Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.22. Mustäfa der II setzen, die dem Sultane möchten beygebracht werden, Als Dschäfer Paschasiehet, daß des Weßirs Hartnäckigkeit sich auf keine andere Weise bezwingen lässet: so ersuchet er den Sultan, den Vorhang 18 aufziehen zu lassen, und in Person mit anzuhören, was er zum Besten der osmanischen Wohlfahrt vortra- gen würde. Nachdem ihm dieses gestattet worden: so fänget er folgendermaßen an zu reden. "Wenn ihr nun auch, Bruder, in solcher hohen Gnade bey Gott "stehet, daß derselbe euch die Rathschläge eingiebt, und euch von ihrem Erfolge "versichert: so könnet ihr mich doch nicht tadeln, daß ich dieses nicht weis und "auch nicht glaube. Sollte es aber ihrer Majestät gefällig seyn: so wolle die- "selbe mich hier binden und in Ketten und Banden verwahren lassen; und "euch befehlen, die Feinde auf die Art, wie ihr es für rathsam erachtet, anzu- "greifen. Wenn ihr nun innerhalb einer bis zwoer Stunden nicht schänd- "licher Weise die Flucht ergreifet: so will ich mich, wie ein stinkender Hund, "aller Strafe unterwerfen, die ihrer Majestät mir anzuthun belieben wird. "Wenn aber (welches Gott verhüten wolle!) meine Vorhersagung eintrifft: "so sollt ihr wegen eurer Unbesonnenheit Gott und dem Sultane Rechenschaft "geben. Was aber auch mein Schicksal hiebey immer seyn mag: so verharre "ich doch noch beständig auf meiner vorigen Meinung, und gebe, aus schuldi- "ger Treue gegen das osmanische Reich, den Rath, sich nicht mit dem Feinde "im offenen Felde in ein Treffen einzulassen; sondern nur bloß unsere Linien "zu verstärken, und seine Anfälle mit unserm Geschütze und unsern Soldaten "auszuhalten. Auf diese Weise kann ich, wenn auch Gott uns nicht den Sieg "verleihen sollte, gewiß versprechen, daß wir nicht werden geschlagen werden. "Wenn aber die Feinde unser Lager vorbeyziehen und gegen die Brückenschanze "anrücken sollten: so bin ich der Meinung, daß wir nicht offenbar gegen die- "selben ausziehen, sondern sie mit einer Linie einschließen müßten. Denn auf "diese Art werden sie genöthiget werden, aus Mangel der Lebensmittel ihr Lager "zu verlassen und uns in unsern Werken anzugreifen; oder über die Donau "zu gehen: und so werden sie uns Gelegenheit geben, ihnen auf ihrem Zuge "ohne einige Gefahr in den Rücken zu fallen." 41. Ungeachtet nun der Sultan Dschäfers Rath billigte: so verschob erAuf Dschäfer sondern Stelle, die mit einem Perde oder Vor- hange abgesondert ist, da derselbe alles hören [Spaltenumbruch] kann, was gesaget wird, ohne daß man ihn siehet. hatten, 4 Q 3
22. Muſtaͤfa der II ſetzen, die dem Sultane moͤchten beygebracht werden, Als Dſchaͤfer Paſchaſiehet, daß des Weßirs Hartnaͤckigkeit ſich auf keine andere Weiſe bezwingen laͤſſet: ſo erſuchet er den Sultan, den Vorhang 18 aufziehen zu laſſen, und in Perſon mit anzuhoͤren, was er zum Beſten der osmaniſchen Wohlfahrt vortra- gen wuͤrde. Nachdem ihm dieſes geſtattet worden: ſo faͤnget er folgendermaßen an zu reden. “Wenn ihr nun auch, Bruder, in ſolcher hohen Gnade bey Gott “ſtehet, daß derſelbe euch die Rathſchlaͤge eingiebt, und euch von ihrem Erfolge “verſichert: ſo koͤnnet ihr mich doch nicht tadeln, daß ich dieſes nicht weis und “auch nicht glaube. Sollte es aber ihrer Majeſtaͤt gefaͤllig ſeyn: ſo wolle die- “ſelbe mich hier binden und in Ketten und Banden verwahren laſſen; und “euch befehlen, die Feinde auf die Art, wie ihr es fuͤr rathſam erachtet, anzu- “greifen. Wenn ihr nun innerhalb einer bis zwoer Stunden nicht ſchaͤnd- “licher Weiſe die Flucht ergreifet: ſo will ich mich, wie ein ſtinkender Hund, “aller Strafe unterwerfen, die ihrer Majeſtaͤt mir anzuthun belieben wird. “Wenn aber (welches Gott verhuͤten wolle!) meine Vorherſagung eintrifft: “ſo ſollt ihr wegen eurer Unbeſonnenheit Gott und dem Sultane Rechenſchaft “geben. Was aber auch mein Schickſal hiebey immer ſeyn mag: ſo verharre “ich doch noch beſtaͤndig auf meiner vorigen Meinung, und gebe, aus ſchuldi- “ger Treue gegen das osmaniſche Reich, den Rath, ſich nicht mit dem Feinde “im offenen Felde in ein