Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.22. Mustäfa der II erobert oder durch Feuer verheeret sey: so werde hernach das ganze Land zwi-schen der Theiße und Donau leicht unter die türkische Botmäßigkeit können gebracht werden; und die benachbarten ungarischen Länder könne man alsdann durch die Tatarn und leichtgerüsteten Völker verwüsten lassen. Das deutsche Heer sey schwer und langsam, und dergestalt abgemattet, daß es nicht im Stande seyn werde, den türkischen Truppen nachzuziehen, geschweige dann dieselben zu verfolgen: so könne er auch nicht glauben, wann Schegedin einmal berennet sey, daß der Feldherr der Deutschen seine Völker in einem solchen Platze werde einsperren lassen, da dieselben, wann ein oder der andere Zufall sich eräugen sollte, aus Mangel des Unterhalts umkommen müßten. Sie könnten zwar wohl Belgrad belagern; es befände sich aber eine Besatzung von achtzehen tau- send Mann in dieser Stadt, und ein Vorrath von Lebensmitteln, der auf drey Jahre lang hinreiche. Außer dem sey das osmanische Heer und die Flote in der Nähe; und wenn es die dringende Noth erheischen sollte: so könnte in dem Falle, da der Feind alle andere Zugänge versperret hätte, derselben durch die Flote Hülfe zugebracht werden. Es werde zur Sicherheit dieser Stadt weiter nichts erfordert, als daß man den Statthalter derselben, Aemidsche Ogli Husejn Pa- scha, der ein schwacher und unvermöglicher Mann sey, allda wegnehme und Kodscha Dschäfer Pascha an seine Stelle setze, dessen Geschicklichkeit, eine Stadt zu vertheidigen, sich bey der Belagerung von Temischwar genugsam gezeiget habe. Der Weßir hatte seine besondere Absicht darunter, daß er dem Sultane diese Veränderung anriethe: nämlich, damit er sein Ansehen bey dem Heere wieder erlangen und Dschäfer Pascha von dem Sultane entfernen möchte; her- nach wollte er Gelegenheit nehmen, ihn umzubringen, und dadurch den übrigen Paschen eine Warnung geben, sich ihm inskünftige nicht allzuheftig zu wider- setzen. Allein der Sultan merkte des Weßirs Vorhaben gegen Dschäfer Pa- scha: daher billigte er zwar dessen Anschlag wegen der Belagerung von Schege- din; befahl aber dabey, daß Dschäfer Pascha im Lager bleiben sollte, weil er mit seinem Rathe bey dem Heere größern Nutzen schaffen könne, als in den Städten. 44. Er ließ daher am folgenden Morgen, welches der fünfte des Mo-Der Sultan Die andere, Olaj Tschawschi genennet, wird zu Kriegeszeiten errichtet. Ihr Amt ist fast eben dasjenige, was die Adjutanten bey or- dentlichen Truppen sind. Die Verrichtung [Spaltenumbruch] derselben bestehet darinnen, daß sie in einer Schlacht des Weßirs Befehle den Paschen überbringen, darauf sehen, daß die Reiterey in einer geraden Linie stehe, das Zeichen Pauken
22. Muſtaͤfa der II erobert oder durch Feuer verheeret ſey: ſo werde hernach das ganze Land zwi-ſchen der Theiße und Donau leicht unter die tuͤrkiſche Botmaͤßigkeit koͤnnen gebracht werden; und die benachbarten ungariſchen Laͤnder koͤnne man alsdann durch die Tatarn und leichtgeruͤſteten Voͤlker verwuͤſten laſſen. Das deutſche Heer ſey ſchwer und langſam, und dergeſtalt abgemattet, daß es nicht im Stande ſeyn werde, den tuͤrkiſchen Truppen nachzuziehen, geſchweige dann dieſelben zu verfolgen: ſo koͤnne er auch nicht glauben, wann Schegedin einmal berennet ſey, daß der Feldherr der Deutſchen ſeine Voͤlker in einem ſolchen Platze werde einſperren laſſen, da dieſelben, wann ein oder der andere Zufall ſich eraͤugen ſollte, aus Mangel des Unterhalts umkommen muͤßten. Sie koͤnnten zwar wohl Belgrad belagern; es befaͤnde ſich aber eine Beſatzung von achtzehen tau- ſend Mann in dieſer Stadt, und ein Vorrath von Lebensmitteln, der auf drey Jahre lang hinreiche. Außer dem ſey das osmaniſche Heer und die Flote in der Naͤhe; und wenn es die dringende Noth erheiſchen ſollte: ſo koͤnnte in dem Falle, da der Feind alle andere Zugaͤnge verſperret haͤtte, derſelben durch die Flote Huͤlfe zugebracht werden. Es werde zur Sicherheit dieſer Stadt weiter nichts erfordert, als daß man den Statthalter derſelben, Aemidſche Ogli Huſejn Pa- ſcha, der ein ſchwacher und unvermoͤglicher Mann ſey, allda wegnehme und Kodſcha Dſchaͤfer Paſcha an