in solches Schrecken, daß der Sultan selbst sein Zelt verließ und an das äußerste Ende des Lagers gegen über flohe; allein bald hernach werden sie von den tür- kischen Truppen überwältiget und mit großem Verluste zurück getrieben.
Des Weßirs Tapferkeit indiesem Treffen.
21.
Dieser Sieg wurde hauptsächlich durch die Tapferkeit des Weßirs, Elmas Muhämmed Paschas, gewonnen. Denn als das Heer durch den plötz- lichen Einbruch der Deutschen in die äußerste Verwirrung gerathen war: so war er der erste, der die vordersten von den Deutschen, die schon an des Sul- tans Gezelte herbey drangen, mit seinen Leuten aufhielte und durch sein Bey- spiel die Jeng-itscheri anfrischete: darauf die Deutschen sich zu schwach befan- den, den hitzigen Widerstand der Türken auszuhalten, und sich genöthiget sahen, wieder in ihr Lager zurück zu kehren, mit Hinterlassung vieler von ihren Leuten und der vier und zwanzig Stücke, die sie mit sich gebracht hatten. Nachdem die Deutschen einmal zu weichen angefangen hatten: so wurden dieselben von drey tausend Bostandschi 11, die den Jeng-itscheri zur Hülfe anrückten, vollends über einen Haufen geworfen. Nämlich, ungeachtet die Bostandschi sonst bloß zu des Sultans Leibwache bestellet sind und bisher niemals auf andere Weise in Kriegsdiensten waren gebraucht worden: so hatte sie dennoch Mustäfa in der gegenwärtigen Gefahr abgeschicket, mit dem Befehle, dem übrigen Heere Beystand zu leisten. Indessen fielen doch die Deutschen nicht, ohne sich an ih- ren Feinden zu rächen. Denn es blieben in diesem Treffen, außer dem Statt- halter von Temischwar, Mustäfa Pascha, des Weßirs Bruder und noch viele andere türkische Kriegsbefehlhaber von dem ersten Range, nebst etlichen tau- send Jeng-itscheri und Aegyptern. Von den Deutschen wurden nicht mehr als diejenigen erschlagen, die die Jeng-itscheri innerhalb ihrer Linien an- trafen.
[Spaltenumbruch]
11 Bostandschi] Die ersten türkischen Kaiser, deren vornehmste Sorge dahin ginge, daß sie ein Kriegesheer haben möchten, das in der Arbeit abgehärtet und zur Erduldung der Mühseligkeit gewöhnet wäre, errichteten diese Schar, vornehmlich in der Absicht, da- mit diese Leute, indem sie sich in Bauung der Gärten übeten, Hitze und Kälte und an- [Spaltenumbruch] deres Ungemach der Luft vertragen lernen, und solchergestalt zu den Beschwerlichkeiten des Krieges geschickter werden möchten. Von diesen Bostandschi wurden die Aeßabli oder Unsinnigen* gewählet, die die niedrigste Gat- tung Soldaten unter den Türken waren, und hernach aus diesen die Jeng-itscheri genom- men; denn dieses war die gerade Stuffe zu
22. Die
* Das Wort heißet ehelose, ledige Personen, dergleichen man vermuthlich anfangs vor andern erwäh- let hat, damit sie desto beherzter fechten möchten.
Osmaniſche Geſchichte
in ſolches Schrecken, daß der Sultan ſelbſt ſein Zelt verließ und an das aͤußerſte Ende des Lagers gegen uͤber flohe; allein bald hernach werden ſie von den tuͤr- kiſchen Truppen uͤberwaͤltiget und mit großem Verluſte zuruͤck getrieben.
Des Weßirs Tapferkeit indieſem Treffen.
21.
