seinen Abgesandten, Poniatowski, dem Sultane selbst ingeheim eine Vorstellung überreichen, darinnen er sich beschweret, daß der Weßir von dem Feinde besto- chen und ein Verräther des Reichs sey: denn er habe ihn durch den Chan der Tatarey mit vielen und großen Versprechen anfrischen lassen, den Krieg fortzu- setzen, zu einer Zeit, da die Russen zum Frieden geneigt gewesen seyen; itzo aber stopfe er zu seinem Anhalten die Ohren zu, und habe mit dem gemeinschaftlichen Feinde einen solchen Frieden gemacht, daß ihn die Russen selbst kaum besser hät- ten verlangen können.
17.
Der Sultan schicket diese Schrift, der Gewohnheit nach, dem Weßirekann aber bey der gegenwärti- gen Beschaffen- heit der Sachen nichts erhalten. zu, und befiehlet ihm, seinen Bericht abzustatten, was bisher mit den Schweden verhandelt worden sey. Der Weßir wird über den Chan und den König von Schweden höchstens erbost; weil er aber nicht im Stande ist, seine Rachgier an dem letztern abzukühlen: so lässet er seinen ganzen Zorn über den erstern aus. Er ertheilet dem Sultane eine solche Nachricht, wie er es für dienlich erachtet, nämlich von Falschheiten angefüllet, leget alle Schuld auf den Ver- rath des Chans, und verursachet dadurch, daß derselbe abgesetzet und nach Janopel verwiesen wird.
18.
Die hohen Bedienten halten hierauf nochmals eine geheime Raths-Die Türken beschließen, den Frieden mit Rußland zu be- stätigen, und die Könige zur Ab- reise zu nöthi- gen. versammlung, darinnen beschlossen wird, den Frieden mit Rußland beyzubehal- ten, dem Könige von Schweden den Abschied zu geben, um nach Hause zu keh- ren, und Sorge zu tragen, daß derselbe durch Deutschland einen sichern Durch- zug erhalten möge. Der König im Gegentheile, als er diese Antwort bekommt, weigert sich abzureisen, und erkläret, daß er da bleiben und abwarten wolle, wie die Sachen liefen: denn er sey versichert, daß die Türken im nächstkünfti- gen Sommer in einen Krieg mit den Russen gezogen werden würden, so sehr sie auch denselben zu vermeiden trachteten; und alsdann werde der Sultan zu spät gewahr werden, daß er den Weßir nicht fälschlicher Weise des Ver- raths beschuldiget habe. Allein, der Weßir verachtet diese Gegenvorstellungen, bestehet auf seiner Meinung, und sendet den Chan Dewlet Gjiraj mit vielen Ehrenzeichen in die krimische Tatarey: giebt ihm auch den Befehl mit, daß er sich auf alle Weise bemühen solle, den Frieden mit den Russen beyzubehalten; und im Falle, daß diese etwas Feindseliges unternehmen sollten, dem osmani- schen Hofe davon Nachricht zu geben.
19.
So bald der Chan in der tatarischen Halbinsel angelanget ist: soDer Betrug des Weßirs wird entdecket. sendet er, um seinen Vorfahrer, Kaplan Gjiraj, verhaßt zu machen, ein Schrei- ben an den Sultan, und meldet ihm darinnen: es habe derselbe nicht allein durch
seine
23. Aehmed der III
ſeinen Abgeſandten, Poniatowſki, dem Sultane ſelbſt ingeheim eine Vorſtellung uͤberreichen, darinnen er ſich beſchweret, daß der Weßir von dem Feinde beſto- chen und ein Verraͤther des Reichs ſey: denn er habe ihn durch den Chan der Tatarey mit vielen und großen Verſprechen anfriſchen laſſen, den Krieg fortzu- ſetzen, zu einer Zeit, da die Ruſſen zum Frieden geneigt geweſen ſeyen; itzo aber ſtopfe er zu ſeinem Anhalten die Ohren zu, und habe mit dem gemeinſchaftlichen Feinde einen ſolchen Frieden gemacht, daß ihn die Ruſſen ſelbſt kaum beſſer haͤt- ten verlangen koͤnnen.
17.
Der Sultan ſchicket dieſe Schrift, der Gewohnheit nach, dem Weßirekann aber bey der gegenwaͤrti- gen Beſchaffen- heit der Sachen nichts erhalten. zu, und befiehlet ihm, ſeinen Bericht abzuſtatten, was bisher mit den Schweden verhandelt worden ſey. Der Weßir wird uͤber den Chan und den Koͤnig von Schweden hoͤchſtens erboſt; weil er aber nicht im Stande iſt, ſeine Rachgier an dem letztern abzukuͤhlen: ſo laͤſſet er ſeinen ganzen Zorn uͤber den erſtern aus. Er ertheilet dem Sultane eine ſolche Nachricht, wie er es fuͤr dienlich erachtet, naͤmlich von Falſchheiten angefuͤllet, leget alle Schuld auf den Ver- rath des Chans, und verurſachet dadurch, daß derſelbe abgeſetzet und nach Janopel verwieſen wird.
18.
