Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.22. Mustäfa der II 68. Weil nun die schon zu weit verstrichene Jahreszeit dieselben von Be-Die Kaiserli- 69. Die türkischen Völker, die zur Beschützung dieser Landschaft bestim-Glückliche Un- das ist, der Ungeschuhete oder Barfüßige, beylegte. Dieses verursachte, daß alle Arten von Leuten eine sehr hohe Meinung von ihm bekamen; so daß Bijiklü Pascha, als derselbe zu der Würde des Weßirs gelangte, keinen für so tüchtig hielte, ihm in seinem vorigen Amte des Seräskjers von Babadagi nachzu- folgen, als Daltaban. Die Zeit über, da er diese Stelle bekleidete, wendete er alle seine Bemühungen dahin, Moldau von den Polen zu säubern; und trachtete zu dem Ende So- roka zu erobern, welches ihr Waffenplatz in diesem Lande war. Ungeachtet er nun sein Vorhaben nicht ausführen konnte, und die- ses wegen Mangels einer hinlänglichen An- zahl Truppen (denn der größte und beste Theil des osmanischen Heeres wurde gegen den Kaiser von Deutschland gebrauchet): so ver- theidigte er dennoch die Grenzen von Moldau mit solcher Tapferkeit, daß die Polen keine weitern Eroberungen machen, noch den tür- kischen Ländern einigen merklichen Schaden zufügen konnten. Er behielte dieses Amt [Spaltenumbruch] ungefähr vier Jahre lang, in welcher Zeit er mit meinem Vater genaue Freundschaft mach- te, die er nicht allein fortsetzte, so lange er lebte; sondern dieselbe auch nach meines Va- ters Tode dessen Söhnen durch vielfältige Proben zu erkennen gab: eine Sache, die man sonst unter den Barbarn nicht antrifft. Als Unruhen in Asien entstunden, und dieses Land durch Raubereyen verheret werden woll- te: so wußte der Weßir keinen geschicktern Mann, denselben Einhalt zu thun, als Dal- taban. Nachdem er also mit dem Titel Ana- dol Begjlerbegji nach Kjutahi war gesendet worden: so dämpfte er nicht allein die Auf- rührer in kurzer Zeit, und verschaffte dem Lande seine vorige Ruhe wieder; sondern er führete auch die Kriegeszucht, die ganz und gar abgekommen war, wiederum ein, und vermehrete die asiatischen Truppen sehr stark. Der Neid seiner Feinde war die Ursache, daß er nicht in der Schlacht bey Senta mit ums Leben kam. Denn als er in demselben Jahre zu Sophia, der Hauptstadt in Bulgarien, an- 70. Die 4 S 3
22. Muſtaͤfa der II 68. Weil nun die ſchon zu weit verſtrichene Jahreszeit dieſelben von Be-Die Kaiſerli- 69. Die tuͤrkiſchen Voͤlker, die zur Beſchuͤtzung dieſer Landſchaft beſtim-Gluͤckliche Un- das iſt, der Ungeſchuhete oder Barfuͤßige, beylegte. Dieſes verurſachte, daß alle Arten von Leuten eine ſehr hohe Meinung von ihm bekamen; ſo daß Bijikluͤ Paſcha, als derſelbe zu der Wuͤrde des Weßirs gelangte, keinen fuͤr ſo tuͤchtig hielte, ihm in ſeinem vorigen Amte des Seraͤskjers von Babadagi nachzu- folgen, als Daltaban. Die Zeit uͤber, da er dieſe Stelle bekleidete, wendete er alle ſeine Bemuͤhungen dahin, Moldau von den Polen zu ſaͤubern; und trachtete zu dem Ende So- roka zu erobern, welches ihr Waffenplatz in dieſem Lande war. Ungeachtet er nun ſein Vorhaben nicht ausfuͤhren konnte, und die- ſes wegen Mangels einer hinlaͤnglichen An- zahl Truppen (denn der groͤßte und beſte Theil des osmaniſchen Heeres wurde gegen den Kaiſer von Deutſchland gebrauchet): ſo ver- theidigte er dennoch die Grenzen von Moldau mit ſolcher Tapferkeit, daß die Polen keine weitern Eroberungen machen, noch den tuͤr- kiſchen Laͤndern einigen merklichen Schaden zufuͤgen konnten. Er behielte dieſes Amt [Spaltenumbruch] ungefaͤhr vier Jahre lang, in welcher Zeit er mit meinem Vater genaue Freundſchaft mach- te, die er nicht allein fortſetzte, ſo lange er lebte; ſondern dieſelbe auch nach meines Va- ters Tode deſſen Soͤhnen durch vielfaͤltige Proben zu erkennen gab: eine Sache, die man ſonſt unter den Barbarn nicht antrifft. Als Unruhen in Aſien entſtunden, und dieſes Land durch Raubereyen verheret werden woll- te: ſo wußte der Weßir keinen geſchicktern Mann, denſelben Einhalt zu thun, als Dal- taban. Nachdem er alſo mit dem Titel Ana- dol Begjlerbegji nach Kjutahi war geſendet worden: ſo daͤmpfte er nicht allein die Auf- ruͤhrer in kurzer Zeit, und verſchaffte dem Lande ſeine vorige Ruhe wieder; ſondern er fuͤhrete auch die Kriegeszucht, die ganz und gar abgekommen war, wiederum ein, und vermehrete die aſiatiſchen Truppen ſehr ſtark. Der Neid ſeiner Feinde war die Urſache, daß er nicht in der Schlacht bey Senta mit ums Leben kam. Denn als er in demſelben Jahre zu Sophia, der Hauptſtadt in Bulgarien, an- 70. Die 4 S 3
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22. Muſtaͤfa der II
68. Weil nun die ſchon zu weit verſtrichene Jahreszeit dieſelben von Be-
lagerung ſolcher ſtarken Feſtungen, als Temiſchwar und Belgrad waren, ab-
hielte: ſo kehreten ſie ihre Waffen gegen Bosnien, eroberten Dobe und Mogle,
ſteckten Serajo, die Hauptſtadt des Landes, in Brand, und brachten faſt die
ganze Landſchaft unter ihre Gewalt.
