dern zerstreuet an, da sie Nahrung suchten; diese versorgte er mit Lebensmitteln, und ließ sie in ihr Vaterland ziehen.
Die Venetianer erobern Monem-basia.
57.
Mitten unter allen diesen unglücklichen Begebenheiten der Christen waren die Venetianer die einzigen, die noch einigen Vortheil hatten. Nachdem Monembasia, das so viele Jahre her den Venetianern, die bereits Meister von Morea waren, widerstanden hatte, zweene Sommer hindurch eingeschlossen ge- halten und ihm alle Zufuhre abgeschnitten worden war: so wurde es im An- fange des Feldzuges belagert, und bald darauf durch Hunger zur Uebergabe genöthiget.
Verschiedene Vortheile derVenetianer.
58.
Zur See griff der venetianische Admiral, Daniel Delfino, den Ka- pudan Pascha bey Mitylene an, schlug denselben, bohrete einige seiner Schiffe in den Grund, eroberte verschiedene davon, und nöthigte ihn die Flucht zu neh- men. Nach diesem Siege nimmt Cornaro den Türken Canina und Vallona ab, und bringet dieselben wieder unter die venetianische Herrschaft. In Dal- matien waget sich der Befehlhaber von Erzegowina, Dschinn Ali Pascha 27, ins Feld, und bestürmet Nisichosch und Kussosch; wird aber von dem venetia- nischen Heere geschlagen, er selbst gefangen genommen, und seine Völker werden zerstreuet.
Der Weßir keh- ret im Triumphe nach Constan-tinopel zurück.
59.
Unterdessen kehrete der Weßir mit seinem sieghaften Heere nach Adrianopel zurück, und wurde daselbst mit vielen Glückwünschungen empfangen, nicht allein von dem Sultane; sondern auch von dem ganzen Volke, das ihn als seinen Erlöser öffentlich priese. Allein, der Sultan war an einer Wasser- sucht krank; und weil die Aerzte vorstelleten, daß die Luft zu Adrianopel ihm nicht dienlich sey: so reisete der Weßir mit demselben nach Constantinopel, und hielte in dieser Stadt mit großer Feierlichkeit und auf triumphirende Weise sei- [Spaltenumbruch]
"mit dem Hunger. Da dieses Unglück mir "zum erstenmale in diesem Feldzuge begegne- "te, und mich, weil ich dessen nicht gewoh- "net war, leicht überwältigte: so verließ "ich das Lager, offenbarete mein Vorhaben "noch einigen andern; und wir begaben "uns in die Wälder, da wir glaubten so viel "Obst zu finden, daß wir unsern Hunger "stillen könnten, und dabey vor den Tatarn "sicher zu seyn. Allein, wir betrogen uns [Spaltenumbruch] "in unserer Hoffnung. Denn als wir ein "ieder auf einem besondern Baume saßen "und unsern Hunger mit Aepfeln und Pflau- "men stilleten: so sahen wir unvermuthet, "daß einige Tatarn ihre Pfeile hervorzogen, "und mit gespanntem Bogen auf uns ziele- "ten. Weil wir nun keine Hülfe vor uns "sahen und uns auch nicht durch die Flucht "zu entkommen getraueten: so stiegen wir "herunter und ließen uns von ihnen bin-
nen
Osmaniſche Geſchichte
dern zerſtreuet an, da ſie Nahrung ſuchten; dieſe verſorgte er mit Lebensmitteln, und ließ ſie in ihr Vaterland ziehen.
Die Venetianer erobern Monem-baſia.
57.
Mitten unter allen dieſen ungluͤcklichen Begebenheiten der Chriſten waren die Venetianer die einzigen, die noch einigen Vortheil hatten. Nachdem Monembaſia, das ſo viele Jahre her den Venetianern, die bereits Meiſter von Morea waren, widerſtanden hatte, zweene Sommer hindurch eingeſchloſſen ge- halten und ihm alle Zufuhre abgeſchnitten worden war: ſo wurde es im An- fange des Feldzuges belagert, und bald darauf durch Hunger zur Uebergabe genoͤthiget.
Verſchiedene Vortheile derVenetianer.
58.
Zur See griff der venetianiſche Admiral, Daniel Delfino, den Ka- pudan Paſcha bey Mitylene an, ſchlug denſelben, bohrete einige ſeiner Schiffe in den Grund, eroberte verſchiedene davon, und noͤthigte ihn die Flucht zu neh- men. Nach dieſem Siege nimmt Cornaro den Tuͤrken Canina und Vallona ab, und bringet dieſelben wieder unter die venetianiſche Herrſchaft. In Dal- matien waget ſich der Befehlhaber von Erzegowina, Dſchinn Ali Paſcha 27, ins Feld, und beſtuͤrmet Niſichoſch und Kuſſoſch; wird aber von dem venetia- niſchen Heere geſchlagen, er ſelbſt gefangen genommen, und ſeine Voͤlker werden zerſtreuet.
Der Weßir keh- ret im Triumphe nach Conſtan-tinopel zuruͤck.
59.
