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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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22. Mustäfa der II
get sich das Heer der Deutschen vor ihren Augen. Als der Sultan dasselbe
herannähern siehet, und daß es die ganze Ebene bedecket: so wollte er darüber
unsinnig werden, und schicket dem Weßire vielfältige Chättischerif zu, mit dem
Befehle, unverzüglich die Jeng-itscheri, Stücke und die Kriegsgeräthschaft her-
über zu senden, und damit nicht zu säumen, wenn auch gleich alle die übrigen
Wägen dem Feinde in die Hände gerathen sollten. Der Weßir aber verhehlet
diese Befehle vor den Paschen, und giebt dem Ueberbringer derselben zur Ant-
wort: er wolle lieber als ein tapferer Soldat mit dem Säbel in der Faust ster-
ben, als sich schimpflicher Weise von dem Sultane umbringen lassen; hält auch
die Jeng-itscheri von dem Uebergange zurück. Dabey kommt dem Weßire noch
die Nachlässigkeit der Hirten zu statten. Denn da diese die Deutschen heran-
kommen sehen: so treiben dieselben gerade zu dieser Zeit alles das Vieh, das
zur Fortbringung so vieler tausend Wägen bestimmet war, oberhalb der Brücke
in den Fluß; dadurch wird nun der Strom gestemmet, und das Vieh gegen die
Brücke hinan getrieben. Die schüchternen Thiere bemühen sich auf die Brücke
zu steigen: darüber drey von den Böten in den Grund sinken, und solchergestalt
die Grundlage derselben eingerissen wird; so daß nur noch ein einzelner Mann,
und dieses mit genauer Noth, auf übergelegten Bretern überkommen kann.

52.

Da nun auf diese Art das Fußvolk des Weßirs von dem SultaneDie Kaiserli-
chen fallen bey
ihrer Anlangung
gerades Weges
auf die Türken
hinein.

abgeschnitten ist: so langen die Deutschen ungefähr drey Stunden vor Nachts
an; und weil sie sich, ohne die Befestigung des türkischen Lagers vorher auszu-
forschen, einbilden, daß es bloß mit einer Wagenburg verwahret sey: so fallen
dieselben gerades Weges auf die Türken hinein; werden aber mit ziemlichem
Verluste zurück getrieben. Da nun die Deutschen wahrnehmen, daß das La-
ger, gegen ihr Vermuthen, mit einer zwiefachen Linie und zwoen Reihen durch
Ketten zusammen gehängter Wägen befestiget ist; imgleichen, daß die Türken
auf dieser Seite des Flusses an Anzahl ihnen weit überlegen sind: so lassen sie
von ihrem Stürmen ab, und entschließen sich, den Feind auf eine andere Weise
anzugreifen.

53.

Das westliche Ufer der Theiße ist hoch, und mit kleinen Hügeln be-Weil sie aber
diese Art des An-
griffs gefährlich
befinden: so ver-
suchen sie es auf
einem andern
Wege.

setzet: und der Raum zwischen denselben ist zu der Zeit, da der Fluß durch die
Herbst- oder Winterregen aufgeschwellet wird, mit Wasser angefüllet; zur
Sommerszeit aber fället dasselbe, und lässet einen Platz sandiges Grundes
dreyßig Schritte breit hinter sich. Hier lässet Prinz Eugen, etwas unterhalb
des türkischen Lagers, eine Schanze aufwerfen, und einige Regimenter diesen
Weg ziehen, die die Türken von innen anfallen sollten, indem er sie von außen
angriffe. Damit auch der Sultan die Brücke nicht wieder ergänzen und sei-
nem Heere Verstärkungen zuschicken möchte: so lässet er zwey Stücke nahe an