Dieſer Sieg wurde hauptſaͤchlich durch die Tapferkeit des Weßirs, Elmas Muhaͤmmed Paſchas, gewonnen. Denn als das Heer durch den ploͤtz- lichen Einbruch der Deutſchen in die aͤußerſte Verwirrung gerathen war: ſo war er der erſte, der die vorderſten von den Deutſchen, die ſchon an des Sul- tans Gezelte herbey drangen, mit ſeinen Leuten aufhielte und durch ſein Bey- ſpiel die Jeng-itſcheri anfriſchete: darauf die Deutſchen ſich zu ſchwach befan- den, den hitzigen Widerſtand der Tuͤrken auszuhalten, und ſich genoͤthiget ſahen, wieder in ihr Lager zuruͤck zu kehren, mit Hinterlaſſung vieler von ihren Leuten und der vier und zwanzig Stuͤcke, die ſie mit ſich gebracht hatten. Nachdem die Deutſchen einmal zu weichen angefangen hatten: ſo wurden dieſelben von drey tauſend Boſtandſchi 11, die den Jeng-itſcheri zur Huͤlfe anruͤckten, vollends uͤber einen Haufen geworfen. Naͤmlich, ungeachtet die Boſtandſchi ſonſt bloß zu des Sultans Leibwache beſtellet ſind und bisher niemals auf andere Weiſe in Kriegsdienſten waren gebraucht worden: ſo hatte ſie dennoch Muſtaͤfa in der gegenwaͤrtigen Gefahr abgeſchicket, mit dem Befehle, dem uͤbrigen Heere Beyſtand zu leiſten. Indeſſen fielen doch die Deutſchen nicht, ohne ſich an ih- ren Feinden zu raͤchen. Denn es blieben in dieſem Treffen, außer dem Statt- halter von Temiſchwar, Muſtaͤfa Paſcha, des Weßirs Bruder und noch viele andere tuͤrkiſche Kriegsbefehlhaber von dem erſten Range, nebſt etlichen tau- ſend Jeng-itſcheri und Aegyptern. Von den Deutſchen wurden nicht mehr als diejenigen erſchlagen, die die Jeng-itſcheri innerhalb ihrer Linien an- trafen.
[Spaltenumbruch]
11 Boſtandſchi] Die erſten tuͤrkiſchen Kaiſer, deren vornehmſte Sorge dahin ginge, daß ſie ein Kriegesheer haben moͤchten, das in der Arbeit abgehaͤrtet und zur Erduldung der Muͤhſeligkeit gewoͤhnet waͤre, errichteten dieſe Schar, vornehmlich in der Abſicht, da- mit dieſe Leute, indem ſie ſich in Bauung der Gaͤrten uͤbeten, Hitze und Kaͤlte und an- [Spaltenumbruch] deres Ungemach der Luft vertragen lernen, und ſolchergeſtalt zu den Beſchwerlichkeiten des Krieges geſchickter werden moͤchten. Von dieſen Boſtandſchi wurden die Aeßabli oder Unſinnigen* gewaͤhlet, die die niedrigſte Gat- tung Soldaten unter den Tuͤrken waren, und hernach aus dieſen die Jeng-itſcheri genom- men; denn dieſes war die gerade Stuffe zu
22. Die
* Das Wort heißet eheloſe, ledige Perſonen, dergleichen man vermuthlich anfangs vor andern erwaͤh- let hat, damit ſie deſto beherzter fechten moͤchten.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0780"n="666"/><fwplace="top"type="header">Osmaniſche Geſchichte</fw><lb/>
in ſolches Schrecken, daß der Sultan ſelbſt ſein Zelt verließ und an das aͤußerſte<lb/>
Ende des Lagers gegen uͤber flohe; allein bald hernach werden ſie von den tuͤr-<lb/>
kiſchen Truppen uͤberwaͤltiget und mit großem Verluſte zuruͤck getrieben.</p><lb/><noteplace="left">Des Weßirs<lb/>
Tapferkeit indieſem Treffen.</note></div><lb/><divn="3"><head>21.</head><p>Dieſer Sieg wurde hauptſaͤchlich durch die Tapferkeit des Weßirs,<lb/>
Elmas Muhaͤmmed Paſchas, gewonnen. Denn als das Heer durch den ploͤtz-<lb/>