Die hohen Bedienten halten hierauf nochmals eine geheime Raths-Die Tuͤrken beſchließen, den Frieden mit Rußland zu be- ſtaͤtigen, und die Koͤnige zur Ab- reiſe zu noͤthi- gen. verſammlung, darinnen beſchloſſen wird, den Frieden mit Rußland beyzubehal- ten, dem Koͤnige von Schweden den Abſchied zu geben, um nach Hauſe zu keh- ren, und Sorge zu tragen, daß derſelbe durch Deutſchland einen ſichern Durch- zug erhalten moͤge. Der Koͤnig im Gegentheile, als er dieſe Antwort bekommt, weigert ſich abzureiſen, und erklaͤret, daß er da bleiben und abwarten wolle, wie die Sachen liefen: denn er ſey verſichert, daß die Tuͤrken im naͤchſtkuͤnfti- gen Sommer in einen Krieg mit den Ruſſen gezogen werden wuͤrden, ſo ſehr ſie auch denſelben zu vermeiden trachteten; und alsdann werde der Sultan zu ſpaͤt gewahr werden, daß er den Weßir nicht faͤlſchlicher Weiſe des Ver- raths beſchuldiget habe. Allein, der Weßir verachtet dieſe Gegenvorſtellungen, beſtehet auf ſeiner Meinung, und ſendet den Chan Dewlet Gjiraj mit vielen Ehrenzeichen in die krimiſche Tatarey: giebt ihm auch den Befehl mit, daß er ſich auf alle Weiſe bemuͤhen ſolle, den Frieden mit den Ruſſen beyzubehalten; und im Falle, daß dieſe etwas Feindſeliges unternehmen ſollten, dem osmani- ſchen Hofe davon Nachricht zu geben.
19.
So bald der Chan in der tatariſchen Halbinſel angelanget iſt: ſoDer Betrug des Weßirs wird entdecket. ſendet er, um ſeinen Vorfahrer, Kaplan Gjiraj, verhaßt zu machen, ein Schrei- ben an den Sultan, und meldet ihm darinnen: es habe derſelbe nicht allein durch
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23. Aehmed der III
ſeinen Abgeſandten, Poniatowſki, dem Sultane ſelbſt ingeheim eine Vorſtellung
uͤberreichen, darinnen er ſich beſchweret, daß der Weßir von dem Feinde beſto-
chen und ein Verraͤther des Reichs ſey: denn er habe ihn durch den Chan der
Tatarey mit vielen und großen Verſprechen anfriſchen laſſen, den Krieg fortzu-
ſetzen, zu einer Zeit, da die Ruſſen zum Frieden geneigt geweſen ſeyen; itzo aber
ſtopfe er zu ſeinem Anhalten die Ohren zu, und habe mit dem gemeinſchaftlichen
Feinde einen ſolchen Frieden gemacht, daß ihn die Ruſſen ſelbſt kaum beſſer haͤt-
ten verlangen koͤnnen.
17. Der Sultan ſchicket dieſe Schrift, der Gewohnheit nach, dem Weßire
zu, und befiehlet ihm, ſeinen Bericht abzuſtatten, was bisher mit den Schweden
verhandelt worden ſey. Der Weßir wird uͤber den Chan und den Koͤnig von
Schweden hoͤchſtens erboſt; weil er aber nicht im Stande iſt, ſeine Rachgier
an dem letztern abzukuͤhlen: ſo laͤſſet er ſeinen ganzen Zorn uͤber den erſtern
aus. Er ertheilet dem Sultane eine ſolche Nachricht, wie er es fuͤr dienlich
erachtet, naͤmlich von Falſchheiten angefuͤllet, leget alle Schuld auf den Ver-
rath des Chans, und verurſachet dadurch, daß derſelbe abgeſetzet und nach
Janopel verwieſen wird.
kann aber bey
der gegenwaͤrti-
gen Beſchaffen-
heit der Sachen
nichts erhalten.
18. Die hohen Bedienten halten hierauf nochmals eine geheime Raths-
verſammlung, darinnen beſchloſſen wird, den Frieden mit Rußland beyzubehal-
ten, dem Koͤnige von Schweden den Abſchied zu geben, um nach Hauſe zu keh-
ren, und Sorge zu tragen, daß derſelbe durch Deutſchland einen ſichern Durch-
zug erhalten moͤge. Der Koͤnig im Gegentheile, als er dieſe Antwort bekommt,
weigert ſich abzureiſen, und erklaͤret, daß er da bleiben und abwarten wolle,
wie die Sachen liefen: denn er ſey verſichert, daß die Tuͤrken im naͤchſtkuͤnfti-
gen Sommer in einen Krieg mit den Ruſſen gezogen werden wuͤrden, ſo ſehr
ſie auch denſelben zu vermeiden trachteten; und alsdann werde der Sultan
zu ſpaͤt gewahr werden, daß er den Weßir nicht faͤlſchlicher Weiſe des Ver-
raths beſchuldiget habe. Allein, der Weßir verachtet dieſe Gegenvorſtellungen,
beſtehet auf ſeiner Meinung, und ſendet den Chan Dewlet Gjiraj mit vielen
Ehrenzeichen in die krimiſche Tatarey: giebt ihm auch den Befehl mit, daß er
ſich auf alle Weiſe bemuͤhen ſolle, den Frieden mit den Ruſſen beyzubehalten;
und im Falle, daß dieſe etwas Feindſeliges unternehmen ſollten, dem osmani-
ſchen Hofe davon Nachricht zu geben.
Die Tuͤrken
beſchließen, den
Frieden mit
Rußland zu be-
ſtaͤtigen, und die
Koͤnige zur Ab-
reiſe zu noͤthi-
gen.
19. So bald der Chan in der tatariſchen Halbinſel angelanget iſt: ſo
ſendet er, um ſeinen Vorfahrer, Kaplan Gjiraj, verhaßt zu machen, ein Schrei-
ben an den Sultan, und meldet ihm darinnen: es habe derſelbe nicht allein durch
ſeine
Der Betrug
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entdecket.
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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 759. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/873>, abgerufen am 22.11.2024.
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