den
4 R 2

22. Muſtaͤfa der II
get ſich das Heer der Deutſchen vor ihren Augen. Als der Sultan daſſelbe
herannaͤhern ſiehet, und daß es die ganze Ebene bedecket: ſo wollte er daruͤber
unſinnig werden, und ſchicket dem Weßire vielfaͤltige Chaͤttiſcherif zu, mit dem
Befehle, unverzuͤglich die Jeng-itſcheri, Stuͤcke und die Kriegsgeraͤthſchaft her-
uͤber zu ſenden, und damit nicht zu ſaͤumen, wenn auch gleich alle die uͤbrigen
Waͤgen dem Feinde in die Haͤnde gerathen ſollten. Der Weßir aber verhehlet
dieſe Befehle vor den Paſchen, und giebt dem Ueberbringer derſelben zur Ant-
wort: er wolle lieber als ein tapferer Soldat mit dem Saͤbel in der Fauſt ſter-
ben, als ſich ſchimpflicher Weiſe von dem Sultane umbringen laſſen; haͤlt auch
die Jeng-itſcheri von dem Uebergange zuruͤck. Dabey kommt dem Weßire noch
die Nachlaͤſſigkeit der Hirten zu ſtatten. Denn da dieſe die Deutſchen heran-
kommen ſehen: ſo treiben dieſelben gerade zu dieſer Zeit alles das Vieh, das
zur Fortbringung ſo vieler tauſend Waͤgen beſtimmet war, oberhalb der Bruͤcke
in den Fluß; dadurch wird nun der Strom geſtemmet, und das Vieh gegen die
Bruͤcke hinan getrieben. Die ſchuͤchternen Thiere bemuͤhen ſich auf die Bruͤcke
zu ſteigen: daruͤber drey von den Boͤten in den Grund ſinken, und ſolchergeſtalt
die Grundlage derſelben eingeriſſen wird; ſo daß nur noch ein einzelner Mann,
und dieſes mit genauer Noth, auf uͤbergelegten Bretern uͤberkommen kann.

52.

Da nun auf dieſe Art das Fußvolk des Weßirs von dem SultaneDie Kaiſerli-
chen fallen bey
ihrer Anlangung
gerades Weges
auf die Tuͤrken
hinein.

abgeſchnitten iſt: ſo langen die Deutſchen ungefaͤhr drey Stunden vor Nachts
an; und weil ſie ſich, ohne die Befeſtigung des tuͤrkiſchen Lagers vorher auszu-
forſchen, einbilden, daß es bloß mit einer Wagenburg verwahret ſey: ſo fallen
dieſelben gerades Weges auf die Tuͤrken hinein; werden aber mit ziemlichem
Verluſte zuruͤck getrieben. Da nun die Deutſchen wahrnehmen, daß das La-
ger, gegen ihr Vermuthen, mit einer zwiefachen Linie und zwoen Reihen durch
Ketten zuſammen gehaͤngter Waͤgen befeſtiget iſt; imgleichen, daß die Tuͤrken
auf dieſer Seite des Fluſſes an Anzahl ihnen weit uͤberlegen ſind: ſo laſſen ſie
von ihrem Stuͤrmen ab, und entſchließen ſich, den Feind auf eine andere Weiſe
anzugreifen.

53.

Das weſtliche Ufer der Theiße iſt hoch, und mit kleinen Huͤgeln be-Weil ſie aber
dieſe Art des An-
griffs gefaͤhrlich
befinden: ſo ver-
ſuchen ſie es auf
einem andern
Wege.