Die Kaiſerli-
chen kehren ihre
Waffen gegen
Bosnien, und
verheren daſſelbe
erſchrecklicher
Weiſe.
69. Die tuͤrkiſchen Voͤlker, die zur Beſchuͤtzung dieſer Landſchaft beſtim-
met waren, wußten in dieſer Noth kein anderes Mittel zu ergreifen, als daß ſie
zu Daltaban Muſtaͤfa
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Paſcha gingen, der ſich damals von ungefaͤhr zu Bich-
kje, einer Stadt in Bosnien, aufhielte, ihm die Befehlhabung uͤber das daſige
Heer auftrugen, und ihn zwangen, dieſelbe zu uͤbernehmen. Unter dieſes Man-
nes Anfuͤhrung faſſeten die Tuͤrken wieder friſchen Muth, und thaten den ſie-
genden Deutſchen nicht allein Widerſtand; ſondern noͤthigten auch dieſelben,
ſich uͤber die Save hinuͤber zu ziehen, und nahmen ihnen vier und zwanzig Schloͤſ-
ſer wieder ab, die an beyden Seiten dieſes Fluſſes gelegen ſind.
Gluͤckliche Un-
ternehmungen
Daltaban Mu-
ſtaͤfa Paſchas.
70. Die
das iſt, der Ungeſchuhete oder Barfuͤßige,
beylegte. Dieſes verurſachte, daß alle Arten
von Leuten eine ſehr hohe Meinung von ihm
bekamen; ſo daß Bijikluͤ Paſcha, als derſelbe
zu der Wuͤrde des Weßirs gelangte, keinen
fuͤr ſo tuͤchtig hielte, ihm in ſeinem vorigen
Amte des Seraͤskjers von Babadagi nachzu-
folgen, als Daltaban. Die Zeit uͤber, da er
dieſe Stelle bekleidete, wendete er alle ſeine
Bemuͤhungen dahin, Moldau von den Polen
zu ſaͤubern; und trachtete zu dem Ende So-
roka zu erobern, welches ihr Waffenplatz in
dieſem Lande war. Ungeachtet er nun ſein
Vorhaben nicht ausfuͤhren konnte, und die-
ſes wegen Mangels einer hinlaͤnglichen An-
zahl Truppen (denn der groͤßte und beſte Theil
des osmaniſchen Heeres wurde gegen den
Kaiſer von Deutſchland gebrauchet): ſo ver-
theidigte er dennoch die Grenzen von Moldau
mit ſolcher Tapferkeit, daß die Polen keine
weitern Eroberungen machen, noch den tuͤr-
kiſchen Laͤndern einigen merklichen Schaden
zufuͤgen konnten. Er behielte dieſes Amt
ungefaͤhr vier Jahre lang, in welcher Zeit er
mit meinem Vater genaue Freundſchaft mach-
te, die er nicht allein fortſetzte, ſo lange er
lebte; ſondern dieſelbe auch nach meines Va-
ters Tode deſſen Soͤhnen durch vielfaͤltige
Proben zu erkennen gab: eine Sache, die
man ſonſt unter den Barbarn nicht antrifft.
Als Unruhen in Aſien entſtunden, und dieſes
Land durch Raubereyen verheret werden woll-
te: ſo wußte der Weßir keinen geſchicktern
Mann, denſelben Einhalt zu thun, als Dal-
taban. Nachdem er alſo mit dem Titel Ana-
dol Begjlerbegji nach Kjutahi war geſendet
worden: ſo daͤmpfte er nicht allein die Auf-
ruͤhrer in kurzer Zeit, und verſchaffte dem
Lande ſeine vorige Ruhe wieder; ſondern er
fuͤhrete auch die Kriegeszucht, die ganz und
gar abgekommen war, wiederum ein, und
vermehrete die aſiatiſchen Truppen ſehr ſtark.
Der Neid ſeiner Feinde war die Urſache, daß
er nicht in der Schlacht bey Senta mit ums
Leben kam. Denn als er in demſelben Jahre
zu Sophia, der Hauptſtadt in Bulgarien, an-
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