ihm dabey das Anerbieten thun, daß auf den Fall, wenn er von dem Bünd- nisse mit dem Kaiser abstehen würde, ihm Kamjenjez nebst ganz Podolien und der Ukraina wieder zurück gegeben werden sollte. Allein die Polen, die von dem übel gelungenen Anschlage der Türken auf Soroka neue Hoffnung ge- schöpfet hatten, noch die ganze Moldau zu erobern, hatten auf das Anbringen des Chans keine Achtung, und ließen seinen Abgeschickten wieder von sich.
32.
In eben diesem Jahre fasseten die Venetianer den Entschluß, nach-Die Venetia- ner belagern Ca- nea in Kandia; werden aber ge- nöthiget, mit Verluste wieder abzuziehen. dem sie Morea völlig unter den Fuß gebracht hatten, ihre Waffen gegen Kan- dia zu kehren: sie setzten daher ihr gesammtes Kriegesheer in dieses Eyland über, und belagerten Canea mit großem Ernste. Allein die Türken, die von ihrem Vorhaben durch ein französisches Schiff Nachricht bekommen, hatten eine so starke Besatzung in die Stadt geleget, daß die Venetianer, die dieselbe zu über- rumpeln gedachten, nicht allein nach erlittener großen Niederlage anfangs davon abgetrieben, sondern auch nach einer Belagerung von funfzig Tagen genöthi- get wurden, mit Verluste vieler von den Ihrigen abzuziehen und die Türken für ihre Ueberwinder zu erkennen, als die durch die Gewogenheit des allerchrist- lichsten Königes waren gerettet worden.
33.
Eben so gutes Glück hatte der Statthalter in Arnawd, SülejmanAbwechselndes Kriegesglück der Türken und Ve- netianer auf dem festen Lande. Pascha, indem er die Montenegriner, die einen Aufruhr vorhatten, nach ge- schehenem Angriffe schlug, Zuffa und Panduriza eroberte, und solchergestalt diese Leute wieder zum Gehorsam brachte. Diese glücklichen Erfolge frischeten den Seräskjer von Morea an, daß er verschiedene male einen Angriff auf die Venetianer that; als er aber sich von Lepante Meister machen wollte: so wurde er mit großem Verluste davor weggeschlagen. In Dalmatien trachtete der Pascha von Erzegowina, Grakow durch Alibegj wieder zu erobern; es war aber vergebens. Denn die Türken, die den Platz belagerten, wurden plötzlich von den Venetianern überfallen, geschlagen und in die Flucht gejaget, und dabey der anführende Feldhauptmann selbst gefangen.
34.
Als der Feldzug zu Ende war: so wurden dem Sultane zu Con-Dem Sultane werden Zwillin- ge geboren. stantinopel im Jahre 1104 Zwillinge geboren, nämlich die Söhne Selim und Ibrahim. Weil dieses bisher noch niemals einem Sultane wiederfahren war:H. 1104. J. C. 1693. [Spaltenumbruch]
Tatarey gelangte, wiewol er dieselbe nicht über ein Jahr genoß. Nachdem derselbe abgesetzet worden war: so kam das tatarische [Spaltenumbruch] Reich wieder auf die rechtmäßigen Gjiraj, die es bis auf den heutigen Tag besitzen.
so
4 L 2
21. Aehmed der II
ihm dabey das Anerbieten thun, daß auf den Fall, wenn er von dem Buͤnd- niſſe mit dem Kaiſer abſtehen wuͤrde, ihm Kamjenjez nebſt ganz Podolien und der Ukraina wieder zuruͤck gegeben werden ſollte. Allein die Polen, die von dem uͤbel gelungenen Anſchlage der Tuͤrken auf Soroka neue Hoffnung ge- ſchoͤpfet hatten, noch die ganze Moldau zu erobern, hatten auf das Anbringen des Chans keine Achtung, und ließen ſeinen Abgeſchickten wieder von ſich.
32.
In eben dieſem Jahre faſſeten die Venetianer den Entſchluß, nach-Die Venetia- ner belagern Ca- nea in Kandia; werden aber ge- noͤthiget, mit Verluſte wieder abzuziehen. dem ſie Morea voͤllig unter den Fuß gebracht hatten, ihre Waffen gegen Kan- dia zu kehren: ſie ſetzten daher ihr geſammtes Kriegesheer in dieſes Eyland uͤber, und belagerten Canea mit großem Ernſte. Allein die Tuͤrken, die von ihrem Vorhaben durch ein franzoͤſiſches Schiff Nachricht bekommen, hatten eine ſo ſtarke Beſatzung in die Stadt geleget, daß die Venetianer, die dieſelbe zu uͤber- rumpeln gedachten, nicht allein nach erlittener großen Niederlage anfangs davon abgetrieben, ſondern auch nach einer Belagerung von funfzig Tagen genoͤthi- get wurden, mit Verluſte vieler von den Ihrigen abzuziehen und die Tuͤrken fuͤr ihre Ueberwinder zu erkennen, als die durch die Gewogenheit des allerchriſt- lichſten Koͤniges waren gerettet worden.
33.