ſetzet: und der Raum zwiſchen denſelben iſt zu der Zeit, da der Fluß durch die
Herbſt- oder Winterregen aufgeſchwellet wird, mit Waſſer angefuͤllet; zur
Sommerszeit aber faͤllet daſſelbe, und laͤſſet einen Platz ſandiges Grundes
dreyßig Schritte breit hinter ſich. Hier laͤſſet Prinz Eugen, etwas unterhalb
des tuͤrkiſchen Lagers, eine Schanze aufwerfen, und einige Regimenter dieſen
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den
4 R 2
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[683/0797] 22. Muſtaͤfa der II get ſich das Heer der Deutſchen vor ihren Augen. Als der Sultan daſſelbe herannaͤhern ſiehet, und daß es die ganze Ebene bedecket: ſo wollte er daruͤber unſinnig werden, und ſchicket dem Weßire vielfaͤltige Chaͤttiſcherif zu, mit dem Befehle, unverzuͤglich die Jeng-itſcheri, Stuͤcke und die Kriegsgeraͤthſchaft her- uͤber zu ſenden, und damit nicht zu ſaͤumen, wenn auch gleich alle die uͤbrigen Waͤgen dem Feinde in die Haͤnde gerathen ſollten. Der Weßir aber verhehlet dieſe Befehle vor den Paſchen, und giebt dem Ueberbringer derſelben zur Ant- wort: er wolle lieber als ein tapferer Soldat mit dem Saͤbel in der Fauſt ſter- ben, als ſich ſchimpflicher Weiſe von dem Sultane umbringen laſſen; haͤlt auch die Jeng-itſcheri von dem Uebergange zuruͤck. Dabey kommt dem Weßire noch die Nachlaͤſſigkeit der Hirten zu ſtatten. Denn da dieſe die Deutſchen heran- kommen ſehen: ſo treiben dieſelben gerade zu dieſer Zeit alles das Vieh, das zur Fortbringung ſo vieler tauſend Waͤgen beſtimmet war, oberhalb der Bruͤcke in den Fluß; dadurch wird nun der Strom geſtemmet, und das Vieh gegen die Bruͤcke hinan getrieben. Die ſchuͤchternen Thiere bemuͤhen ſich auf die Bruͤcke zu ſteigen: daruͤber drey von den Boͤten in den Grund ſinken, und ſolchergeſtalt die Grundlage derſelben eingeriſſen wird; ſo daß nur noch ein einzelner Mann, und dieſes mit genauer Noth, auf uͤbergelegten Bretern uͤberkommen kann. 52. Da nun auf dieſe Art das Fußvolk des Weßirs von dem Sultane abgeſchnitten iſt: ſo langen die Deutſchen ungefaͤhr drey Stunden vor Nachts an; und weil ſie ſich, ohne die Befeſtigung des tuͤrkiſchen Lagers vorher auszu- forſchen, einbilden, daß es bloß mit einer Wagenburg verwahret ſey: ſo fallen dieſelben gerades Weges auf die Tuͤrken hinein; werden aber mit ziemlichem Verluſte zuruͤck getrieben. Da nun die Deutſchen wahrnehmen, daß das La- ger, gegen ihr Vermuthen, mit einer zwiefachen Linie und zwoen Reihen durch Ketten zuſammen gehaͤngter Waͤgen befeſtiget iſt; imgleichen, daß die Tuͤrken auf dieſer Seite des Fluſſes an Anzahl ihnen weit uͤberlegen ſind: ſo laſſen ſie von ihrem Stuͤrmen ab, und entſchließen ſich, den Feind auf eine andere Weiſe anzugreifen. Die Kaiſerli- chen fallen bey ihrer Anlangung gerades Weges auf die Tuͤrken hinein. 53. Das weſtliche Ufer der Theiße iſt hoch, und mit kleinen Huͤgeln be- ſetzet: und der Raum zwiſchen denſelben iſt zu der Zeit, da der Fluß durch die Herbſt- oder Winterregen aufgeſchwellet wird, mit Waſſer angefuͤllet; zur Sommerszeit aber faͤllet daſſelbe, und laͤſſet einen Platz ſandiges Grundes dreyßig Schritte breit hinter ſich. Hier laͤſſet Prinz Eugen, etwas unterhalb des tuͤrkiſchen Lagers, eine Schanze aufwerfen, und einige Regimenter dieſen Weg ziehen, die die Tuͤrken von innen anfallen ſollten, indem er ſie von außen angriffe. Damit auch der Sultan die Bruͤcke nicht wieder ergaͤnzen und ſei- nem Heere Verſtaͤrkungen zuſchicken moͤchte: ſo laͤſſet er zwey Stuͤcke nahe an den Weil ſie aber dieſe Art des An- griffs gefaͤhrlich befinden: ſo ver- ſuchen ſie es auf einem andern Wege. 4 R 2

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 683. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/797>, abgerufen am 22.11.2024.