geben von allen denen Festungen, die das osmanische Reich vor und nach dem letztern Kriege mit den Deutschen besessen habe.
101.
Weil er nun aus diesem Verzeichnisse ersahe, daß eine große AnzahlEntrüstet sich gewaltig gegen die Abgesandten, die den Frieden gemacht hatten. Städte jenseits der Save, die er ehedem als Pascha von Bosnien den Deut- schen entrissen hatte, in dem letztern Frieden denselben zurück gegeben worden waren: so wurde er darüber äußerst ergrimmet, und sagte; diejenigen, die den Frieden gemacht hätten, wären eben so gut Gjawr, als die Deutschen selbst: weil sie ohne die geringste Noth so viele Plätze, die durch Vergießung seines eigenen Blutes unter die osmanische Herrschaft gebracht worden, weggegeben; und noch dazu Kamjenjez, eine Stadt, die von dem Sultane Muhämmed zu ei- ner Vormauer des ganzen Reichs und einem herrlichen Denkmale der muhäm- medischen Religion, durch Aufführung eines prächtigen Dschami, bestimmet wor- den, gegen drey Städte in Moldau, mit Christen angefüllet, vertauschet hätten.
102.
Er begnügte sich nicht damit, die Urheber des Friedens solcherge-Fasset den Vor- satz, die Polen zu bekriegen. stalt zu beschuldigen; sondern fassete auch den Vorsatz, denselben zu brechen, und insbesondere den Krieg gegen die Polen zu erklären. Er machte sich auch große Hoffnung, besseres Glück dabey zu haben, als das vorigemal: nicht nur wegen der Schwäche dieses Reichs, die er, als er Seräskjer gegen dieselben gewesen, zur Genüge kennen gelernet hatte; sondern auch wegen des verwirr- ten Zustandes in Europa nach dem Tode des Königs in Spanien, aus welcher Ursache weder der Kaiser, noch sonst eine der christlichen Mächte, ihnen zu Hülfe kommen könnte.
103.
Damit aber das abergläubische Volk nicht denken möchte, daß derSuchet eine Ge- legenheit, den Frieden zu bre- chen. osmanische Hof den Stillstand bräche, und aus dieser Ursache wegen des Er- folgs besorgt wäre: so forschete er genau nach, ob nicht etwas von den Deut- schen begangen worden sey, das einigen Scheingrund zu einer Kriegserklärung abgeben könnte.
104.
Weil er aber keinen Vorwand finden konnte, den Feind eines Frie-Drohet den Friedensgesand- ten, unter dem Vorwande, daß der Friede den Geboten des Ku- rons entgegen sey. densbruchs zu beschuldigen: so gab er vor; die Abgesandten des osmanischen Hofes hätten gegen den Kuron und des Sultans Befehl gehandelt, und dem Feinde mehr nachgegeben, als sie mit ihren Verhaltungsbefehlen rechtfertigen könnten: und aus diesem Grunde fassete er den Entschluß, dieselben um das Leben zu bringen.
105.
Er merkte aber, daß das Ansehen des Müftis ihm eine große Hin-Setzet sich vor, den Müfti ums Leben zu bringen. derung in dieser Sache machen werde; indem dieser nicht allein durch sein Fetwa
den
4 Y 2
22. Muſtaͤfa der II
geben von allen denen Feſtungen, die das osmaniſche Reich vor und nach dem letztern Kriege mit den Deutſchen beſeſſen habe.
101.
Weil er nun aus dieſem Verzeichniſſe erſahe, daß eine große AnzahlEntruͤſtet ſich gewaltig gegen die Abgeſandten, die den Frieden gemacht hatten. Staͤdte jenſeits der Save, die er ehedem als Paſcha von Bosnien den Deut- ſchen entriſſen hatte, in dem letztern Frieden denſelben zuruͤck gegeben worden waren: ſo wurde er daruͤber aͤußerſt ergrimmet, und ſagte; diejenigen, die den Frieden gemacht haͤtten, waͤren eben ſo gut Gjawr, als die Deutſchen ſelbſt: weil ſie ohne die geringſte Noth ſo viele Plaͤtze, die durch Vergießung ſeines eigenen Blutes unter die osmaniſche Herrſchaft gebracht worden, weggegeben; und noch dazu Kamjenjez, eine Stadt, die von dem Sultane Muhaͤmmed zu ei- ner Vormauer des ganzen Reichs und einem herrlichen Denkmale der muhaͤm- mediſchen Religion, durch Auffuͤhrung eines praͤchtigen Dſchami, beſtimmet wor- den, gegen drey Staͤdte in Moldau, mit Chriſten angefuͤllet, vertauſchet haͤtten.
102.
Er begnuͤgte ſich nicht damit, die Urheber des Friedens ſolcherge-Faſſet den Vor- ſatz, die Polen zu bekriegen. ſtalt zu beſchuldigen; ſondern faſſete auch den Vorſatz, denſelben zu brechen, und insbeſondere den Krieg gegen die Polen zu erklaͤren. Er machte ſich auch große Hoffnung, beſſeres Gluͤck dabey zu haben, als das vorigemal: nicht nur wegen der Schwaͤche dieſes Reichs, die er, als er Seraͤskjer gegen dieſelben geweſen, zur Genuͤge kennen gelernet hatte; ſondern auch wegen des verwirr- ten Zuſtandes in Europa nach dem Tode des Koͤnigs in Spanien, aus welcher Urſache weder der Kaiſer, noch ſonſt eine der chriſtlichen Maͤchte, ihnen zu Huͤlfe kommen koͤnnte.
