hatten, ließ er durch die Tschawusch 19 wieder zurück jagen. Weil auch dieses nicht hinlänglich war, der Hitze der Soldaten, die wegen ihrer Begierde zu schla- gen ungeduldig waren, Einhalt zu thun: so mußte der Müfti durch ein Fetwa öffentlich erklären; daß diejenigen, die in diesem Treffen blieben, nicht allein die erwartete Krone von Schehadet verlieren, sondern auch ihre unzeitige Kühn- heit in der Hölle ewig beklagen würden.
Der Weßir su- chet alle Mittel hervor, den Sul- tan zu einem Treffen zu bewe-gen:
42.
Mittlerweile war der Prinz Eugen bis an die Brücke fortgerücket; und nachdem er seine Soldaten, die für Durst und Hitze beynahe gestorben wä- ren, mit dem Wasser aus der Donau sich hatte erquicken lassen: so stellete er dieselben in Schlachtordnung. Weil sie nun die ganze Nacht hindurch in die- ser Stellung verharreten: so wurde dadurch das türkische Lager in großes Schrecken gesetzet; denn die Soldaten, die man von dem Fechten zurück gehal- ten hatte, glaubten, die Furcht ihrer Feldhauptleute sey die Ursache davon, und sahen es als die allerschlimmste Vorbedeutung für die osmanischen Sachen an. Als der Weßir dieses merkte, und dadurch eine bequeme Gelegenheit be- kam, Dschäfer Pascha verhaßt zu machen: so hinterbrachte er dem Sultane die Reden und Bewegungen der Soldaten, und führete dieses zum Beweise an, wie nachtheilig des Paschas allzugroße Behutsamkeit dem osmanischen Besten gewesen sey, und wie höchstgefährlich sie noch werden würde, wenn man nicht unverzüglich dagegen Verfügung machte. Denn man dürfe nicht hoffen, daß man den Feinden die Fütterung und Lebensmittel werde abschneiden können; weil sie die Donau offen haben und von allen oberhalb ihrer liegenden Städten Meister seyen, von da dieselben im Ueberflusse könnten versehen werden. In- zwischen sey die Zeit verflossen, ein so weitläufiges Heer durch unnütze Unwirk- samkeit träge geworden, der Schatz erschöpfet, und der Feind werde täglich mehr verstärket.
oder aber, Sche- gedin zu bela- gern; welches auch der Sultangutheißet.
43.
Weil nun ihre Majestät sich mit den Feinden nicht im Felde einlas- sen wollte: so gab ihr derselbe an die Hand, sie hinter sich zu lassen, und sich gegen die Theiße zu wenden und Schegedin zu belagern; denn er wisse gewiß, daß diese Stadt nicht so stark befestiget noch besetzet sey, daß sie es gegen das osmanische Heer nur zehen Tage lang aushalten könne. Wann diese Stadt [Spaltenumbruch]
19 durch die Tschawusch] Es giebt zweyerley Gattungen Tschawusch bey den Türken. Die eine sind diejenigen, die zu Frie- denszeiten in des Weßirs Diwan zu Constan- [Spaltenumbruch] tinopel gebraucht werden, die Bittschriften von den Klägern anzunehmen, die Befehle des Weßirs dem Richter anzuzeigen, und dessen Urtheil zur Vollstreckung zu bringen.
erobert
Osmaniſche Geſchichte
hatten, ließ er durch die Tſchawuſch 19 wieder zuruͤck jagen. Weil auch dieſes nicht hinlaͤnglich war, der Hitze der Soldaten, die wegen ihrer Begierde zu ſchla- gen ungeduldig waren, Einhalt zu thun: ſo mußte der Muͤfti durch ein Fetwa oͤffentlich erklaͤren; daß diejenigen, die in dieſem Treffen blieben, nicht allein die erwartete Krone von Schehadet verlieren, ſondern auch ihre unzeitige Kuͤhn- heit in der Hoͤlle ewig beklagen wuͤrden.
Der Weßir ſu- chet alle Mittel hervor, den Sul- tan zu einem Treffen zu bewe-gen:
42.
Mittlerweile war der Prinz Eugen bis an die Bruͤcke fortgeruͤcket; und nachdem er ſeine Soldaten, die fuͤr Durſt und Hitze beynahe geſtorben waͤ- ren, mit dem Waſſer aus der Donau ſich hatte erquicken laſſen: ſo ſtellete er dieſelben in Schlachtordnung. Weil ſie nun die ganze Nacht hindurch in die- ſer Stellung verharreten: ſo wurde dadurch das tuͤrkiſche Lager in großes Schrecken geſetzet; denn die Soldaten, die man von dem Fechten zuruͤck gehal- ten hatte, glaubten, die Furcht ihrer Feldhauptleute ſey die Urſache davon, und ſahen es als die allerſchlimmſte Vorbedeutung fuͤr die osmaniſchen Sachen an. Als der Weßir dieſes merkte, und dadurch eine bequeme Gelegenheit be- kam, Dſchaͤfer Paſcha verhaßt zu machen: ſo hinterbrachte er dem Sultane die Reden und Bewegungen der Soldaten, und fuͤhrete dieſes zum Beweiſe an, wie nachtheilig des Paſchas allzugroße Behutſamkeit dem osmaniſchen Beſten geweſen ſey, und wie hoͤchſtgefaͤhrlich ſie noch werden wuͤrde, wenn man nicht unverzuͤglich dagegen Verfuͤgung machte. Denn man duͤrfe nicht hoffen, daß man den Feinden die Fuͤtterung und Lebensmittel werde abſchneiden koͤnnen; weil ſie die Donau offen haben und von allen oberhalb ihrer liegenden Staͤdten Meiſter ſeyen, von da dieſelben im Ueberfluſſe koͤnnten verſehen werden. In- zwiſchen ſey die Zeit verfloſſen, ein ſo weitlaͤufiges Heer durch unnuͤtze Unwirk- ſamkeit traͤge geworden, der Schatz erſchoͤpfet, und der Feind werde taͤglich mehr verſtaͤrket.
oder aber, Sche- gedin zu bela- gern; welches auch der Sultangutheißet.
