde reich waren und eine maͤchtige Partey am Hofe hatten: ſo thaten ſie niemandem, als ihrem eigenen Schatze, Schaden. Skarlatos war auf Ba- ſilius Seite, und wendete ſein Anſehen bey dem Weßire und den Hofbedienten an, Mat- thaͤus zu ſchaden; legte auch demſelben taͤg- lich unuͤberwindliche Schwierigkeiten in den Weg. Matthaͤus verſuchte mancherley Mit- tel, ihn zu ſeiner Partey zu bewegen; es war aber alles vergebens. Endlich, als ſeine Ge- malinn ſtarb, verlangte er deſſen einzige Toch- ter Loxandra zur Ehe; in Hoffnung, durch Stiftung einer Blutsfreundſchaft dasjenige leichter zu erlangen, was er durch Geld nicht hatte ausrichten koͤnnen. Skarlatos giebt ſeine Einwilligung dazu; Matthaͤus laͤſſet die Verlobung durch ſeinen Kapukjihaja zu Conſtantinopel auf die praͤchtigſte Weiſe oͤf- fentlich vollziehen, und ſchicket einige Baronen und Baroninnen mit einem großen Gefolge nach Conſtantinopel, die Braut abzuholen. Allein, einige Tage nach dem Verloͤbniſſe wird Loxandra krank, und bekommt die Kinder- pocken: die ſie nicht allein ihrer Schoͤnheit berauben; ſondern auch um eines ihrer Augen bringen. Skarlatos haͤlt dieſe Verſchaͤndung ſeiner Tochter geheim, und ſendet dieſelbe ih- rem Braͤutigame nebſt einer reichen Mitgabe zu; befiehlet ihr aber, ſich auf der Reiſe, nach der Gewohnheit der Tuͤrken, beſtaͤndig verhuͤllet zu halten, und ihr Angeſicht von keinem Menſchen ſehen zu laſſen, bis die Ver- maͤlungsfeierlichkeiten voruͤber ſeyen: in Hoff- nung, wann dieſe einmal vollzogen waͤren, daß der Fuͤrſt alsdann gehalten ſeyn wuͤrde, ſie fuͤr ſeine Gemalinn zu behalten; er moͤchte wollen oder nicht. Sie verhuͤllete ſich alſo auf der Reiſe ohne den mindeſten Verdacht. Als ſie aber zu Targowiſt ankam, und daſelbſt in ein herrliches Haus und Zimmer aufge- nommen wurde; und dennoch niemandem [Spaltenumbruch] verſtatten wollte, zu ihr zu kommen, ausge- nommen ihren Maͤgden, die ſie von Hauſe mit- gebracht hatte: ſo argwohnete der Fuͤrſt, es moͤchte unter dieſer Verborgenheit, die unter den Chriſten ſo ungewoͤhnlich iſt, etwas anderes ſtecken; und hielte erſtlich fuͤr ſich ſelbſt, und hernach fuͤr einige Baroninnen, um Erlaubniß an, ihr aufwarten zu duͤrfen. Er bekam aber beydemale abſchlaͤgige Ant- wort: denn das junge Frauenzimmer wen- dete vor, ihr Vater habe ihr ein ſcharfes Ver- bot mitgegeben und ſie mit entſetzlichen Ver- wuͤnſchungen bedrohet, daß ſie ihr Angeſicht keinem Menſchen zeigen ſollte, ſo lange ſie Jungfer ſey; welches Verbot ſich nicht allein auf die Mannsperſonen, ſondern auch auf die Weibsperſonen, erſtrecke. Der Fuͤrſt, es ſey nun, daß es aus ſeiner gelinden Gemuͤthsart hergeruͤhret, oder weil er ſich vor ihres Vaters Gewalt fuͤrchtete, ſetzte nicht weiter in ſie; ſondern ließ ihr nur bloß zu verſtehen geben, daß er argwohne, da ſie ſo ſcheu thue, ſie muͤſſe einen gewiſſen Mangel oder Uebelſtand an ihrem Leibe haben. Darauf dieſelbe ſehr liſtig antwortete: ſie habe alles an ſich, was einer Jungfer gehoͤre. Wenn aber den Fuͤrſten ſeine Verbindung reue: ſo ſey ſie bereit, von Stunde an wieder in ihr Vater- land zuruͤck zu kehren; denn Skarlatos Toch- ter ſey um einen Mann gar nicht verlegen. Der Fuͤrſt ließ ſich durch die ſpitzfuͤndige Ant- wort dieſes jungen Frauenzimmers betriegen, und machte unverzuͤglich ſehr große Zuſchickun- gen zu dem Beylager. Sie wird verhuͤllet aus ihrer bisherigen Einkehre in den Palaſt, und von da in die Kirche gefuͤhret. Als aber der Fuͤrſt nach geſchehener Trauungsfeierlich- keit in ſein Schlafzimmer kommt, und ſiehet, daß ſeine Braut ſehr haͤßlich iſt und das eine Auge verloren hat: ſo ſchicket er ſie unbe- ruͤhret auf der Stelle, oder, wie andere ſagen, zweene Tage hernach, aus dem Palaſte wie- der in ihre alte Einkehre, und ſendet ſie mit einer Begleitung in allen Ehren an ihren Va- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0686" n="576"/> <fw place="top" type="header">Osmaniſche Geſchichte</fw><lb/> <cb n="1"/><lb/> <note xml:id="K686" prev="#K685" place="end" next="#K687">lachey: denn ein ieder von ihnen trachtete<lb/> den andern aus ſeinem Fuͤrſtenthume zu ver-<lb/> treiben; weil ſie aber alle beyde reich waren<lb/> und eine maͤchtige Partey am Hofe hatten:<lb/> ſo thaten ſie niemandem, als ihrem eigenen<lb/> Schatze, Schaden. 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Osmaniſche Geſchichte
lachey: denn ein ieder von ihnen trachtete
den andern aus ſeinem Fuͤrſtenthume zu ver-
treiben; weil ſie aber alle beyde reich waren
und eine maͤchtige Partey am Hofe hatten:
ſo thaten ſie niemandem, als ihrem eigenen
Schatze, Schaden. Skarlatos war auf Ba-
ſilius Seite, und wendete ſein Anſehen bey
dem Weßire und den Hofbedienten an, Mat-
thaͤus zu ſchaden; legte auch demſelben taͤg-
lich unuͤberwindliche Schwierigkeiten in den
Weg. Matthaͤus verſuchte mancherley Mit-
tel, ihn zu ſeiner Partey zu bewegen; es war
aber alles vergebens. Endlich, als ſeine Ge-
malinn ſtarb, verlangte er deſſen einzige Toch-
ter Loxandra zur Ehe; in Hoffnung, durch
Stiftung einer Blutsfreundſchaft dasjenige
leichter zu erlangen, was er durch Geld nicht
hatte ausrichten koͤnnen. Skarlatos giebt
ſeine Einwilligung dazu; Matthaͤus laͤſſet
die Verlobung durch ſeinen Kapukjihaja zu
Conſtantinopel auf die praͤchtigſte Weiſe oͤf-
fentlich vollziehen, und ſchicket einige Baronen
und Baroninnen mit einem großen Gefolge
nach Conſtantinopel, die Braut abzuholen.