103.
Damit aber das aberglaͤubiſche Volk nicht denken moͤchte, daß derSuchet eine Ge- legenheit, den Frieden zu bre- chen. osmaniſche Hof den Stillſtand braͤche, und aus dieſer Urſache wegen des Er- folgs beſorgt waͤre: ſo forſchete er genau nach, ob nicht etwas von den Deut- ſchen begangen worden ſey, das einigen Scheingrund zu einer Kriegserklaͤrung abgeben koͤnnte.
104.
Weil er aber keinen Vorwand finden konnte, den Feind eines Frie-Drohet den Friedensgeſand- ten, unter dem Vorwande, daß der Friede den Geboten des Ku- rons entgegen ſey. densbruchs zu beſchuldigen: ſo gab er vor; die Abgeſandten des osmaniſchen Hofes haͤtten gegen den Kuron und des Sultans Befehl gehandelt, und dem Feinde mehr nachgegeben, als ſie mit ihren Verhaltungsbefehlen rechtfertigen koͤnnten: und aus dieſem Grunde faſſete er den Entſchluß, dieſelben um das Leben zu bringen.
105.
Er merkte aber, daß das Anſehen des Muͤftis ihm eine große Hin-Setzet ſich vor, den Muͤfti ums Leben zu bringen. derung in dieſer Sache machen werde; indem dieſer nicht allein durch ſein Fetwa
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22. Muſtaͤfa der II
geben von allen denen Feſtungen, die das osmaniſche Reich vor und nach dem
letztern Kriege mit den Deutſchen beſeſſen habe.
101. Weil er nun aus dieſem Verzeichniſſe erſahe, daß eine große Anzahl
Staͤdte jenſeits der Save, die er ehedem als Paſcha von Bosnien den Deut-
ſchen entriſſen hatte, in dem letztern Frieden denſelben zuruͤck gegeben worden
waren: ſo wurde er daruͤber aͤußerſt ergrimmet, und ſagte; diejenigen, die den
Frieden gemacht haͤtten, waͤren eben ſo gut Gjawr, als die Deutſchen ſelbſt:
weil ſie ohne die geringſte Noth ſo viele Plaͤtze, die durch Vergießung ſeines
eigenen Blutes unter die osmaniſche Herrſchaft gebracht worden, weggegeben;
und noch dazu Kamjenjez, eine Stadt, die von dem Sultane Muhaͤmmed zu ei-
ner Vormauer des ganzen Reichs und einem herrlichen Denkmale der muhaͤm-
mediſchen Religion, durch Auffuͤhrung eines praͤchtigen Dſchami, beſtimmet wor-
den, gegen drey Staͤdte in Moldau, mit Chriſten angefuͤllet, vertauſchet haͤtten.
Entruͤſtet ſich
gewaltig gegen
die Abgeſandten,
die den Frieden
gemacht hatten.
102. Er begnuͤgte ſich nicht damit, die Urheber des Friedens ſolcherge-
ſtalt zu beſchuldigen; ſondern faſſete auch den Vorſatz, denſelben zu brechen,
und insbeſondere den Krieg gegen die Polen zu erklaͤren. Er machte ſich auch
große Hoffnung, beſſeres Gluͤck dabey zu haben, als das vorigemal: nicht nur
wegen der Schwaͤche dieſes Reichs, die er, als er Seraͤskjer gegen dieſelben
geweſen, zur Genuͤge kennen gelernet hatte; ſondern auch wegen des verwirr-
ten Zuſtandes in Europa nach dem Tode des Koͤnigs in Spanien, aus welcher
Urſache weder der Kaiſer, noch ſonſt eine der chriſtlichen Maͤchte, ihnen zu Huͤlfe
kommen koͤnnte.
Faſſet den Vor-
ſatz, die Polen
zu bekriegen.
103. Damit aber das aberglaͤubiſche Volk nicht denken moͤchte, daß der
osmaniſche Hof den Stillſtand braͤche, und aus dieſer Urſache wegen des Er-
folgs beſorgt waͤre: ſo forſchete er genau nach, ob nicht etwas von den Deut-
ſchen begangen worden ſey, das einigen Scheingrund zu einer Kriegserklaͤrung
abgeben koͤnnte.
Suchet eine Ge-
legenheit, den
Frieden zu bre-
chen.
104. Weil er aber keinen Vorwand finden konnte, den Feind eines Frie-
densbruchs zu beſchuldigen: ſo gab er vor; die Abgeſandten des osmaniſchen
Hofes haͤtten gegen den Kuron und des Sultans Befehl gehandelt, und dem
Feinde mehr nachgegeben, als ſie mit ihren Verhaltungsbefehlen rechtfertigen
koͤnnten: und aus dieſem Grunde faſſete er den Entſchluß, dieſelben um das
Leben zu bringen.
Drohet den
Friedensgeſand-
ten, unter dem
Vorwande, daß
der Friede den
Geboten des Ku-
rons entgegen
ſey.
105. Er merkte aber, daß das Anſehen des Muͤftis ihm eine große Hin-
derung in dieſer Sache machen werde; indem dieſer nicht allein durch ſein Fetwa
den
Setzet ſich vor,
den Muͤfti ums
Leben zu bringen.
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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 723. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/837>, abgerufen am 22.11.2024.
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