Eben ſo gutes Gluͤck hatte der Statthalter in Arnawd, SuͤlejmanAbwechſelndes Kriegesgluͤck der Tuͤrken und Ve- netianer auf dem feſten Lande. Paſcha, indem er die Montenegriner, die einen Aufruhr vorhatten, nach ge- ſchehenem Angriffe ſchlug, Zuffa und Panduriza eroberte, und ſolchergeſtalt dieſe Leute wieder zum Gehorſam brachte. Dieſe gluͤcklichen Erfolge friſcheten den Seraͤskjer von Morea an, daß er verſchiedene male einen Angriff auf die Venetianer that; als er aber ſich von Lepante Meiſter machen wollte: ſo wurde er mit großem Verluſte davor weggeſchlagen. In Dalmatien trachtete der Paſcha von Erzegowina, Grakow durch Alibegj wieder zu erobern; es war aber vergebens. Denn die Tuͤrken, die den Platz belagerten, wurden ploͤtzlich von den Venetianern uͤberfallen, geſchlagen und in die Flucht gejaget, und dabey der anfuͤhrende Feldhauptmann ſelbſt gefangen.
34.
Als der Feldzug zu Ende war: ſo wurden dem Sultane zu Con-Dem Sultane werden Zwillin- ge geboren. ſtantinopel im Jahre 1104 Zwillinge geboren, naͤmlich die Soͤhne Selim und Ibrahim. Weil dieſes bisher noch niemals einem Sultane wiederfahren war:H. 1104. J. C. 1693. [Spaltenumbruch]
Tatarey gelangte, wiewol er dieſelbe nicht uͤber ein Jahr genoß. Nachdem derſelbe abgeſetzet worden war: ſo kam das tatariſche [Spaltenumbruch] Reich wieder auf die rechtmaͤßigen Gjiraj, die es bis auf den heutigen Tag beſitzen.
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21. Aehmed der II
ihm dabey das Anerbieten thun, daß auf den Fall, wenn er von dem Buͤnd-
niſſe mit dem Kaiſer abſtehen wuͤrde, ihm Kamjenjez nebſt ganz Podolien und
der Ukraina wieder zuruͤck gegeben werden ſollte. Allein die Polen, die von
dem uͤbel gelungenen Anſchlage der Tuͤrken auf Soroka neue Hoffnung ge-
ſchoͤpfet hatten, noch die ganze Moldau zu erobern, hatten auf das Anbringen
des Chans keine Achtung, und ließen ſeinen Abgeſchickten wieder von ſich.
32. In eben dieſem Jahre faſſeten die Venetianer den Entſchluß, nach-
dem ſie Morea voͤllig unter den Fuß gebracht hatten, ihre Waffen gegen Kan-
dia zu kehren: ſie ſetzten daher ihr geſammtes Kriegesheer in dieſes Eyland uͤber,
und belagerten Canea mit großem Ernſte. Allein die Tuͤrken, die von ihrem
Vorhaben durch ein franzoͤſiſches Schiff Nachricht bekommen, hatten eine ſo
ſtarke Beſatzung in die Stadt geleget, daß die Venetianer, die dieſelbe zu uͤber-
rumpeln gedachten, nicht allein nach erlittener großen Niederlage anfangs davon
abgetrieben, ſondern auch nach einer Belagerung von funfzig Tagen genoͤthi-
get wurden, mit Verluſte vieler von den Ihrigen abzuziehen und die Tuͤrken
fuͤr ihre Ueberwinder zu erkennen, als die durch die Gewogenheit des allerchriſt-
lichſten Koͤniges waren gerettet worden.
Die Venetia-
ner belagern Ca-
nea in Kandia;
werden aber ge-
noͤthiget, mit
Verluſte wieder
abzuziehen.
33. Eben ſo gutes Gluͤck hatte der Statthalter in Arnawd, Suͤlejman
Paſcha, indem er die Montenegriner, die einen Aufruhr vorhatten, nach ge-
ſchehenem Angriffe ſchlug, Zuffa und Panduriza eroberte, und ſolchergeſtalt
dieſe Leute wieder zum Gehorſam brachte. Dieſe gluͤcklichen Erfolge friſcheten
den Seraͤskjer von Morea an, daß er verſchiedene male einen Angriff auf die
Venetianer that; als er aber ſich von Lepante Meiſter machen wollte: ſo wurde
er mit großem Verluſte davor weggeſchlagen. In Dalmatien trachtete der
Paſcha von Erzegowina, Grakow durch Alibegj wieder zu erobern; es war aber
vergebens. Denn die Tuͤrken, die den Platz belagerten, wurden ploͤtzlich von
den Venetianern uͤberfallen, geſchlagen und in die Flucht gejaget, und dabey
der anfuͤhrende Feldhauptmann ſelbſt gefangen.
Abwechſelndes
Kriegesgluͤck der
Tuͤrken und Ve-
netianer auf dem
feſten Lande.
34. Als der Feldzug zu Ende war: ſo wurden dem Sultane zu Con-
ſtantinopel im Jahre 1104 Zwillinge geboren, naͤmlich die Soͤhne Selim und
Ibrahim. Weil dieſes bisher noch niemals einem Sultane wiederfahren war:
ſo
Tatarey gelangte, wiewol er dieſelbe nicht
uͤber ein Jahr genoß. Nachdem derſelbe
abgeſetzet worden war: ſo kam das tatariſche
Reich wieder auf die rechtmaͤßigen Gjiraj,
die es bis auf den heutigen Tag beſitzen.
Dem Sultane
werden Zwillin-
ge geboren.
H. 1104.
J. C. 1693.
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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 635. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/747>, abgerufen am 22.11.2024.
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