lichen Einbruch der Deutſchen in die aͤußerſte Verwirrung gerathen war: ſo<lb/>
war er der erſte, der die vorderſten von den Deutſchen, die ſchon an des Sul-<lb/>
tans Gezelte herbey drangen, mit ſeinen Leuten aufhielte und durch ſein Bey-<lb/>ſpiel die Jeng-itſcheri anfriſchete: darauf die Deutſchen ſich zu ſchwach befan-<lb/>
den, den hitzigen Widerſtand der Tuͤrken auszuhalten, und ſich genoͤthiget ſahen,<lb/>
wieder in ihr Lager zuruͤck zu kehren, mit Hinterlaſſung vieler von ihren Leuten<lb/>
und der vier und zwanzig Stuͤcke, die ſie mit ſich gebracht hatten. Nachdem<lb/>
die Deutſchen einmal zu weichen angefangen hatten: ſo wurden dieſelben von<lb/>
drey tauſend Boſtandſchi <noteplace="end"n="11"/>, die den Jeng-itſcheri zur Huͤlfe anruͤckten, vollends<lb/>
uͤber einen Haufen geworfen. Naͤmlich, ungeachtet die Boſtandſchi ſonſt bloß<lb/>
zu des Sultans Leibwache beſtellet ſind und bisher niemals auf andere Weiſe<lb/>
in Kriegsdienſten waren gebraucht worden: ſo hatte ſie dennoch Muſtaͤfa in<lb/>
der gegenwaͤrtigen Gefahr abgeſchicket, mit dem Befehle, dem uͤbrigen Heere<lb/>
Beyſtand zu leiſten. Indeſſen fielen doch die Deutſchen nicht, ohne ſich an ih-<lb/>
ren Feinden zu raͤchen. Denn es blieben in dieſem Treffen, außer dem Statt-<lb/>
halter von Temiſchwar, Muſtaͤfa Paſcha, des Weßirs Bruder und noch viele<lb/>
andere tuͤrkiſche Kriegsbefehlhaber von dem erſten Range, nebſt etlichen tau-<lb/>ſend Jeng-itſcheri und Aegyptern. Von den Deutſchen wurden nicht mehr<lb/>
als diejenigen erſchlagen, die die Jeng-itſcheri innerhalb ihrer Linien an-<lb/>
trafen.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">22. Die</fw><lb/><cbn="1"/><lb/><notexml:id="G780"next="#G781"place="end"n="11"><p>Boſtandſchi] Die erſten tuͤrkiſchen<lb/>
Kaiſer, deren vornehmſte Sorge dahin ginge,<lb/>
daß ſie ein Kriegesheer haben moͤchten, das<lb/>
in der Arbeit abgehaͤrtet und zur Erduldung<lb/>
der Muͤhſeligkeit gewoͤhnet waͤre, errichteten<lb/>
dieſe Schar, vornehmlich in der Abſicht, da-<lb/>
mit dieſe Leute, indem ſie ſich in Bauung<lb/>
der Gaͤrten uͤbeten, Hitze und Kaͤlte und an-<lb/><cbn="2"/><lb/>
deres Ungemach der Luft vertragen lernen,<lb/>
und ſolchergeſtalt zu den Beſchwerlichkeiten<lb/>
des Krieges geſchickter werden moͤchten. Von<lb/>
dieſen Boſtandſchi wurden die Aeßabli oder<lb/>
Unſinnigen<noteplace="foot"n="*">Das Wort heißet eheloſe, ledige Perſonen, dergleichen man vermuthlich anfangs vor andern erwaͤh-<lb/>
let hat, damit ſie deſto beherzter fechten moͤchten.</note> gewaͤhlet, die die niedrigſte Gat-<lb/>
tung Soldaten unter den Tuͤrken waren, und<lb/>
hernach aus dieſen die Jeng-itſcheri genom-<lb/>
men; denn dieſes war die gerade Stuffe zu</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">dieſer</fw></note></div><lb/></div></div></body></text></TEI>
[666/0780]
Osmaniſche Geſchichte
in ſolches Schrecken, daß der Sultan ſelbſt ſein Zelt verließ und an das aͤußerſte
Ende des Lagers gegen uͤber flohe; allein bald hernach werden ſie von den tuͤr-
kiſchen Truppen uͤberwaͤltiget und mit großem Verluſte zuruͤck getrieben.