Unterdeſſen kehrete der Weßir mit ſeinem ſieghaften Heere nach Adrianopel zuruͤck, und wurde daſelbſt mit vielen Gluͤckwuͤnſchungen empfangen, nicht allein von dem Sultane; ſondern auch von dem ganzen Volke, das ihn als ſeinen Erloͤſer oͤffentlich prieſe. Allein, der Sultan war an einer Waſſer- ſucht krank; und weil die Aerzte vorſtelleten, daß die Luft zu Adrianopel ihm nicht dienlich ſey: ſo reiſete der Weßir mit demſelben nach Conſtantinopel, und hielte in dieſer Stadt mit großer Feierlichkeit und auf triumphirende Weiſe ſei- [Spaltenumbruch]
“mit dem Hunger. Da dieſes Ungluͤck mir “zum erſtenmale in dieſem Feldzuge begegne- “te, und mich, weil ich deſſen nicht gewoh- “net war, leicht uͤberwaͤltigte: ſo verließ “ich das Lager, offenbarete mein Vorhaben “noch einigen andern; und wir begaben “uns in die Waͤlder, da wir glaubten ſo viel “Obſt zu finden, daß wir unſern Hunger “ſtillen koͤnnten, und dabey vor den Tatarn “ſicher zu ſeyn. Allein, wir betrogen uns [Spaltenumbruch] “in unſerer Hoffnung. Denn als wir ein “ieder auf einem beſondern Baume ſaßen “und unſern Hunger mit Aepfeln und Pflau- “men ſtilleten: ſo ſahen wir unvermuthet, “daß einige Tatarn ihre Pfeile hervorzogen, “und mit geſpanntem Bogen auf uns ziele- “ten. Weil wir nun keine Huͤlfe vor uns “ſahen und uns auch nicht durch die Flucht “zu entkommen getraueten: ſo ſtiegen wir “herunter und ließen uns von ihnen bin-
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Osmaniſche Geſchichte
dern zerſtreuet an, da ſie Nahrung ſuchten; dieſe verſorgte er mit Lebensmitteln,
und ließ ſie in ihr Vaterland ziehen.
57. Mitten unter allen dieſen ungluͤcklichen Begebenheiten der Chriſten
waren die Venetianer die einzigen, die noch einigen Vortheil hatten. Nachdem
Monembaſia, das ſo viele Jahre her den Venetianern, die bereits Meiſter von
Morea waren, widerſtanden hatte, zweene Sommer hindurch eingeſchloſſen ge-
halten und ihm alle Zufuhre abgeſchnitten worden war: ſo wurde es im An-
fange des Feldzuges belagert, und bald darauf durch Hunger zur Uebergabe
genoͤthiget.
58. Zur See griff der venetianiſche Admiral, Daniel Delfino, den Ka-
pudan Paſcha bey Mitylene an, ſchlug denſelben, bohrete einige ſeiner Schiffe
in den Grund, eroberte verſchiedene davon, und noͤthigte ihn die Flucht zu neh-
men. Nach dieſem Siege nimmt Cornaro den Tuͤrken Canina und Vallona
ab, und bringet dieſelben wieder unter die venetianiſche Herrſchaft. In Dal-
matien waget ſich der Befehlhaber von Erzegowina, Dſchinn Ali Paſcha
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ins Feld, und beſtuͤrmet Niſichoſch und Kuſſoſch; wird aber von dem venetia-
niſchen Heere geſchlagen, er ſelbſt gefangen genommen, und ſeine Voͤlker werden
zerſtreuet.
59. Unterdeſſen kehrete der Weßir mit ſeinem ſieghaften Heere nach
Adrianopel zuruͤck, und wurde daſelbſt mit vielen Gluͤckwuͤnſchungen empfangen,
nicht allein von dem Sultane; ſondern auch von dem ganzen Volke, das ihn
als ſeinen Erloͤſer oͤffentlich prieſe. Allein, der Sultan war an einer Waſſer-
ſucht krank; und weil die Aerzte vorſtelleten, daß die Luft zu Adrianopel ihm
nicht dienlich ſey: ſo reiſete der Weßir mit demſelben nach Conſtantinopel, und
hielte in dieſer Stadt mit großer Feierlichkeit und auf triumphirende Weiſe ſei-
nen
“mit dem Hunger. Da dieſes Ungluͤck mir
“zum erſtenmale in dieſem Feldzuge begegne-
“te, und mich, weil ich deſſen nicht gewoh-
“net war, leicht uͤberwaͤltigte: ſo verließ
“ich das Lager, offenbarete mein Vorhaben
“noch einigen andern; und wir begaben
“uns in die Waͤlder, da wir glaubten ſo viel
“Obſt zu finden, daß wir unſern Hunger
“ſtillen koͤnnten, und dabey vor den Tatarn
“ſicher zu ſeyn. Allein, wir betrogen uns
“in unſerer Hoffnung. Denn als wir ein
“ieder auf einem beſondern Baume ſaßen
“und unſern Hunger mit Aepfeln und Pflau-
“men ſtilleten: ſo ſahen wir unvermuthet,
“daß einige Tatarn ihre Pfeile hervorzogen,
“und mit geſpanntem Bogen auf uns ziele-
“ten. Weil wir nun keine Huͤlfe vor uns
“ſahen und uns auch nicht durch die Flucht
“zu entkommen getraueten: ſo ſtiegen wir
“herunter und ließen uns von ihnen bin-
“den.
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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 612. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/722>, abgerufen am 22.11.2024.
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