Treffen einzulaſſen; ſondern nur bloß unſere Linien “zu verſtaͤrken, und ſeine Anfaͤlle mit unſerm Geſchuͤtze und unſern Soldaten “auszuhalten. Auf dieſe Weiſe kann ich, wenn auch Gott uns nicht den Sieg “verleihen ſollte, gewiß verſprechen, daß wir nicht werden geſchlagen werden. “Wenn aber die Feinde unſer Lager vorbeyziehen und gegen die Bruͤckenſchanze “anruͤcken ſollten: ſo bin ich der Meinung, daß wir nicht offenbar gegen die- “ſelben ausziehen, ſondern ſie mit einer Linie einſchließen muͤßten. Denn auf “dieſe Art werden ſie genoͤthiget werden, aus Mangel der Lebensmittel ihr Lager “zu verlaſſen und uns in unſern Werken anzugreifen; oder uͤber die Donau “zu gehen: und ſo werden ſie uns Gelegenheit geben, ihnen auf ihrem Zuge “ohne einige Gefahr in den Ruͤcken zu fallen.„ 41. Ungeachtet nun der Sultan Dſchaͤfers Rath billigte: ſo verſchob erAuf Dſchaͤfer ſondern Stelle, die mit einem Perde oder Vor- hange abgeſondert iſt, da derſelbe alles hoͤren [Spaltenumbruch] kann, was geſaget wird, ohne daß man ihn ſiehet. hatten, 4 Q 3
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22. Muſtaͤfa der II
ſetzen, die dem Sultane moͤchten beygebracht werden, Als Dſchaͤfer Paſcha
ſiehet, daß des Weßirs Hartnaͤckigkeit ſich auf keine andere Weiſe bezwingen
laͤſſet: ſo erſuchet er den Sultan, den Vorhang
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aufziehen zu laſſen, und in
Perſon mit anzuhoͤren, was er zum Beſten der osmaniſchen Wohlfahrt vortra-
gen wuͤrde. Nachdem ihm dieſes geſtattet worden: ſo faͤnget er folgendermaßen
an zu reden. “Wenn ihr nun auch, Bruder, in ſolcher hohen Gnade bey Gott
“ſtehet, daß derſelbe euch die Rathſchlaͤge eingiebt, und euch von ihrem Erfolge
“verſichert: ſo koͤnnet ihr mich doch nicht tadeln, daß ich dieſes nicht weis und
“auch nicht glaube. Sollte es aber ihrer Majeſtaͤt gefaͤllig ſeyn: ſo wolle die-
“ſelbe mich hier binden und in Ketten und Banden verwahren laſſen; und
“euch befehlen, die Feinde auf die Art, wie ihr es fuͤr rathſam erachtet, anzu-
“greifen. Wenn ihr nun innerhalb einer bis zwoer Stunden nicht ſchaͤnd-
“licher Weiſe die Flucht ergreifet: ſo will ich mich, wie ein ſtinkender Hund,
“aller Strafe unterwerfen, die ihrer Majeſtaͤt mir anzuthun belieben wird.
“Wenn aber (welches Gott verhuͤten wolle!) meine Vorherſagung eintrifft:
“ſo ſollt ihr wegen eurer Unbeſonnenheit Gott und dem Sultane Rechenſchaft
“geben. Was aber auch mein Schickſal hiebey immer ſeyn mag: ſo verharre
“ich doch noch beſtaͤndig auf meiner vorigen Meinung, und gebe, aus ſchuldi-
“ger Treue gegen das osmaniſche Reich, den Rath, ſich nicht mit dem Feinde
“im offenen Felde in ein Treffen einzulaſſen; ſondern nur bloß unſere Linien
“zu verſtaͤrken, und ſeine Anfaͤlle mit unſerm Geſchuͤtze und unſern Soldaten
“auszuhalten. Auf dieſe Weiſe kann ich, wenn auch Gott uns nicht den Sieg
“verleihen ſollte, gewiß verſprechen, daß wir nicht werden geſchlagen werden.
“Wenn aber die Feinde unſer Lager vorbeyziehen und gegen die Bruͤckenſchanze
“anruͤcken ſollten: ſo bin ich der Meinung, daß wir nicht offenbar gegen die-
“ſelben ausziehen, ſondern ſie mit einer Linie einſchließen muͤßten. Denn auf
“dieſe Art werden ſie genoͤthiget werden, aus Mangel der Lebensmittel ihr Lager
“zu verlaſſen und uns in unſern Werken anzugreifen; oder uͤber die Donau
“zu gehen: und ſo werden ſie uns Gelegenheit geben, ihnen auf ihrem Zuge
“ohne einige Gefahr in den Ruͤcken zu fallen.„
41. Ungeachtet nun der Sultan Dſchaͤfers Rath billigte: ſo verſchob er
dennoch den Kriegesrath bis auf den folgenden Tag, um alsdann weiter daruͤ-
ber zu rathſchlagen; befahl aber indeſſen ſeinen Leuten, daß ſie ſich innerhalb
ihrer Linien halten ſollten, und diejenigen, die ſich bereits in das Feld begeben
hatten,
ſondern Stelle, die mit einem Perde oder Vor-
hange abgeſondert iſt, da derſelbe alles hoͤren
kann, was geſaget wird, ohne daß man ihn
ſiehet.
Auf Dſchaͤfer
Paſchas Anra-
then wird der
Kriegesrath und
das Treffen bis
auf den folgen-
den Tag ver-
ſchoben.
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