21. Dieſer Sieg wurde hauptſaͤchlich durch die Tapferkeit des Weßirs,
Elmas Muhaͤmmed Paſchas, gewonnen. Denn als das Heer durch den ploͤtz-
lichen Einbruch der Deutſchen in die aͤußerſte Verwirrung gerathen war: ſo
war er der erſte, der die vorderſten von den Deutſchen, die ſchon an des Sul-
tans Gezelte herbey drangen, mit ſeinen Leuten aufhielte und durch ſein Bey-
ſpiel die Jeng-itſcheri anfriſchete: darauf die Deutſchen ſich zu ſchwach befan-
den, den hitzigen Widerſtand der Tuͤrken auszuhalten, und ſich genoͤthiget ſahen,
wieder in ihr Lager zuruͤck zu kehren, mit Hinterlaſſung vieler von ihren Leuten
und der vier und zwanzig Stuͤcke, die ſie mit ſich gebracht hatten. Nachdem
die Deutſchen einmal zu weichen angefangen hatten: ſo wurden dieſelben von
drey tauſend Boſtandſchi
¹¹
, die den Jeng-itſcheri zur Huͤlfe anruͤckten, vollends
uͤber einen Haufen geworfen. Naͤmlich, ungeachtet die Boſtandſchi ſonſt bloß
zu des Sultans Leibwache beſtellet ſind und bisher niemals auf andere Weiſe
in Kriegsdienſten waren gebraucht worden: ſo hatte ſie dennoch Muſtaͤfa in
der gegenwaͤrtigen Gefahr abgeſchicket, mit dem Befehle, dem uͤbrigen Heere
Beyſtand zu leiſten. Indeſſen fielen doch die Deutſchen nicht, ohne ſich an ih-
ren Feinden zu raͤchen. Denn es blieben in dieſem Treffen, außer dem Statt-
halter von Temiſchwar, Muſtaͤfa Paſcha, des Weßirs Bruder und noch viele
andere tuͤrkiſche Kriegsbefehlhaber von dem erſten Range, nebſt etlichen tau-
ſend Jeng-itſcheri und Aegyptern. Von den Deutſchen wurden nicht mehr
als diejenigen erſchlagen, die die Jeng-itſcheri innerhalb ihrer Linien an-
trafen.
22. Die
¹¹ Boſtandſchi] Die erſten tuͤrkiſchen
Kaiſer, deren vornehmſte Sorge dahin ginge,
daß ſie ein Kriegesheer haben moͤchten, das
in der Arbeit abgehaͤrtet und zur Erduldung
der Muͤhſeligkeit gewoͤhnet waͤre, errichteten
dieſe Schar, vornehmlich in der Abſicht, da-
mit dieſe Leute, indem ſie ſich in Bauung
der Gaͤrten uͤbeten, Hitze und Kaͤlte und an-
deres Ungemach der Luft vertragen lernen,
und ſolchergeſtalt zu den Beſchwerlichkeiten
des Krieges geſchickter werden moͤchten. Von
dieſen Boſtandſchi wurden die Aeßabli oder
Unſinnigen * gewaͤhlet, die die niedrigſte Gat-
tung Soldaten unter den Tuͤrken waren, und
hernach aus dieſen die Jeng-itſcheri genom-
men; denn dieſes war die gerade Stuffe zu
dieſer
* Das Wort heißet eheloſe, ledige Perſonen, dergleichen man vermuthlich anfangs vor andern erwaͤh-
let hat, damit ſie deſto beherzter fechten moͤchten.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 666. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/780>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.