ſeine Stelle ſetze, deſſen Geſchicklichkeit, eine Stadt zu vertheidigen, ſich bey der Belagerung von Temiſchwar genugſam gezeiget habe. Der Weßir hatte ſeine beſondere Abſicht darunter, daß er dem Sultane dieſe Veraͤnderung anriethe: naͤmlich, damit er ſein Anſehen bey dem Heere wieder erlangen und Dſchaͤfer Paſcha von dem Sultane entfernen moͤchte; her- nach wollte er Gelegenheit nehmen, ihn umzubringen, und dadurch den uͤbrigen Paſchen eine Warnung geben, ſich ihm inskuͤnftige nicht allzuheftig zu wider- ſetzen. Allein der Sultan merkte des Weßirs Vorhaben gegen Dſchaͤfer Pa- ſcha: daher billigte er zwar deſſen Anſchlag wegen der Belagerung von Schege- din; befahl aber dabey, daß Dſchaͤfer Paſcha im Lager bleiben ſollte, weil er mit ſeinem Rathe bey dem Heere groͤßern Nutzen ſchaffen koͤnne, als in den Staͤdten. 44. Er ließ daher am folgenden Morgen, welches der fuͤnfte des Mo-Der Sultan Die andere, Olaj Tſchawſchi genennet, wird zu Kriegeszeiten errichtet. Ihr Amt iſt faſt eben dasjenige, was die Adjutanten bey or- dentlichen Truppen ſind. Die Verrichtung [Spaltenumbruch] derſelben beſtehet darinnen, daß ſie in einer Schlacht des Weßirs Befehle den Paſchen uͤberbringen, darauf ſehen, daß die Reiterey in einer geraden Linie ſtehe, das Zeichen Pauken
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22. Muſtaͤfa der II
erobert oder durch Feuer verheeret ſey: ſo werde hernach das ganze Land zwi-
ſchen der Theiße und Donau leicht unter die tuͤrkiſche Botmaͤßigkeit koͤnnen
gebracht werden; und die benachbarten ungariſchen Laͤnder koͤnne man alsdann
durch die Tatarn und leichtgeruͤſteten Voͤlker verwuͤſten laſſen. Das deutſche
Heer ſey ſchwer und langſam, und dergeſtalt abgemattet, daß es nicht im Stande
ſeyn werde, den tuͤrkiſchen Truppen nachzuziehen, geſchweige dann dieſelben zu
verfolgen: ſo koͤnne er auch nicht glauben, wann Schegedin einmal berennet
ſey, daß der Feldherr der Deutſchen ſeine Voͤlker in einem ſolchen Platze werde
einſperren laſſen, da dieſelben, wann ein oder der andere Zufall ſich eraͤugen
ſollte, aus Mangel des Unterhalts umkommen muͤßten. Sie koͤnnten zwar
wohl Belgrad belagern; es befaͤnde ſich aber eine Beſatzung von achtzehen tau-
ſend Mann in dieſer Stadt, und ein Vorrath von Lebensmitteln, der auf drey
Jahre lang hinreiche. Außer dem ſey das osmaniſche Heer und die Flote in der
Naͤhe; und wenn es die dringende Noth erheiſchen ſollte: ſo koͤnnte in dem Falle,
da der Feind alle andere Zugaͤnge verſperret haͤtte, derſelben durch die Flote
Huͤlfe zugebracht werden. Es werde zur Sicherheit dieſer Stadt weiter nichts
erfordert, als daß man den Statthalter derſelben, Aemidſche Ogli Huſejn Pa-
ſcha, der ein ſchwacher und unvermoͤglicher Mann ſey, allda wegnehme und
Kodſcha Dſchaͤfer Paſcha an ſeine Stelle ſetze, deſſen Geſchicklichkeit, eine Stadt
zu vertheidigen, ſich bey der Belagerung von Temiſchwar genugſam gezeiget
habe. Der Weßir hatte ſeine beſondere Abſicht darunter, daß er dem Sultane
dieſe Veraͤnderung anriethe: naͤmlich, damit er ſein Anſehen bey dem Heere
wieder erlangen und Dſchaͤfer Paſcha von dem Sultane entfernen moͤchte; her-
nach wollte er Gelegenheit nehmen, ihn umzubringen, und dadurch den uͤbrigen
Paſchen eine Warnung geben, ſich ihm inskuͤnftige nicht allzuheftig zu wider-
ſetzen. Allein der Sultan merkte des Weßirs Vorhaben gegen Dſchaͤfer Pa-
ſcha: daher billigte er zwar deſſen Anſchlag wegen der Belagerung von Schege-
din; befahl aber dabey, daß Dſchaͤfer Paſcha im Lager bleiben ſollte, weil er
mit ſeinem Rathe bey dem Heere groͤßern Nutzen ſchaffen koͤnne, als in den
Staͤdten.
44. Er ließ daher am folgenden Morgen, welches der fuͤnfte des Mo-
nats Dſchemaßiuͤl ewwel war, bey anbrechendem Tage mit Trompeten und
Pauken
Die andere, Olaj Tſchawſchi genennet, wird
zu Kriegeszeiten errichtet. Ihr Amt iſt faſt
eben dasjenige, was die Adjutanten bey or-
dentlichen Truppen ſind. Die Verrichtung
derſelben beſtehet darinnen, daß ſie in einer
Schlacht des Weßirs Befehle den Paſchen
uͤberbringen, darauf ſehen, daß die Reiterey
in einer geraden Linie ſtehe, das Zeichen
zum
Der Sultan
ziehet gegen
Schegedin.
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