Allein, einige Tage nach dem Verloͤbniſſe wird
Loxandra krank, und bekommt die Kinder-
pocken: die ſie nicht allein ihrer Schoͤnheit
berauben; ſondern auch um eines ihrer Augen
bringen. Skarlatos haͤlt dieſe Verſchaͤndung
ſeiner Tochter geheim, und ſendet dieſelbe ih-
rem Braͤutigame nebſt einer reichen Mitgabe
zu; befiehlet ihr aber, ſich auf der Reiſe,
nach der Gewohnheit der Tuͤrken, beſtaͤndig
verhuͤllet zu halten, und ihr Angeſicht von
keinem Menſchen ſehen zu laſſen, bis die Ver-
maͤlungsfeierlichkeiten voruͤber ſeyen: in Hoff-
nung, wann dieſe einmal vollzogen waͤren,
daß der Fuͤrſt alsdann gehalten ſeyn wuͤrde, ſie
fuͤr ſeine Gemalinn zu behalten; er moͤchte
wollen oder nicht. Sie verhuͤllete ſich alſo
auf der Reiſe ohne den mindeſten Verdacht.
Als ſie aber zu Targowiſt ankam, und daſelbſt
in ein herrliches Haus und Zimmer aufge-
nommen wurde; und dennoch niemandem
verſtatten wollte, zu ihr zu kommen, ausge-
nommen ihren Maͤgden, die ſie von Hauſe mit-
gebracht hatte: ſo argwohnete der Fuͤrſt,
es moͤchte unter dieſer Verborgenheit, die
unter den Chriſten ſo ungewoͤhnlich iſt, etwas
anderes ſtecken; und hielte erſtlich fuͤr ſich
ſelbſt, und hernach fuͤr einige Baroninnen,
um Erlaubniß an, ihr aufwarten zu duͤrfen.
Er bekam aber beydemale abſchlaͤgige Ant-
wort: denn das junge Frauenzimmer wen-
dete vor, ihr Vater habe ihr ein ſcharfes Ver-
bot mitgegeben und ſie mit entſetzlichen Ver-
wuͤnſchungen bedrohet, daß ſie ihr Angeſicht
keinem Menſchen zeigen ſollte, ſo lange ſie
Jungfer ſey; welches Verbot ſich nicht allein
auf die Mannsperſonen, ſondern auch auf die
Weibsperſonen, erſtrecke. Der Fuͤrſt, es ſey
nun, daß es aus ſeiner gelinden Gemuͤthsart
hergeruͤhret, oder weil er ſich vor ihres Vaters
Gewalt fuͤrchtete, ſetzte nicht weiter in ſie;
ſondern ließ ihr nur bloß zu verſtehen geben,
daß er argwohne, da ſie ſo ſcheu thue, ſie
muͤſſe einen gewiſſen Mangel oder Uebelſtand
an ihrem Leibe haben. Darauf dieſelbe ſehr
liſtig antwortete: ſie habe alles an ſich,
was einer Jungfer gehoͤre. Wenn aber den
Fuͤrſten ſeine Verbindung reue: ſo ſey ſie
bereit, von Stunde an wieder in ihr Vater-
land zuruͤck zu kehren; denn Skarlatos Toch-
ter ſey um einen Mann gar nicht verlegen.
Der Fuͤrſt ließ ſich durch die ſpitzfuͤndige Ant-
wort dieſes jungen Frauenzimmers betriegen,
und machte unverzuͤglich ſehr große Zuſchickun-
gen zu dem Beylager. Sie wird verhuͤllet
aus ihrer bisherigen Einkehre in den Palaſt,
und von da in die Kirche gefuͤhret. Als aber
der Fuͤrſt nach geſchehener Trauungsfeierlich-
keit in ſein Schlafzimmer kommt, und ſiehet,
daß ſeine Braut ſehr haͤßlich iſt und das eine
Auge verloren hat: ſo ſchicket er ſie unbe-
ruͤhret auf der Stelle, oder, wie andere ſagen,
zweene Tage hernach, aus dem Palaſte wie-
der in ihre alte Einkehre, und ſendet ſie mit
einer Begleitung in allen Ehren an ihren Va-
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