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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
so sahen es die Türken als eine Vorbedeutung von ihrem künftigen Krieges-
glücke an, und setzten durch das gesammte Reich ganze acht Tage zu Freuden-
bezeigungen aus, in denen sie Tag und Nacht das Donanma 15 feierten und an-
dere Fröhlichkeiten und Spiele betrieben, die in dergleichen Fällen gewöhn-
lich sind.

Der Weßir
Ali wird abge-
setzet, und Mu-
stäfa Pascha fol-
get ihm in dieserWürde nach.
35.

Mitten unter diesen Freudenbezeigungen des Volks bemühete sich
der Weßir Serposchtschi Ali Pascha, die Friedensunterhandlungen, die bisher
unterbrochen worden waren, wieder vor die Hand zu nehmen. Er wurde aber
darüber von dem Müfti bestrafet; und weil der Kaiser erklärete, daß es ohne
seinen Befehl und Mitwissen geschehen sey: so wurde derselbe, als ein Verräther
der Religion und des Reichs, seiner Würde entsetzet.

[Spaltenumbruch]
15 Donanma] Also nennen die Tür-
ken ihre öffentlichen Freudenbezeigungen we-
gen eines über die Feinde erhaltenen Sieges
oder Eroberung eines befestigten Platzes.
Wann dergleichen angeordnet wird: so be-
kommen die Kaufleute Befehl, ihre Läden Tag
und Nacht offen zu halten und dieselben mit
ihren kostbarsten Waren auszuschmücken.
Bey solcher Gelegenheit ist keine Art des
Spiels oder der Ergetzlichkeit verboten: ja
das Volk hat alsdann so gar die Erlaubniß,
öffentlich Wein zu trinken, und diejenigen, die
davon trunken werden und zu anderer Zeit
der Strafe des Agas der Jeng-itscheri unter-
worfen sind, können weder in dem Feste ge-
strafet noch nachher zur Rechenschaft gezogen
werden. Die Wachen gehen während der
Zeit beständig in der Stadt herum: sie ha-
ben aber keinen andern Befehl, als zu ver-
[Spaltenumbruch]
wehren, daß kein Streit, Auflauf, Mord und
Diebstahl entstehe; denn in Sachen, die bloß
zur Lustbarkeit und Ergetzung geschehen, dür-
fen sie sich gar nicht mischen.
16 Misri Efendi] Ein Mann, der we-
gen seiner Heiligkeit einen großen Ruhm un-
ter den Türken erlanget hat; ungeachtet ih-
rer viele glauben, daß er ein allzu großer
Gönner der christlichen Religion gewesen sey.
Dieser Verdacht wird durch verschiedene vor-
treffliche Gedichte bestätiget, die derselbe öf-
fentlich bekannt gemacht und in den Dschami
abzusingen verordnet hat. Einige derselben,
die nach vieler Meinung sich auf das Geheim-
niß der Menschwerdung beziehen sollen, habe
ich aus der türkischen Sprache von Wort zu
Wort übersetzet, und es der Mühe werth ge-
achtet, sie hier einzuschalten.
"Ich bin derjenige, dem die Geheimnisse der menschlichen Erkenntniß bekannt sind:
"Ich rechne die Schätze der Gerechtigkeit aus, und bin das Leben der Welt.
"In mir sind alle verborgenen Dinge, und die Geheimnisse der verborgenen Dinge,
eingeschlossen:
"Mir ist das Geheimniß anvertrauet, und ich bin der reiche Besitzer desselben.
36. Sein
"Ich

Osmaniſche Geſchichte
ſo ſahen es die Tuͤrken als eine Vorbedeutung von ihrem kuͤnftigen Krieges-
gluͤcke an, und ſetzten durch das geſammte Reich ganze acht Tage zu Freuden-
bezeigungen aus, in denen ſie Tag und Nacht das Donanma 15 feierten und an-
dere Froͤhlichkeiten und Spiele betrieben, die in dergleichen Faͤllen gewoͤhn-
lich ſind.

Der Weßir
Ali wird abge-
ſetzet, und Mu-
ſtaͤfa Paſcha fol-
get ihm in dieſerWuͤrde nach.
35.

Mitten unter dieſen Freudenbezeigungen des Volks bemuͤhete ſich
der Weßir Serpoſchtſchi Ali Paſcha, die Friedensunterhandlungen, die bisher
unterbrochen worden waren, wieder vor die Hand zu nehmen. Er wurde aber
daruͤber von dem Muͤfti beſtrafet; und weil der Kaiſer erklaͤrete, daß es ohne
ſeinen Befehl und Mitwiſſen geſchehen ſey: ſo wurde derſelbe, als ein Verraͤther
der Religion und des Reichs, ſeiner Wuͤrde entſetzet.