43.
Weil nun ihre Majeſtaͤt ſich mit den Feinden nicht im Felde einlaſ- ſen wollte: ſo gab ihr derſelbe an die Hand, ſie hinter ſich zu laſſen, und ſich gegen die Theiße zu wenden und Schegedin zu belagern; denn er wiſſe gewiß, daß dieſe Stadt nicht ſo ſtark befeſtiget noch beſetzet ſey, daß ſie es gegen das osmaniſche Heer nur zehen Tage lang aushalten koͤnne. Wann dieſe Stadt [Spaltenumbruch]
19 durch die Tſchawuſch] Es giebt zweyerley Gattungen Tſchawuſch bey den Tuͤrken. Die eine ſind diejenigen, die zu Frie- denszeiten in des Weßirs Diwan zu Conſtan- [Spaltenumbruch] tinopel gebraucht werden, die Bittſchriften von den Klaͤgern anzunehmen, die Befehle des Weßirs dem Richter anzuzeigen, und deſſen Urtheil zur Vollſtreckung zu bringen.
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Osmaniſche Geſchichte
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nicht hinlaͤnglich war, der Hitze der Soldaten, die wegen ihrer Begierde zu ſchla-
gen ungeduldig waren, Einhalt zu thun: ſo mußte der Muͤfti durch ein Fetwa
oͤffentlich erklaͤren; daß diejenigen, die in dieſem Treffen blieben, nicht allein
die erwartete Krone von Schehadet verlieren, ſondern auch ihre unzeitige Kuͤhn-
heit in der Hoͤlle ewig beklagen wuͤrden.
42. Mittlerweile war der Prinz Eugen bis an die Bruͤcke fortgeruͤcket;
und nachdem er ſeine Soldaten, die fuͤr Durſt und Hitze beynahe geſtorben waͤ-
ren, mit dem Waſſer aus der Donau ſich hatte erquicken laſſen: ſo ſtellete er
dieſelben in Schlachtordnung. Weil ſie nun die ganze Nacht hindurch in die-
ſer Stellung verharreten: ſo wurde dadurch das tuͤrkiſche Lager in großes
Schrecken geſetzet; denn die Soldaten, die man von dem Fechten zuruͤck gehal-
ten hatte, glaubten, die Furcht ihrer Feldhauptleute ſey die Urſache davon,
und ſahen es als die allerſchlimmſte Vorbedeutung fuͤr die osmaniſchen Sachen
an. Als der Weßir dieſes merkte, und dadurch eine bequeme Gelegenheit be-
kam, Dſchaͤfer Paſcha verhaßt zu machen: ſo hinterbrachte er dem Sultane
die Reden und Bewegungen der Soldaten, und fuͤhrete dieſes zum Beweiſe an,
wie nachtheilig des Paſchas allzugroße Behutſamkeit dem osmaniſchen Beſten
geweſen ſey, und wie hoͤchſtgefaͤhrlich ſie noch werden wuͤrde, wenn man nicht
unverzuͤglich dagegen Verfuͤgung machte. Denn man duͤrfe nicht hoffen, daß
man den Feinden die Fuͤtterung und Lebensmittel werde abſchneiden koͤnnen;
weil ſie die Donau offen haben und von allen oberhalb ihrer liegenden Staͤdten
Meiſter ſeyen, von da dieſelben im Ueberfluſſe koͤnnten verſehen werden. In-
zwiſchen ſey die Zeit verfloſſen, ein ſo weitlaͤufiges Heer durch unnuͤtze Unwirk-
ſamkeit traͤge geworden, der Schatz erſchoͤpfet, und der Feind werde taͤglich
mehr verſtaͤrket.
43. Weil nun ihre Majeſtaͤt ſich mit den Feinden nicht im Felde einlaſ-
ſen wollte: ſo gab ihr derſelbe an die Hand, ſie hinter ſich zu laſſen, und ſich
gegen die Theiße zu wenden und Schegedin zu belagern; denn er wiſſe gewiß,
daß dieſe Stadt nicht ſo ſtark befeſtiget noch beſetzet ſey, daß ſie es gegen das
osmaniſche Heer nur zehen Tage lang aushalten koͤnne. Wann dieſe Stadt
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¹⁹ durch die Tſchawuſch] Es giebt
zweyerley Gattungen Tſchawuſch bey den
Tuͤrken. Die eine ſind diejenigen, die zu Frie-
denszeiten in des Weßirs Diwan zu Conſtan-
tinopel gebraucht werden, die Bittſchriften
von den Klaͤgern anzunehmen, die Befehle
des Weßirs dem Richter anzuzeigen, und
deſſen Urtheil zur Vollſtreckung zu bringen.
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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 678. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/792>, abgerufen am 22.11.2024.
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