[Spaltenumbruch]
15 Donanma] Alſo nennen die Tuͤr-
ken ihre oͤffentlichen Freudenbezeigungen we-
gen eines uͤber die Feinde erhaltenen Sieges
oder Eroberung eines befeſtigten Platzes.
Wann dergleichen angeordnet wird: ſo be-
kommen die Kaufleute Befehl, ihre Laͤden Tag
und Nacht offen zu halten und dieſelben mit
ihren koſtbarſten Waren auszuſchmuͤcken.
Bey ſolcher Gelegenheit iſt keine Art des
Spiels oder der Ergetzlichkeit verboten: ja
das Volk hat alsdann ſo gar die Erlaubniß,
oͤffentlich Wein zu trinken, und diejenigen, die
davon trunken werden und zu anderer Zeit
der Strafe des Agas der Jeng-itſcheri unter-
worfen ſind, koͤnnen weder in dem Feſte ge-
ſtrafet noch nachher zur Rechenſchaft gezogen
werden. Die Wachen gehen waͤhrend der
Zeit beſtaͤndig in der Stadt herum: ſie ha-
ben aber keinen andern Befehl, als zu ver-
[Spaltenumbruch]
wehren, daß kein Streit, Auflauf, Mord und
Diebſtahl entſtehe; denn in Sachen, die bloß
zur Luſtbarkeit und Ergetzung geſchehen, duͤr-
fen ſie ſich gar nicht miſchen.
16 Misri Efendi] Ein Mann, der we-
gen ſeiner Heiligkeit einen großen Ruhm un-
ter den Tuͤrken erlanget hat; ungeachtet ih-
rer viele glauben, daß er ein allzu großer
Goͤnner der chriſtlichen Religion geweſen ſey.
Dieſer Verdacht wird durch verſchiedene vor-
treffliche Gedichte beſtaͤtiget, die derſelbe oͤf-
fentlich bekannt gemacht und in den Dſchami
abzuſingen verordnet hat. Einige derſelben,
die nach vieler Meinung ſich auf das Geheim-
niß der Menſchwerdung beziehen ſollen, habe
ich aus der tuͤrkiſchen Sprache von Wort zu
Wort uͤberſetzet, und es der Muͤhe werth ge-
achtet, ſie hier einzuſchalten.
“Ich bin derjenige, dem die Geheimniſſe der menſchlichen Erkenntniß bekannt ſind:
“Ich rechne die Schaͤtze der Gerechtigkeit aus, und bin das Leben der Welt.
“In mir ſind alle verborgenen Dinge, und die Geheimniſſe der verborgenen Dinge,
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[636/0748] Osmaniſche Geſchichte ſo ſahen es die Tuͤrken als eine Vorbedeutung von ihrem kuͤnftigen Krieges- gluͤcke an, und ſetzten durch das geſammte Reich ganze acht Tage zu Freuden- bezeigungen aus, in denen ſie Tag und Nacht das Donanma ¹⁵ feierten und an- dere Froͤhlichkeiten und Spiele betrieben, die in dergleichen Faͤllen gewoͤhn- lich ſind. 35. Mitten unter dieſen Freudenbezeigungen des Volks bemuͤhete ſich der Weßir Serpoſchtſchi Ali Paſcha, die Friedensunterhandlungen, die bisher unterbrochen worden waren, wieder vor die Hand zu nehmen. Er wurde aber daruͤber von dem Muͤfti beſtrafet; und weil der Kaiſer erklaͤrete, daß es ohne ſeinen Befehl und Mitwiſſen geſchehen ſey: ſo wurde derſelbe, als ein Verraͤther der Religion und des Reichs, ſeiner Wuͤrde entſetzet. 36. Sein ¹⁵ Donanma] Alſo nennen die Tuͤr- ken ihre oͤffentlichen Freudenbezeigungen we- gen eines uͤber die Feinde erhaltenen Sieges oder Eroberung eines befeſtigten Platzes. Wann dergleichen angeordnet wird: ſo be- kommen die Kaufleute Befehl, ihre Laͤden Tag und Nacht offen zu halten und dieſelben mit ihren koſtbarſten Waren auszuſchmuͤcken. Bey ſolcher Gelegenheit iſt keine Art des Spiels oder der Ergetzlichkeit verboten: ja das Volk hat alsdann ſo gar die Erlaubniß, oͤffentlich Wein zu trinken, und diejenigen, die davon trunken werden und zu anderer Zeit der Strafe des Agas der Jeng-itſcheri unter- worfen ſind, koͤnnen weder in dem Feſte ge- ſtrafet noch nachher zur Rechenſchaft gezogen werden. Die Wachen gehen waͤhrend der Zeit beſtaͤndig in der Stadt herum: ſie ha- ben aber keinen andern Befehl, als zu ver- wehren, daß kein Streit, Auflauf, Mord und Diebſtahl entſtehe; denn in Sachen, die bloß zur Luſtbarkeit und Ergetzung geſchehen, duͤr- fen ſie ſich gar nicht miſchen. ¹⁶ Misri Efendi] Ein Mann, der we- gen ſeiner Heiligkeit einen großen Ruhm un- ter den Tuͤrken erlanget hat; ungeachtet ih- rer viele glauben, daß er ein allzu großer Goͤnner der chriſtlichen Religion geweſen ſey. Dieſer Verdacht wird durch verſchiedene vor- treffliche Gedichte beſtaͤtiget, die derſelbe oͤf- fentlich bekannt gemacht und in den Dſchami abzuſingen verordnet hat. Einige derſelben, die nach vieler Meinung ſich auf das Geheim- niß der Menſchwerdung beziehen ſollen, habe ich aus der tuͤrkiſchen Sprache von Wort zu Wort uͤberſetzet, und es der Muͤhe werth ge- achtet, ſie hier einzuſchalten. “Ich bin derjenige, dem die Geheimniſſe der menſchlichen Erkenntniß bekannt ſind: “Ich rechne die Schaͤtze der Gerechtigkeit aus, und bin das Leben der Welt. “In mir ſind alle verborgenen Dinge, und die Geheimniſſe der verborgenen Dinge, eingeſchloſſen: “Mir iſt das Geheimniß anvertrauet, und ich bin der reiche Beſitzer deſſelben. “Ich

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 636. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/748>, abgerufen am 22.11.2024.